Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Honk (48)

Es ist Montag. Ich brauche Brot. Bäcker Bisewski, der letzte Bäcker mit gutem und trotzdem nicht oberschichtenkiezig überteuertem Brot im Kiez, hat Montags zu, was ich wieder nicht auf dem Schirm hatte und deshalb verloren vor der geschlossenen Bäckerbutze rumstehe.

Dann kommt der Honk.

Und der Honk redet mit sich selbst.

„Watissn ditte? Issndit?“

Er hat keinen Kopfhörer im Ohr. Es ist ja inzwischen so, dass die Leute, die in der Öffentlichkeit wie Kloppis vor sich hinsabbeln, nicht mehr nur die üblichen Berliner Gestörten sind, sondern Leute, die einfach nur alle anderen Leute bei ihrem Bluetoothtelefonat mitfiebern lassen wollen: „Eeeeelke, nee, ick steh‘ hier Bötzkowkiez. BÖTZOWKIEZ! JA! HUFELAND! ECKE ESMARCH! JAAAAA-HA! ICK SEH‘ DICH! HIAAAAA! HIAAAAA! EEEEELKEEEEEE!“

So einer ist der Honk nicht. Er ist ein Gestörter. Ganz alte Berliner Schule. Zugedröhnt, verstrahlt, vor sich hinlallend, sich selbst überlassen. Einer wie früher. Redet nicht mit irgendwem, sondern mit sich selbst. Und den Gegenständen um ihn herum. Pollern. Straßenlaternen. Oder hier: Einem geschlossenen Rolladen.

„Sollndit? Hattn der zu? Kanndonisein! Hatto imma offn! Offn’n MAAAAAAAAN!“

Er redet ohne Sprechpause auf diesen geschlossenen Rolladen ein. Der die geschlossene Bäckerei symbolisiert. Und den Honk triggert, so dass der schließlich brüllt und die hinterletzten Zipfelmützen Prenzlauer Bergs aus dem Schlaf holt:

„NA IHR KÖNNT‘ EUCH DIT LEISTNÄ! EUCH JEHT’S JA JUT! NA WENN’S EUCH SO JUT JEHT DASSA ZUMACH’N KÖNNT, DANN JEHT’S EUCH JA JUT!“

Brüllt er auf den Rolladen ein. Er wollte offenbar ein Bisewskibrot. Was ich verstehe. Weil Bisewski gute Brote kann. Die besten. Pfeif‘ auf die überteuerte Lutum und ihre 9-Euro-Laibe für die organic Upper-Class-Pilates-Mothers, den locker genauso teuren Hirsegnom oder den Fabrikbrotepuff drinnen im Rewe mit den Sägespahnkloppern für die Bauarbeitermarmelade. Bisewski backt halt noch wie früher. Sauerteig. Zwo Uhr nachts aufstehen. Blut. Schweiß. Tränen. Nervenzusammenbruch. Schlüsselkinder. Scheidung. Die ganze Scheiße. Traditionsbäcker halt.

„NEE KLAR, KAMMA JA MA ZUMACHEN. ISS JA NUR CORONA. COOOROOOONAAAAAAAAA! IHR HABT’S JA ECHT NÄ NÖTIG! NÄ NÖTIG! HABTA NÖÖÖÖÖÖ!!!“

Brüllt er weiter den Rolladen an, während ein Hund an den Stromkasten pisst, ich mir für später ein paar Blüten zur Feier des freigenommenen Montags in den Verdampfer krümele und eine überforderte Mutter ihr mies erzogenes Kind anblökt.

Ich biege in die Bötzowstraße ein. Gibt es heute eben Brot von Bäcker Zessin. Das ist zwar nicht gut wie von Bisewski, aber mir ist das egal. Nur dem Honk nicht. Dem ist das nicht egal. Dem hat der Montag den Tag gefickt. Und das Hirn. Und der Bäcker sein Leben. Glückwunsch.


Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Honk (47)