Hirnsudelei 06/21

Wir wissen, sie lügen. Sie wissen, sie lügen. Sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Wir wissen, dass sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Und trotzdem lügen sie weiter.

Alexander Solschenizyn


Politik finde ich derzeit noch ekliger als sowieso schon. Nee. Lass ma‘. Bleibt fott. Ist so schmierig alles. Klebrig. Grindig. Unappetitlich. So dass ich mich schon unsauber fühle, wenn ich irgendwas von denen irgendwo lesen muss, was ich aus Gründen der Selbstachtung schon gar nicht mehr kommentieren mag, sondern einfach nur stumpf von mir wegschiebe. Maskenabzocke. Testabzocke. Sesselklebereien. Das Versorgen von Günstlingen auf unkündbaren Posten kurz vor der Wahl. Promotionsplagiate. Lebenslauffrise. Phrasenschleuderer, deren Social Media Teams pseudowitzige vorlaute Scheiße ins Internet krähen. Noch unter Schröder und in den Anfängen der Betonfrisurmerkel wären sie zumindest zurückgetreten und in der Versenkung verschwunden, widerwillig zwar, mit Grummeln, oft unfreiwillig und empört ob des Affronts, dass sie tatsächlich für ihren Mist geradestehen müssen, aber immerhin. Heute in der nicht mal kaschiert degenerierten Endphase der bleiernen Frau tritt niemand mehr zurück, ohne woanders gleich auf den nächsten lukrativen Posten zu schielen (huhu, kein Problem, wir sind Berlin, wir nehmen alles). Nachgewiesen betrogen. Millionen verblasen. Korrupt gewesen. Buddys bedient. Mit den stinkenden Kumpels Steuermittel abgezweigt. Egal. Die kleben an den Trögen wie mit Teer, Bauschaum und Superglue rangepappt, als wäre das Versagen, Abziehen und trotzdem weiter Dummlallen so normal geworden wie es vermutlich tatsächlich ist.

Mäh. Ich habe keinen Bock mehr auf diese ganzen Gesichter. Echt. Ich kann so langsam keinen einzigen von denen mehr sehen. Seit Tagen habe ich schon kein dämliches Nachrichtenportal mehr geöffnet, um mir nicht den Sommer zu versauen. Das fühlt sich an wie überfressen sein. Mastgansfettleber vor dem Antlitz aller Absahner. Schlauch im Hals mit Püreenahrung aus dünnem Kot. Ich mag ehrlich nicht mehr. Nix mehr lesen. Nix mehr merken. Raus. Durch. Abschuss. Von mir dazu maximal noch einen Fickfinger. Für alles. Für jeden. Zu mehr reicht es nicht mehr.

Das ist vielleicht das Gefährlichste an allem, dass es nicht nur mir so geht, sondern einer kippenden Menge x an ganz normal jeden Tag immer noch arbeiten gehenden Irren auch, die das alles vor lauter Ekel gar nicht mehr kommentieren, ja gar nicht mehr lesen mögen, sondern sich nur noch achselzuckend abwenden. Des inneren Ausgleichs wegen. Abgestumpft. Wundpoliert. Hinnehmend. Und sich passiv finanzamtlich für die da oben auf den goldenen Balkonen fisten lassen wie auf einen Bock vom BDSM-Studio geschnallt. Ich behaupte, so war das alles nie gedacht. Damals. 1949. Von Staatsbürgern haben sie mir mal erzählt. Im Sozialkundeunterricht. Vom Souverän. Mündigen Bürgern. Freiem Wettbewerb der Ideen. Zivilgesellschaft. Deren unabdingbaren Abwehrrechten, die man nur kurz mal im absoluten Überlebensfall höchster Not einschränken darf. Und jetzt kommen sie dahergeschlurft mit ihren müden blutunterlaufenen faltigen Kuhgesichtern und sacken ganz offen ihre eigenen Grundsätze ein. Einfach so. Und allen voran Grün (Schönbohm anyone? Kann den jemand ausbuddeln bitte, der wirkte geradezu zivil dagegen….).

