Hirnsudelei 01/22

Rockin‘. Geht doch. Das Gewicht nähert sich wieder dem Wert, an dem es sein soll. Knapp sechs Kilo abgeworfen und ich mag mich wieder. Eine gute Nachricht.

Die Trainierin ist auch wieder mit mir zufrieden, nickt anerkennend empowermentesk, ebenso die normalerweise besten Kumpels der Welt, die ihre Lästerbackerei vom Gewicht nun auf den doch lang und dicht gewordenen Vollbart verlegt haben. Es ist immer ausgesprochen schön, wenn ich mein Umfeld mit der Optik meines Körpers zumindest teilweise zufriedenstellen kann.

(Was? Nein, der Bart bleibt vorerst dran. Einfach weil ich den so lange werde nie wieder wachsen lassen dürfen. Ich muss ja auch wieder seriös werden, wenn ich irgendwann mal wieder die Kundschaft des Borgwürfels, des weisesten, tolerantesten und generösesten Arbeitgebers der Welt, mit Unsinn versorgen darf. Aber erst wenn das alles vorbei ist. 2025. 2026. 2030. Oder so. Was weiß ich.)

Dafür sind die 20 Kilometer bei der Laufrunde nach langem wieder gefallen. Das erste Mal seit meiner Coronanummer vom November. Der Körper ist wieder da. Ich meine noch eine kleine Blockade ganz unten in der Lunge zu spüren, aber das kann auch Einbildung sein. Psychomacke. Der übliche Knall. Läuferparanoia. Coronahangover. Ich weiß es nicht.

Klar arbeiten muss ich an der Geschwindigkeit. Die ist nach wie vor räudig. 5:50 den Kilometer auf diese Distanz. Inakzeptabel langsam. Nicht schön. Aber ausbaufähig. Der Mensch braucht ja Ziele und ich habe sonst keine mehr, seitdem ich mich vor der mir zu abstoßenden neuen Normalität sukzessive eingegraben habe, also nehm‘ ich halt das. Körpermanagement. Schauen wie ich den schweinehündischen Sausack diszipliniert halte. Ich-Arbeit. Hart machen. Optimieren. Selber machen. Nicht lamentieren. Hold yourself accountable first before you hold anybody else accountable. Thanx, Scott, für den Support.

Das Blogding hier nimmt derweil im Moment erneut einen komischen inhaltlichen Drive und wird mir zu stier. Mir folgen inzwischen wieder einige recht fundamentalistische Leute und teilen das Gekritzel von hier in irgendwelchen sehr skurrilen Gruppen mit noch mehr komischen Leuten, mit denen ich nichts anfangen kann. Das Teilen ist ja okay, machen Sie ruhig, ich habe es aufgegeben, nicht verlinkt und geteilt werden zu wollen, weil es ja sowieso gemacht wird.

Ich möchte jedoch warnen. Nur falls Sie neu dabei sind. Ich bin kein guter Alliierter. Eigentlich bin ich grundsätzlich gar kein Alliierter von irgendwem, sondern ein sehr unsicherer Kantonist, der die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgruppe prinzipiell ablehnt. Oh ja, auch zu Ihrer. Wir haben jetzt mal eben eine kurze, klar abgesteckte Sache gemeinsam, geschenkt, aber darüber hinaus sind mir schamanische Alternativmedizin, Homöopathie, Mobilfunkmastphobien, seliges Getanze zu Weltmusik auf Ausfallstraßen oder gar Yoga vollkommen scheißegal. Könnte mir nicht egaler sein. Ich selbst glaube an fast nix und schliere als vorsätzlicher Loner wie ein Gummiball meistens komplett haltungslos über diese Erde. Leben. Spaß haben. Sterben. Mehr steckt hier nicht hinter als Gerüst. Ernsthaft jetzt. Ich will Ihnen da gar nichts vormachen.