In hohem Maße strapaziös finde ich inzwischen, dass mir irgendwer laufend irgendwelche Videoschnipsel über rhetorische Komplettuntergänge grüner Kandidatinx*:ens in die Chatgruppen der Messenger knallt. Einen Verkacker nach dem anderen ballern sie mir da rein, zuletzt aus dem Saarland. Ja. Ich auch. Am Anfang war Häme. Hoho. Warjaklarsinddiedoof. Diekönnenshaltnicht. Wusstichimmer. Jetzt nach dem Saarlandding habe ich schließlich Mitleid. Das ist doch fahrlässig. Man kann doch diese limitierten Leute nicht einfach so in die Arena schubsen und ihnen vorgaukeln, dass sie ohne Skills, Charisma und bar jeder Kenntnisse von irgendwas auf einem wattegepolsterten Listenplatz einfach in die bundestägliche Vollversorgung rutschen und sich dort auf fremde Kosten fortan selbst verwirklichen können.

Ich meine hey, geliefert wie bestellt, das kommt dabei heraus, wenn man allen seit der Schule durchgehend sagt, dass sie alle immer großartig sind, in dem was sie tun, obwohl sie vielleicht gerade mal Naja-geht-so sind. Es ist das Ergebnis dieser Butschigu-Safe-Space-Du-bist-okay-ich-bin-okay-Denke, die als Code Civil des privatmenschlichen Zusammenlebens ihre Berechtigung hat, aber in der haifischigen Politarena und der nicht weniger üblen Privatwirtschaft dazu führt, dass vollkommen unbedarfte (und für jeden offensichtlich ungeeignete) Leute auf einem sicheren Ticket für öffentliche Ämter kandidieren oder als Seiteneinsteiger an allen anderen vorbei in die Boards flutschen und alle klatschen wie in der Volkskammer, weil das Geschlecht stimmt. Dann landen genau diese Leute am Ende voll selbstüberzeugt und in völliger Fehleinschätzung ihrer selbst im Scheinwerfer der Stahlbadarenen voller scharfgeschliffener Messer, Lanzen und Bayonette und werden unter dem Gejohle größtmöglichen Publikums zerlegt. Genüsslich. Süffisant. Gnadenlos. Ganz langsam. Und ich meine es ehrlich, wenn ich sage, dass mir diese Frau, die sie gerade durch alle Kakaobecher ziehen, sehr leid tut. Ich glaube, dass die sehr nett ist. Sie wirkt so. Nur hat man ihr vermutlich nie gesagt, dass es nicht reicht, was sie bringt, sondern sie wie üblich stets darin bestärkt, dass sie großartig ist, egal was sie sagt, tut und wie sie rüberkommt. Wie in einer therapeutischen Besonderemenschenmithandicapwerkstatt. Weil ehrliche Kritik, die zwar hart ist, aber die Menschen sich weiterentwickeln lässt, inzwischen als Hate gilt. Und das kommt dann halt dabei raus: Mutmaßlich nette Menschen, die hart bauchlanden und an der derben Nummer, einmal am Nasenring durch die bundesdeutsche Millionenmanege gezogen und mit des Springers verfaulten Tomaten beworfen worden zu sein, lange, sehr lange, vermutlich ihr Leben lang knabbern werden. Nein, kein Häme, wirklich nicht, ehrlich keine, nur Mitleid. Nochmal: Fahrlässig. Ihr tut den Leuten keinen Gefallen.

Grün. Grüner. Reicht jetzt langsam. Geht es Ihnen auch so? Ich habe auf das Thema Baer echt keinen Bock mehr (haha, yes, Wortspielknaller, das Ding hat bestimmt noch keiner gebracht, plz shoot me, it’s time). Keine Woche vergeht, ohne dass ich den neuesten Ausrutscher der Kandidatin (mit Tränenlachsmileys garniert und die übelsten Dinger verlangsamt wiederholt) irgendwohin geschickt bekomme. Telegram. Threema. Inzwischen sogar Signal. Ist so langsam nicht mehr witzig, dass immer auf ihrer Ahnungslosigkeit und der rhetorischen Unterperformance rumgehackt wird. Dafür kann die ja nix, echt mal. Sie kann’s halt nicht, versucht es aber wenigstens. Das ist anzuerkennen. Empowerment, fastehste. Ich bin okay, du bist okay. Sie für ihre fehlenden Skills zur Kanzlerschaft hinzuhängen ist ungefähr so professionell wie einer der Säufer, die ich meine Kumpels nenne, der da saß und zum Besten gab, dass man den Namen „Baerbock“ sehr gut rülpsen könne. Niveaulos. Nicht okay. Ich unterstütze das nicht.