Am aktuellen Impfhype, der Sie offenbar politisch sehr aktiv hat werden lassen, stört mich nur der penetrante passiv-aggressive Versuch des Zwangs, mein (chronisch tadelloses) Immunsystem nebst Körperzellen unbedingt mit gentechnischen Mitteln spikeproteinig modifizieren zu wollen. Was ich nicht will. Warum? Nix warum. Ich will nicht. Geht alle außer mich selbst einen Scheißdreck an. My body, my choice. Und Never change a running system.

Bieten sie mir irgendwann als Alternative tote Viren an, an denen sich mein (nochmal: beanstandungsloses) Immunsystem abarbeiten darf, dann können wir drüber reden, wenn ich anders nicht mehr aus der endlosen, von analfixierten Zwangsneurotikern implementierten Knastschleife raus komme. Aber das auch so spät wie möglich und nur, damit die Pharmastricher alle endlich ihre korrumpierten Backen halten und aufhören mit dem Drangsalieren. Mehr ist da nicht. Und mehr sollten Sie in Ihrem Furor auch nicht projizieren. Ich mein’s nur gut. Ich weiß nämlich, wie enttäuscht und dann folgerichtig sehr wütend Ideologen werden können, wenn sie irgendwann von selber drauf kommen, dass sie zu sehr projiziert haben. Insofern lieber deutlich vorab: Kein guter Alliierter. Niemandes. Auch nicht Ihrer. Echt nicht.

Währenddessen hat der Borgwürfel mir die Chipkarte deaktiviert. Wie allen, die den gewünschten Impfstatus nicht nachweisen können oder wollen. Ich komme jetzt nicht mehr alleine in den Kubus, sondern der Pförtner muss meinen Test prüfen, mich dann zu meiner Etage begleiten und mir dort mit seiner Karte die Türe öffnen. Ja. Witzig, diese Situation. Absurd gar. Und nein, kein Problem, lächerlich, ziemlich billig ist das, augenscheinlich, und auch das halte ich aus. Das Seufzen des Pförtners. Das mühsame Erheben vom Stuhl. Die mitleidigen Blicke derer, die alleine ohne Begleitschutz zur Etage gehen dürfen. Das Kopfschütteln der Verantwortlichen.

Was sie da gerade tun ist natürlich unsanfte Erpressung oder auch reine Schikane, wenn Sie so wollen, aber noch nicht übermäßig schmerzhaft. Immerhin macht noch niemand bisher Anstalten, über meine grundsätzliche Zukunft hier zu reden, was ich eigentlich erwartet habe, sie wirken vielmehr etwas ratlos und es ist merkwürdig still bis auf zwei, drei routiniert abgeblockte Gespräche in den letzten Wochen, die immer gleich ablaufen:

„Mensch. Du hast doch Corona gehabt. Hast du keinen Genesenenausweis? Wieso hast du nicht…? Du musst doch… du kannst dann doch…“

(halt die Backen, ich scheiße auf den Genesenenausweis).

„Nö, brauch‘ ich nicht.“

(Der würde jetzt eh demnächst wieder ablaufen.)

„Dann lass dich doch jetzt impfen, mann, was soll denn das… irgendwann ist doch auch mal gut…“

(Backen, Alter…)

„Hey, ich muss los, lass uns telefonieren. Ich ruf dich an.“

(tu‘ ich nicht, bleib bitte ganz weit weg…)

Ja lustig, das ganze Gewürge bringt jetzt sogar Amnesty auf den Plan. Amnesty, meine Nerven. Die Typen, die sonst irakische Folterknäste anprangern. Himmel, ein Bohei. Amnesty. Aber hey, keine Sorge, in Italien prangern sie die Zustände an, in Italien, nicht hier. Hier nicht. Hier ist alles okay.

(Flashback: Wissen Sie noch? Vor zwei Jahren? Huhu. Butschigu. Keine Sorge. Nur zwei Wochen die Kurve flachen. Hashtag #flattenthecurve. Dingeling. Jetzt alle nur ganz kurz anstrengen. Dann isch over. Blep.)