(auch wenn er in der Sache natürlich Recht hat, rülpse ich lieber die Wörter „Bärlauch“ oder „Beowulf“, das ist eine Frage der Restcontenance…)

Ich gehe nahtlos unappetitlich über zum Finanzcontent. Ich habe mit einem Daumenabdruck auf dem Smartphone aus einer Laune heraus Aktien einer völlig coronamaroden Airline namens Norwegian Airdingsbums gekauft. Ein Euro das Stück. Wenn die, staatsgarantiert wie sie sind, überleben und nur von einem auf zwei Euro steigen, habe ich den hirnlosen Casinoeinsatz verdoppelt. Bei drei Euro verdreifacht. Ich, der kleinzockende Nullblicker, frage ganz ernst nochmal: Mehr steckt da nicht hinter? Das ist das Finanzcasino? Das isses? Runter, wieder hoch. Glück. Pech. Rot. Schwarz. Rien ne va plus. Mehr nicht? Zocken, Wetten, den Lohnstreifen setzen wie draußen Hoppegarten anner Pferderennbahn auf einen klapprigen Gaul? Und das ist legal? Und nein bitte, folgen Sie mir nicht, ich habe keine Ahnung, was ich da mache. Vielleicht verzocke ich gerade die Rücklagen vom Kind und das Jugendamt mobbt mir bald wieder das Sorgerecht weg, weil ich damit nicht umgehen kann.

Was soll’s. Komische Tage. Ich lese nix mehr, tue Dinge, von denen ich nichts verstehe, mir tun plötzlich die Grünen leid wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte und was ich so vor mich hin schreibe, klingt teilweise fast schon seriös und irgendwie zumindest in Teilen so eklig vernünftig. No country for sick boy. Hoffentlich geht das wieder weg.

Europameisterwas? Kriege ich nichts von mit. Selbst meine fußballgestörten Freunde, die sich zum Glück keine peinlichen Deutschlandfähnchen ans Auto hängen, lassen heuer davon ab, mich zur landsmannschaftlichen Mitbegeisterung zu zwingen. Also muss ich dieses Mal nicht so tun, als würde ich seit jeher der polnischen Mannschaft die Daumen drücken (spielt die überhaupt mit?), die mich in Wirklichkeit so wenig interessiert wie die Nationalmannschaft des Kosovo. Nein. Alles nein. Der balltretende Zinnober geht inzwischen endlich gnädig komplett an mir vorbei. Keine Ahnung, wer spielt. Und völlig unerheblich, wer gewinnt.

Im Versuch, die identitätspolitische Falle zu umtänzeln, erzähle ich Ihnen nicht, was ich vom superheißen Regenbogenluftballon halte.

Mmmh.

Oder … vielleicht eine Geschichte: Ich treffe mich seit den Nullerjahren regelmässig in den Bars um den Nolli mit einer Frau, die früher einer meiner engsten Freunde war und jetzt eine meiner engsten Freundinnen ist. Doch es wird weniger. Dass wir uns dort im queeren Epizentrum treffen. Immer öfter gehen wir lieber in einen ganz normalen Italiener in Kreuzberg. Oder einfach abendspazieren. Weil die Stimmung anders wurde. Früher ging alles. Absolut alles. Die Szene ein riesiger Freiraum in den Nachwirkungen der frischen „Ich bin schwul und das ist gut so“-Wowereitzeit, in der der sonst wurstige Regierende nicht nur ein Fenster, sondern ganze Schleusen geöffnet hat. In die Zeit fiel mein Outing als Freund aller Welten. Und das Outing der fabelhaften Transfrau, die so viel mutiger war als ich. Fast zeitgleich. Sie zuerst. Ich so niedlich vorsichtig etwas später. Luft. Lachen. Queer sein war so schön unkorrekt. Urplötzlich ging alles. Wir haben uns da wohlgefühlt.