Das letzte Mal so richtig bewusst offen glasklar unverbrämt ausgegrenzt worden bin ich in der Schule. Wegen meines polnischen Nachnamens. Als Jugendlicher in den 90ern klar ein Makel. Polacken klauen Autos. Der Polacke klaut Autos. Da waren sich die Türken und Deutschen auf dem Schulhof einig. Polacke. Kuck mal da kommt der Polacke. Bringt eure Autos in Sicherheit. Haha. Hahaha. Du Polacke. Alles das zeckte zu Beginn die ersten paar Jahre doch hart, später kam ich irgendwann damit zurecht. So eine dicke Hornhaut, gebildet im Stahlbad eines prekären Schulhofs voller Offensivmobber, geht nie mehr weg. Die haben Sie für immer. Und sie ist ein eindeutiger Vorteil als Erwachsener. Auch hier heute wieder. Sie kriegen mich mit so plumpem Scheiß wie im Moment nicht diszipliniert. Billige Stigmatisierung. Ganz schlechte Schikanen. Kuhgleiche Augenpaare über Augenpaare (kuck mal der, der, kuck mal, der ist keiner von uns, hätt‘ ich ja nicht gedacht, tuschel tuschel, dass der … also nein …). Ihr affektives Seufzen. Die schalen Witzchen auch. Perlt ab. Ich hab‘ da viel mehr hinter mir. Sie kriegen mich damit nicht. Da müssen sie schon mehr bringen. Easy. Na macht mal.

Es ist aber auch erst die zweite Stufe. Nach den Restaurants, Kinos, Clubs und Kneipen jetzt das betreute Arbeiten im Büro. Eng geführt wie ein kriminell gewordenes Crashkid. Das sichtbare Separieren von der Herde im eigenen Einzelstall. Das Hürdenaufstellen beim Eintritt. Schluss jetzt mit dem. Her mit der schwarzen Pädagogik. Zügel anziehen. Daumenschrauben festzurren. Peitsche her. Der kommt hier jetzt nicht mehr so einfach rein. Nur mit Eskorte. In den Raum, in dem er auch nur noch alleine arbeiten darf. Huhu. So choose wisely, fool: Stigmatisierung oder Bratwurst. Naaa? Haben wir dich? Kriegen wir dich? Knickste ein?

(Ob ich euch das alles vergesse? Nein. Nie. Versprochen. Nie. Vergeben ja, das habe ich bereits, denn ihr seid nur Menschen, von Natur aus zwanghaft, gefangen in einer Gruppendynamik, in der sie euch mit Angst paralysiert bekommen haben, also handelt ihr halt so wie ihr müsst. Geschenkt. Und vergeben, ehrlich. Weil wir ja doch irgendwann wieder normal zusammenarbeiten müssen. Aber vergessen? Nie. Was ihr da im Moment macht, vergesse ich nie.)

Was daraus jetzt folgt ist immer noch nicht mein Einknicken, sondern eine ganz seltsame Form von innerer Ruhe, die ich nüchtern von mir sonst kaum kenne. Eine Teilnahmslosigkeit. Zufriedenheit fast. Das erste Mal seit zwei Jahren. Ich weiß nicht, ob das schon eine Art Stockholmsyndrom ist, aber es stört mich gar nicht mehr, dass ich seit Monaten fast nirgendwo mehr reindarf. Ich habe es mir schlimmer ausgemalt, derart limitiert zu werden. Nee. Ist gar nicht schlimm. Ich vermisse nicht einmal Restaurants. Oder eine Bar. Einen Club. Ich vermisse nix und das hat so ein bisschen was von Loslassen. Minimalismus. Runterschalten. Ballast abwerfen. Rückbesinnen auf die Grundbedürfnisse. Nahrung kaufen. Alkohol kaufen. Grastaxi kommen lassen. Vor sich hin gammeln. Mucke hören. Alles laufen lassen. Loslassen. Abtropfen lassen. Ich rede auch kaum noch mehr. Schon gar nicht über den generellen Zustand, zu dem sowieso alles gesagt ist. Eine nie gekannte Passivität hat meinen Raum eingenommen.

Die Entwicklung, die ich genommen habe, weist dabei komische Parallelen zu den fünf Phasen auf, die immer bei einem normalen Absterbeprozess durchlaufen werden, ach komm‘, spielen wir sie im Rückblick doch mal durch, wir haben ja die Zeit:

1. Phase – Verdrängung: März/April 2020. Haha, Corona, wie bescheuert, kuck mal die Panikhühner. Sagrotanvögel. Lächerlich. Sind die doof. Wieder mal ein Hype. Und auch bald vorbei. Damit kommen die nicht durch.

2. Phase – Zorn: Ihr Wichser habt wohl ne Macke. Sabotage! Fickt euch. Ihr nicht!

3. Phase – Verhandlung: Okay. Geht wohl nicht mehr weg so schnell, die ganze Scheiße. Ich bastel mir Strategien, um euren Mist zu unterlaufen. Komme euch sogar ein wenig entgegen, auch wenn es mich schüttelt. Ich muss ja irgendwie zurecht kommen.

4. Phase – Depression: Winter. Einschluss. Hausarrest. Die Wände kommen näher. Du könntest Sturzbäche an Tränen weinen und niemand würde sie sehen.

5. Phase – Akzeptanz: Januar 2022. Was soll’s. Mir ist alles egal. Ich kämpfe nicht mehr dagegen an. Grab‘ mich jetzt ein. Nichts mehr hören, nichts mehr sehen und nichts mehr sagen. Nihilismus. Schwebezustand. Alles verschwimmt. Und nichts spielt eine Rolle. There you finally are. Total schön.

Das sind normalerweise die fünf Phasen eines Absterbens. Plausibel, nur dass mir nicht der Körper, sondern das Hirn abstirbt.

Falls mir das Hirn noch nicht schon längst von dem Versuch abgestorben ist, die hessischen 2Gplus-Regeln zu verstehen, kieke mal da:

Bahnhof. Ehrlich. Nix versteh‘. Für sowas reicht mein Schrottabitur nicht. Ist das nicht irre? Welcher kaputte Geist denkt sich denn sowas aus?

Dafür ist jetzt im Januar 2022 aus dem Nichts entstanden der ganze Telegram-Schwarzmarkt wieder da, den ich noch vom letzten Winterlockdown kenne, als sie dort wegen des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots die Alkoholvorräte an den Wohnungstüren an umherschweifende Jugendliche verkauft haben, nur dieses Mal sind es nicht die Feierbiester, sondern die Ungebratwursteten, die in gleich mehreren Kanälen, deren Einladungen unter der Hand verteilt werden, mit Dienstleistungen dealen. Ich weiß das, weil ich da drinsitze. Weil das spannend ist. Zu sehen wie das da wuchert und rankt und sägt und keimt. Und da ist alles dabei. Sie kriegen quasi jeden Anbieter für irgendwas via Telegram zu sich nach Hause bestellt. Zumindest in Berlin. Friseure. Handwerker. Kosmetikerinnen. Masseure. Brasilianische Enthaarungen. Solarien wieder mit Anmeldung und Einlass durch die Hintertür. Privatsaunen. Mit ziemlicher Sicherheit alles rabenschwarz, also ohne irgendwelche Steuern. Es ist also erneut die Schattenwirtschaft in Reinform, die in solchen Zeiten hochfährt und alle Schikanen umschifft. Professioneller noch als letztes Jahr. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir das nochmal erleben. Ich dachte, das wäre eine einmalige Sache gewesen, aber nein. Irre. Und schön. Ich mag sowas. Das sind Geschichten, die Sie später, wenn sich alles möglicherweise doch mal beruhigt hat, 2034, 2035 oder so, in einer Saufrunde erzählen können. Wie ich mir ein bratwurstfreies Waxing nach Hause bestellt habe. Wie ich nach Feierabend durchs Treppenhaus ins Solarium gekommen bin, in das ich tagsüber nicht rein durfte. Toll. Ein bisschen Krimi. Spannend halt. Endlich mal was los. Wäre ich eine autoritäre Regierung, würde ich das Tool dazu bestimmt auch verbieten lassen wollen. Viel zu subversiv.