Nun merken Sie ihn. Auch dort. Den komischen Kulturwandel. In dem selbst die Schwulen in den Bars um den Nolli herum beginnen, aufzupassen was sie sagen. In dem eben auf einmal nicht mehr alles geht wie früher. Sie spüren Leute vorsichtiger werden. Dass Lust, Luft, Lachen erst mal abgewogen wird. Es krampfig wird, je mehr der Mainstream die Deutungshoheit über das, was wir bisher gelebt haben, an sich gerissen hat. Und die schönen Symbole von Millionären, aalglatten Trittbrettfahrern, RTL, der scheiß BVG bis zu Söder und Springer gekapert werden, während die alte schöne Schattenwelt austrocknet. Ausgeleuchtet wird. Das ZDF quasi als Beitrag zur Inklusion seine Kamerateams für eine der wanzig verständnisvollen (und dabei doch nur so trost- wie einfallslosen) Reportagen vorbeischickt und alles am Ende zum Accessoire für influencende Selfiewichser, wokegewaschene Beletagebewohner und eitle Politiker wird. Wohlfeil. Und ja, gratismutig. Mich holen die damit nicht ab. Ob sich der Neuer die Binde über den Arm streift oder sich die Haut mit Lotion Sojamilch einreibt, ist mir scheißegal. Der hat mit mir nix zu tun. Und was er tut auch nicht. Soll er damit mal in der ungarischen Provinz bei den mistgabeligen Rednecks über die Kartoffeläcker laufen. Macht er aber nich‘. Weil der nur dort aufläuft, wo’s nicht schmerzt. Und wo genug Kameras stehen. Und so gesehen kann der sich seine geheuchelte Toleranz auch über den Esstisch spucken.

Blep. Jetzt habe ich doch gesagt, was ich davon halte. Und bin natürlich in die identitätspolitische Falle getreten. Ich Minderheit ich. Knacks. Drin. Muss man ja voranstellen, um mitreden zu dürfen. Anders geht Positionieren gar nicht mehr, ohne gleich wieder eiertanzend und damit unlesbar schreiben zu müssen. Da sehen Sie mal, wie vergiftetet, verkorkst und verschroben das alles geworden ist.

(Mich haben viele meiner Neigungsschwäger immer genervt, wenn sie ihre Ausrichtung wie eine Monstranz vor sich hergetragen und ihre Statements eingeleitet haben mit Sätzen wie „Ich als Schwuler finde, dass…“ Jetzt mache ich es hier selber, um zu sagen, dass ich das sagen darf, weil ich Betroffener bin, im Gegensatz zu Nichtbetroffenen, denen man jetzt automatisch Schweigen verordnet, wenn sie nicht zustimmen. Ein Elend, wirklich, ganz schlimm, ich weiß gar nicht, wo das enden soll …)

Weil es gerade so schön passt, werden wir jetzt gemeinsam eine Runde Rumopfern an Barren und Reck, never mind the bollocks, hier ist eine Runde Wokenessporno des Monats: Zoom und Co. sind frauenfeindlich. Weil die Stimmen von Frauen dort … äh … strukturell benachteiligt klingen. Nein, kann ich nicht erklären, fragen Sie diese Leute selber, keine Ahnung. Demnächst auch problematisch: Luft. Ganz normale Luft. Die zum Atmen. Weil Frauenstimmen durch die Schwingungen der Luft so klingen wie sie klingen. Luft also anprangern bitte. (via)

Hey! Endlich! Auch Schach ist jetzt Nadsi. Hat ja gedauert. Das habe ich länger schon erwartet. Dass die da jetzt erst drauf kommen…

Zugabe: Apfelkuchen geht auch nicht mehr. Cultural Appropriation, fuckers. Ab heute bitte nur noch Marmorkuchen backen und essen, wobei der bald auch schon wieder Symbol für unzulässig binäre Denke sein dürfte – nur zwei Sorten Teig, und dann auch noch schwarz und weiß, hallo? Was ist mit Grau? Dunkelgrau? Hellgrau? Pink? Grün? Regenbogen? Ihr Kuchenfaschos? (via)

Und dann ist da noch dieses Kaputtniknetzwerk, in dem sie so gerne schräge Zusammenhänge herstellen:

Merke bitte, Bürger, Bürgerin, Bürgernde: Wer keinen Bubble Tea mag und das sagt, ist jetzt Supernazi. Proklamieren sie jetzt dort in der Haltungskloake vom Internet. Und mir tut es ehrlich leid, ich habe den Anschluss verloren und kann Ihnen das ebenso wenig erklären wie die Zoomnummer oben. Weiß ich nicht. Das alles läuft inzwischen so weit außerhalb meines Universums, dass ich mir vorkomme wie der einzige Bewohner der Heard- und McDonaldinseln, tausende Seemeilen vom Festland entfernt. Oder vielleicht bin ich auch das Festland und die Interneteiferer sind Heard und McDonald und krakeelen nur mit einem riesigen Megafon jede volle Stunde die Parole „Nazis! Nazis! Überall Nazis!“ aufs Festland rüber, so dass es mir vorkommt, als sei ich ein rückständiger Insulaner aus dem Paläozän, dem außer „Ugga Ugga – Cheetah will Banane“ nix mehr zur Lage einfällt. Keine Ahnung. Sie wissen bestimmt besser als ich, wie die Dinge stehen, ich nicht. Ich weiß gar nix mehr. Ich bin vollständig dekonstruiert.

Aber ich mach‘ fett mit. Habe dazugelernt. Bin dabei. Opfere jetzt auch wild herum (bum bum): Denn Erdbeerschalenverkäufer mobbten mich. Drei Mal diesen Monat: Obendrauf haben sie immer die schönen Erdbeeren drapiert, unten die matschigen gammlingen. Einmal fool me ist okay, komme ich mit zurecht, zwei Mal ärgert mich zwar, geht aber ganz knapp auch deshalb, weil ich ein stadtbekannter Esel bin, dem man alles verkaufen kann, aber drei Mal? Jedes Mal? Bei den Puffpreisen derzeit? Einfach drei Mal hintereinander matschige Scheiße unten versteckt? Für fünf gestörte Euro die Schale? Was ist dieses Jahr los hier? Verdammte Erdbeernazis.

Zwischenmenschliches. Komischer Menschencontent. Durch die Jahre zieht sich der immer wiederkehrende dringende Wunsch anderer Menschen, ich möge über die Stöckchen springen, die sie mir hinhalten. Berufliche, beziehungsmäßige, familiäre und früher, als ich noch einen Kommentarbereich hatte, völlig fremde Leute aus dem Internet. Und wenn ich nicht springe (weil ich nie springe) und sie folgerichtig blöd in der Landschaft herumstehen mit ihrem lächerlichen Stöckchen in der Hand, werden sie fuchsig bis aggressiv. Das Bild, das diese Leute dann abgeben, ist sehr ulkig, so dass ich Ihnen nur empfehlen kann, nie über Stöckchen zu springen. Gehen Sie einfach weiter. Bleiben Sie sitzen. Stehen. Liegen. Oder gehen Sie auf Abstand. Schieben Sie sie unbeachtet zur Seite. Stöckchenleute lohnen nicht.

Zu diesen seltsamen Menschen kommen ständig welche, die erwarten, dass ich ihre Erwartungen bediene. Immer schon. Egal wo. Egal wann. Egal wie. Sei so. Tu dies. Mach das. Tu dies nicht. Warum machst du das jetzt wieder? Muss das sein? Und wenn ich diese Erwartungen nicht bediene, werden sie verknust und nehmen sehr übel. Wenden manchmal gar extra Energie auf, um versuchen, die Dinge zu erzwingen. Ein Verhalten. Nichtverhalten. Duldung. Wollen disziplinieren. Unbedingt. Weil nicht sein darf, was sie nicht wollen das ist. (Ob das jetzt ein syntaktisch korrekter Satz war, weiß ich gar nicht, dafür ist mein Deutsch zu schlecht.)

Ick versteh das nich‘. Alles nich‘. Ich würde abseits von Geschäftsbeziehungen, in denen man üblicherweise Geld gegen Handlungen tauscht, nie von jemandem erwarten, dass er das tut, was ich will, oder das meint, was ich meine, aussieht wie ich das will oder isst, kauft, sich bewegt oder das sagt oder denkt, was ich mir so alles von ihm vorstelle. Ich käme daher auch nie auf die Idee, die Bürgersteige Prenzlauer Bergs mit Parolen wie „Esst Bratwurst!“ vollzukritzeln, so wie es die Veganer hier Woche für Woche, Monat für Monat, jahraus, jahrein für die von ihnen bevorzugte Nahrung tun. Es wäre mir viel zu anstrengend, ständig auf andere Menschen übergreifen und ihre Handlungen korrigieren zu wollen. Wozu? Denken Sie doch was sie wollen. Machen Sie was Sie wollen. Sehen Sie aus wie Sie wollen. Geht mich gar nix an. Juckt mich auch nicht.