Aber ich muss die Euphorie gleich dämpfen. Was in diesen Gruppen sehr nervt, sind die unglaublichen Massen an Chakrenmasseusen, Lifecoaches, Yogamüttern, seltsamen Schamanen und homöopathischen Meditationsvetteln, die keiner braucht, aber die die Gruppen fluten und durch die Sie sich erst mal durchscrollen müssen, bis Sie zu den Dingen kommen, die interessant sind.

An einem Abend lasse ich ab vom coronalen Untergrund und lese bei einer alt gewordenen Alphabloggerin aus der Digitale Bohème-Euphorie der unschuldigen Nullerjahre, an deren Wohnung die singenden Kerzenvetteln eines Coronaspaziergangs vorbeiliefen und denen sie tapfer „Buuuuh!‘ aus dem Fenster zugerufen hat. Zum Abend berichtet sie dann davon, wie der eheliche Diener lecker Foie Gras zum Dinner serviert hat. Mir gefällt das Gesamtbild, das sie abgibt. Es ist so rund.

Ich stelle mir vor, wie beim Gänsefettleberessen im Hintergrund Radioheads Creep läuft und wie sich beide, Diener und Herrin, immer noch so rebellisch vorkommen wie 2005, als Lobo, der Bohèmepunk, voll frech den Iro mit Schnauzer kombiniert hat, und muss dann versöhnt schmunzeln. Ach schön. Alte Leute. Satt und hängengeblieben. Ganz komisch aus der Zeit gefallen. Überfordert mit allem sicher auch. Der Lage. Der Auflösung. Mit dem Zerknicken all der so schön gemalten Weltbilder. Dem Nichtfunktionieren von dem was sie wollten. Sie können nichts dafür. Und es ist okay so.

Wenn Sie wissen wollen, ob es diesen Monat mal ohne den üblichen Wokenessporn geht, so lautet die Antwort Nein, geht es nicht, hier:

Eine Band, die ich nicht kenne, möchte beim Eurovision Song Contest mitspielen, muss aber vorher durch die Kritik-und-Selbstkritikmühle der Gralshüter. Das Ritual ist dabei wie immer: Gut vorbereitet ins Scheinwerferlicht stellen. Aufrichtig bereuen. Besserung geloben. Tränchen schaden nicht. Hernach die Absolution des Klerus bekommen. Dann eine saubere Karriere machen. Warum der ganze Tanz? Weil sie Eskimo gesagt haben. Also im Bandnamen. Sich irgendwas mit Eskimos genannt haben. Richtig so. Fuck Nazis. Eskimo ist wie Autobahn. Oder Indianerhäuptling. Geht gar nicht.

Frisch gewählter Nadsisprech des Monats ist Eigenverantwortung. Wenn Sie es also nicht wertschätzen, dass eine übereifrige Staatsnanny 24/7 um Sie herumgeiert und Sie in Watte packt, weil Ihnen für kaum mehr einen Bereich Ihres Lebens die Kompetenz für eine eigene Entscheidung zugetraut wird, dann ist das ab jetzt nicht mehr tolerabel. Sie begeben sich mit diesem Begriff nun in gefährliches Fahrwasser mit inakzeptabler Nachbarschaft. Sie wollen das vermeiden? Sprechen Sie anders. Nutzen Sie den offiziellen Katalog der Begrifflichkeiten. Das E-Wort ab jetzt bitte nicht mehr.

Ganz vorne auf der Wokenesswelle mit dabei ist auch diesen Monat wieder der öffentliche Rundfunk, der sich für seine zweifelhafte Haltung wie immer sehr gerne von mir bezahlen lässt:

Häh?

Wobei mir hier nicht klar ist, wer da eigentlich projiziert. Der Liedtexter oder doch eher der haltungsstarke Interpretierende. Ping. Innen.