Dass das in diesen zunehmend autoritär wirkenden Zeiten eine nicht mehr ernst zu nehmende und schon gar nicht mehr zu tolerierende Minderheitenposition geworden ist, wissen Sie vermutlich aus Erfahrung. Dazu brauchen Sie nur kurz mal das Internet anzuschalten. Um es dann bloß schnell wieder auszumachen, bevor das abfärbt.

Ich meine es zuletzt wirklich so, wenn ich sage, dass mich die überwältigende Mehrheit der Menschen anödet. Extrem sogar. Sie öden mich extrem an. Fast alle. Weil immer wieder und immer wieder noch einmal neu einer angeschissen kommt und das ist, was schon so viele vor ihm waren: Anstrengend.

Whoop Whoop.

Nee.

Nicht schön.

Alles nervig.

Ein Kacketanz.

Für’n Arsch.

Wie der ganze Monat.

Generell.

Weil der Tod heuer jemanden geholt hat, den ich kannte. War abzusehen. Wurde von jedem erwartet. Und ist trotzdem aufwühlend, auch weil es nicht der einzige Tod dieses Sommers bleiben wird. Ein weiterer ist bereits therapieabgebrochen annonciert und es ist jemand, den das Kind kennt und sehr mag, was mich in die Position bringt, das Kind nun darauf vorbereiten zu müssen, weil kein anderer tun mag, was getan werden muss. Ich weiß. Tricky. Herausfordernd auch. Blödes Alter für sowas. Das muss behutsam angegangen werden, geplant sein, abgewogen sein. Ich weiß noch nicht, wie ich das machen werde, aber so wie ich das sehe, sollte ich es bald machen.

Am Ende ist es immer schlecht, wenn der Tod jemanden holt, den man kennt. Die Lösung wäre vermutlich, weniger Leute zu kennen, damit das weniger oft vorkommt, aber das führt ja auch zu nix.

Körpercontent: Operation Niedriggewicht läuft weiterhin gut. Ich stehe konstant zwischen drei bis vier Kilo unter dem Body-Mass-Index, grammweise fallend. Allerdings ist jetzt die Ärztin aus dem Nichts heraus unzufrieden mit meinem Körper. Es wäre ihr zu wenig. Da wär‘ zu wenig dran und deshalb nicht gut. Was mich schon wieder nervt. Im Dezember gab sie zu Protokoll, dass es mit den fünf Kilo drüber zu viel sei. Da müsse ich ja langsam mal was tun. Was ich tat. Und jetzt kommt sie mit zu wenig an den Start. Memo: Die Ärztin ist eine Frau, die ich nicht zufriedenstellen kann. Das allein hat bei mir durchaus unforciert Tradition.

Nehmen Sie Drogen? Ihre Frage, die ich vor Jahren schon erwartet habe und die jetzt kam. Ich habe sie angelogen. Und sie wusste bestimmt sofort, dass ich sie angelogen habe. Souverän war das nicht. Die Frau kennt mich seit 20 Jahren und ich schaffe es, sie anzulügen, weil ich die unvermeidliche Hilfestellung nicht ertragen könnte. Ich muss es selbst bringen, ich muss immer alles selbst bringen und habe bereits seit drei Wochen außer Cannabis nichts mehr genommen (hey, Schnauze, Cannabis ist keine Droge, Cannabis ist Medizin). Nicht mal einen Scotch. Was mir auffällt: Der Appetit kommt wieder. Den ich inzwischen mit kalorienlosen Energydrinks bekämpfe, was auch wieder nicht gut ist. Weil es fahrig macht. Zu nervös. Unentspannt. Der Leber vermutlich auch nicht hilft. Aber ich habe ein Ziel. Ich will schauen, ob ich es bringe. Reinste Ehrgeiznummer. Geht nur so.

Freunde sagen derweil, ich sähe fürchterlich aus, dabei gefalle ich mir zum ersten Mal im Leben selbst. So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen. Eigen. Selbst. Fremd. Machste nix.