(Interlude: Ja, es heißt „projiziert“, liebe Kinder, muss euch jetzt der Pole schon eure eigene Sprache beibringen …)

Aber was weiß ich schon. Ich hänge sprachpolizeilich komplett hinterher. Denn Almans (was nicht mehr geht) als Kartoffeln zu bezeichnen geht auch schon wieder nicht mehr, verdammt:

Bahnhof. Aber okay, dann sage ich nicht mehr Kartoffeln zu den mehligen Kohlenhydratbomben mit Augen. Sondern … mehlige Kohlenhydratbomben mit Augen. Ich habe nämlich überhaupt kein Interesse an kolonialer Gewalt.

Übelste Ausgrenzung aller Zeiten sind jetzt Sprechblasen auf Smartphoneapps. Wegen unterschiedlicher Farben. Und zwar bei Apple. Alerta Alerta. Ruf mal einer den Schneeflöckennotdienst für die Borderline:

Die Grenze zwischen Satire und Realität kann inzwischen niemand mehr genau bestimmen. Denn jetzt hat auch George Orwells wegweisendes Buch „1984“ eine Triggerwarnung, denn einige Schüler Schülende*innen könnten es möglicherweise beleidigend und verstörend finden. Orwell. 1984. Offensive and upsetting. Bällebad bitte. Schnell Bällebad. Und das bitte mit Watte einkleiden. Sonst Drama. (via DS-pektiven)

Doch mir wird nicht immer nur Bizarres aus der Welt der Attention Whores angeschwemmt, sondern manchmal auch Gutes. Schwöre. Ich brauch‘ das auch mal zwischendurch, kann nicht immer nur diesen Sektenauswurf fressen, sonst krieg‘ ich noch nen Magenwanddurchbruch und Sie bekommen keine Streetartklickiklickibildchen mit stupidem Buchstabenbrei auf düsterem Hintergrund mehr serviert. Kucken Sie mal, ich teile Weisheit mit Ihnen, über die ich mich gefreut habe:

Gut.

Ja.

Durchatmen.

Nachdenken.

Ja. Sie hat Recht.

Arbeit ist scheiße.

Doch was zum … ?

Was ist das?

Mit fehlt Geld.

Na? Ihnen auch? Spüren Sie es? Dieses Ziehen im Portemonnaie? Dieses kaum noch beeinflussbare Sichauflösen der Patte, die Sie verdienen? Das ist keine Einbildung. Denn der Januar war der Monat der schmerzenden Preisspirale, pünktlich nach ein paar Wochen Karenz zur neu gebildeten Regierung und dem Abflug der Bleiernen. Gas. Versicherungen. Und Strom, kieke, mehr Kohle abdrücken plz, anziehen die Schraube, das muss man ihnen lassen, Grün wirkt schnell:

Respekt. Reife Leistung. Fast hätten sie die Kilowattstunde verdoppelt bekommen. Aber immerhin schön, dass sie mich duzen. Ich werde gerne von allen möglichen Leuten geduzt, vor allem von zu teuer gewordenen Stromanbietern.

(nein, werde ich nicht, ich würde gerne 100 Cent die Kilowattstunde zahlen, nur damit sie mit dem Duzen aufhören…)

Gute Nachricht aber: Wir haben nicht die höchsten Strompreise der Welt, sondern nur die zweithöchsten. Die höchsten hat Bermuda. (via Hadmut Danisch)

(boar, ist das ne explosive Mischung in Postmerkelland. Sowieso schon Inflation, Lebensmittel, Fleisch, Obst, Ersatzteile, you name it, Altersvorsorgen pulverisiert, Gas- und Strompreisexplosion, Mietpreisschraube auf Anschlag, Aktien rauschen ab, Zinsanhebung, Säbelrasseln Richtung Russland, Coronablei, Lieferkettenagonie, Leute auf der Straße, Knüppelbullen gegenüber, schnelleres Texten und Streamen als sie mit dem Löschen hinterher kommen und der neue Kanzler ist abgetaucht. Boom. Alteeer.)