Gestatten Sie mir ein wenig Empowerment, der mir bei Kilometer 22 hinter Blankenburg kam: Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, mit dem Laufsport zu beginnen, dann lassen Sie sich von niemandem erzählen, dass Sie das nicht können. Dass es sich nicht lohnt. Oder dass das aus irgendwelchen Gründen für Sie nicht tauglich sei. Es wird, wenn Sie sowas machen, immer Leute geben, die Ihnen Knüppel zwischen die Beine werfen, bevor Sie überhaupt das erste Mal gestartet sind, und das meistens aus Gründen, die gar nix mit Ihnen zu tun haben. Das hat man mit mir gemacht. Rumgeunkt. Massiv. Eingegriffen. Totgelabert. „In unserer Familie sind die Männer alle übergewichtig. Da kannst du nix tun. Das liegt in den Genen.“ „Du bist von Natur aus schwer, da kannst du nix machen. Machst dir nur die Knie kaputt.“ „Sport ist Mord. Fang lieber gar nicht erst an.“ Und: „Wer will denn schon so aussehen wie die Magermodels?“ Bullshit. Das sind meistens Leute, die selber zu träge für irgendwas sind, dafür aber dauernd breitenwirksam rumjammern, wie ungewünscht zugenommen sie wieder haben, aber die es in ihrer Inkonsequenz nicht schaffen, etwas dagegen zu tun. Und deshalb sind Leute, die diese Sache angehen, für sie die schiere Provokation und müssen mit allen Mitteln ausbremst werden.

Frauen sind da im Schnitt fast noch schlimmer als Männer, denn sie kommen nicht plump plakativ („Höhöhö, kannste sein lassen, bringt doch nix, Mann ohne Bauch iss’n eh’n Krüppel, höhöhö…“), sondern gerne durch die Hintertür mit Schmeichelei daher: „Ich mag deinen Bauch. Der is‘ so gemütlich.“ Wohl weil sie die Gefahr nicht ertragen, dass ihr eigener Bauch irgendwann wabbeliger ist als Ihrer, wenn Sie jetzt plötzlich durchziehen und sich in Form bringen. Meine Empfehlung, wenn Sie wie ich damals ganz innen drin den Wunsch nach Veränderung spüren und durchziehen wollen: Ignorieren Sie das alles. Den Gossip. Das Gelalle. Die Versuche zu manipulieren. Machen Sie was Sie wollen. Ziehen Sie durch. Irgendwann hören die Laller damit auf.

Gulp Gulp. Bitte jetzt Saufcontent, beziehungsweise fehlender Saufcontent. Hier kann ich nicht mehr saufen:

The Oscar Wilde. Friedrichstraße. Seit vielen Jahren nicht mehr in der Ecke gewesen, da sie auf Einheimische nur noch wie ein supertouristischer Freizeitpark wirkt. Disneyland. Europapark Rust. Friedrichstraße Ecke Oranienburger. Oscar Wilde. Kein Plan, wie lange das Ding schon zu ist. Ich bekomme einen Flashback. Irgendwann Anfang Zehnerjahre. Nur Engländer damals. Ich bin da mal reingeraten, als Deutschland gegen England gespielt hat und für die Engländer galt ich als Fußballdeutscher, obgleich natürlich ohne dämliches Trikot oder ähnlichem Nationalmist, weil ich Fußball gar nicht mag, aber das war denen egal. Extrem aggro, diese Gestalten. Rempeleien. Schulterchecks. Einer warf absichtlich mein Bierglas um und griente. Nervte sehr, der Laden, auch des ignoranten Personals wegen, das wahrscheinlich froh war, nicht selbst aufs Maul zu bekommen. Komischer Laden war das. Auch zu Nicht-Fußballzeiten nervig. Latent gewaltschwanger. Ein Scheißladen, ehrlich. Schön war anderswo. Gar nicht mal schlimm, dass der jetzt zu hat.

Zum Thema Suffnasencontent am Ende noch eine übrig gebliebene Empfehlung aus dem vergangenen Monat: The Balvenie stellt ja sonst eher Getränke für die Freunde des lauen Honigs her. Einsteigerzeug. Nix für torfstechende Holzfäller. Doch sie können auch Peat, und wie sie das können, leer isser geworden, gut war das, sehr geil gar:

War noch mehr? Auf gar keinen Fall. Wir haben Sommer. Die Sonne scheint. Ich muss raus. Tschö mit ö.