Zuletzt war der Tod wieder da diesen Januar. Ein enges Mitglied meiner sowieso schon atomisierten Familie wurde gegangen. Enorm verbandelt mit dem Kind. Dem ich eine Woche vorab den absehbaren Tod vermitteln musste und zuletzt dann den Tod selbst. Das brauchte einige behutsame Stunden, war nicht einfach und auch undankbar, aber solche Aufgaben muss immer ich machen, weil man wohl der Meinung ist, dass der Psycho am wenigsten Schwierigkeiten mit dem Thema Tod, Teufel und Seuchen hat. Habe ich auch nicht. Habe auch das Thema Tod mit dem Kind schon früh, vor ein paar Jahren bereits, thematisiert:

„Papaaa? Musst du auch irgendwann sterben?“

„Ja, muss ich, jeder muss irgendwann sterben.“

„Ich auch?“

„Ja, du auch.“

Peng.

Für diesen Dialog gab es damals eine Rüge, weil das Kind natürlich durch die Gegend rannte und krähte: „Papa sagt ich muss irgendwann sterben.“ „Das kann man doch so nicht sagen. Papa meint das nicht so.“

Häh?

Warum nicht? Ich glaube, dass das richtig so war. Und ist. Das Ergebnis von direkter Konfrontation mit dem Nichtverhinderbaren ist nämlich, dass das Kind lernt, mit Tod umzugehen und auch jetzt den Tod des doch sehr nahen Menschen recht gut verkraftet hat. Ein Tag Trauer und Elend, am nächsten Tag schon Lachen aus dem Kinderzimmer wegen irgendeiner lustigen Scheiße beim Robloxzocken. Was gut ist. Es muss ja weitergehen. Und ich bin immer noch der generellen Meinung, dass das Inwattepacken von Kindern, das die meisten Berliner Schulen und die meisten Berliner Mütter praktizieren, nicht zielführend für alle zwangsläufigen Krisen des Lebens ist. Hey Kind, hier kommt der Papa mit der löffelfressenden Weisheit, hömma: Das Leben besteht zu einem nicht unerheblichen Teil aus Niederlagen, Widerständen, Tod, Verletzungen und der Abneigung plus der Intrigen anderer Menschen. Ich bringe dir bei, damit halbwegs basiert umzugehen, weil es sonst keiner macht. So ist das immer. Für solche Dinge gibt es mich. Weil alle anderen um das Kind herumschwebenden Hubschrauber und Wellnessbediensteten jegliche Niederlagen, Widerstände, Tod, Verletzungen und Abneigungen ausblenden. Weil ich der einzige bin, der’s dem Kind sagt. Denn das Ziel bleibt ein starker Nachwuchs, den keine Böe umwehen wird und der deshalb bitte keine der pausenlos echauffierten dauersirenigen Heulbojen wird, die sie als untaugliche Rolemodels durch die nicht weniger aufgeregten Erweckungsmedien ziehen.

Der auch mir nahestehende und jetzt tote Mensch starb vollkommen alleine ohne irgendeine Bezugsperson im anonymen Krankenhausbett, da es natürlich schwierig ist, mit dem eigenen Tod genau die halbe Stunde abzupassen, die ein Besucher pro Patient und Tag im Moment ins Krankenhaus darf, vorausgesetzt der Besucher ist geimpft und kein Kind.

Der einzige Mensch, der nach dem Verscharren an der Trauerfeier nach 2G-Statut im gemieteten Lokal nicht teilnehmen durfte, war ich, was alle anderen gestresst hat, aber für mich sogar okay war. Ich blieb statt zu fressen auf dem Friedhof. Warm angezogen. Mütze. Handschuhe. Bisschen Aberlour in einer ausgespülten superunkorrekten True Fruits-Flasche. Lakaien im Ohr. Habe gekifft. Und bin in der Dunkelheit still nach Hause gegangen. Das war gut. Kam mir entgegen. Ein würdiger Abschied, was mich betrifft. Besser als jede Gesellschaft. Ich habe so noch ein wenig Zeit alleine mit dem Tod verbracht. Die verurnte Asche im Boden. Nieselregen. Graue Wolken. Blanke Äste. Keiner da. Ich mag Friedhöfe. Weil der Tod so schön plastisch wird dort.

Was? Stimmung? Ja, kann ich. Immer. Wissen Sie doch. Das war’s eh. Im Januar. Mehr war gar nicht.