Controlleraffe

Kaum zurück in der Knochenmühle des Borgwürfels kleben mir die Controller an den Arschhaaren. Seit zwei Wochen schon. Sie erheben und bewerten, wohin ich letztes Jahr fuhr. Und dieses Jahr fahren werde. Wen ich treffen werde. Und getroffen habe. Präsentationen. Arbeitsabläufe. Schriftverkehr. Verträge. Fock’n Tabellensheets. Zielmarken. Deren Erreichung. Meine entstandenen Kosten natürlich. Rechnung. Gegenrechnung. Sinn. Zweck. Gründe. Und welches Fahrzeug ich dafür nehme:

„Warum fahren Sie Auto?“

„Weil die Deutsche Bahn nicht zuverlässig ist. Und teurer.“

(und es außerdem mehr Spaß macht, Auto zu fahren, zumindest außerhalb von Berlin.)

„Warum fahren Sie überhaupt? Könnte man das nicht mit Webex machen?“

(ah klar, die übliche Video-ist-doch-billiger-als-hinfahr’n-Revue, hier ist mein Textbaustein, ratter ratter:)

„Nein. Erfolgreicher Vertrieb resultiert aus persönlichem Kontakt und dadurch entstehendem gegenseitigen Vertrauen. Virtuell ist kühl, virtuell ist steril, virtuell ist schlecht fürs Geschäft. Kunden wollen den Händedruck. Den direkten Blick in die Augen. Die Physis. Den leichten Geruch des Eau de Toilettes in der Nase. Das Pfefferminz, das man davor noch schnell nimmt. Das kann Webex nicht. Auf Webex bin ich kein potenzieller Partner, sondern gesichts- und sicher bald auch geschlechtsloses Avatar.“

(das ist so, Physis schlägt Abbild und niemand außer den nach alter Socke stinkenden Homeofficeschranzen verteidigt das virtuelle Arbeiten noch, der Rest inklusive Kundschaft ist längst ernüchtert und lehnt das ab, aber das kapieren die nie, diese analfixierten Rosettenkasper, die nur Zahlen sehen und denken, dass das genug ist.)

„Warum haben Sie den Zuschlag für das Projekt in Düsseldorf nicht bekommen?“

„Weil der Kunde sich anders entschieden hat.“

(orr, orrororr, immer rein in die Niederlage, roll over my brain, was für hundekuchige Jammergestalten, ganz schlimm, niemand mag Controller. Controller spielen in einer Liga mit dem Ordnungsamt, dem Faschonachbarn, der zu Corona Kindergeburtstage bei den Bullen verpfiffen hat, doofen Hauptstadtjournalisten, die auch 2024 immer noch in den Habeck verknallt sind, und Pickelfressen, die mit 30 noch bei den Eltern wohnen und abends lebendigen Mäusen die Haut abziehen, den Rest mörsern und auf die Pizza Hawaii legen…)

„Warum hat der Kunde anders entschieden?“

„Weiß ich nicht. Hat er nicht gesagt. Sagen die selten. Preisfrage vermutlich. Heutzutage. Wir waren zu teuer. Rufen Sie ihn an.“

(natürlich sind wir zu teuer, wenn der Kunde keinen Bock auf uns hat. Niemand verschenkt mehr was. Grundgütiger, Binse Binse olé, warum schnallen die eigentlich mich für so eine Fragescheiße über den Bock und nicht die ganzen im Homeoffice versenkten, chronisch überbezahlten und nie telefonisch erreichbaren Totalausfälle, von denen keiner weiß, was sie den ganzen Tag treiben. Vermutlich weil es viel weniger Aufwand ist, jemanden mit Fragen zu stressen, der überhaupt noch seinen Arsch körperlich in diesen Glaskasten bewegt, statt jenen, die zwischen Wäschekorb, Sofa, Tofuwurst, den Ausdruckstanzhausaufgaben von Nepomuk-Eusebius und Mareikes Yogastunde seit vielen Monden an einem neuen Logo für eine neue Onboardingkampagne rummalen, das nie fertig wird. Mök Mök. Fuck me, Irrenhaus, fuck me. Klangspiel. Krippenspiel. Bällebad. Wattebausch.)

„Warum arbeiten so wenige Frauen bei Ihnen?“

(ach du scheiße, die Frauenleier. Der Nabel der Welt fordert wieder Tribut.)

„Was?“

„Frauen. Warum arbeiten bei Ihnen so wenige Frauen?“

„Weiß ich nicht. Müssen Sie sie fragen.“

(weiß ich doch. Die wollen nicht hierher. Die wollen für die Kundenbetreuung nicht reisen, sondern alles vom Sofa zuhause machen, im Pyjama, den Cinnamonwocochino in der einen, das Smartphone zum Insta-mit-Katzenbildern-bestücken in der anderen Hand, was zu nichts führt und dann die Zahlen nicht stimmen, so dass wir noch teurer werden und dann noch weniger Aufträge kriegen, wonach dann wieder die Zahlen nicht stimmen, Aufträge, Zahlen, Aufträge, Zahlen, Kreislauf bloody Kreislauf, aber wenn Sie offen sagen, womit das anfing und wer uns da konkret bilanzmäßig unter Wasser zieht, wird wortlos ein Galgen in den Raum gerollt und Sie werden ordnungsgemäß mit aller Routine des Zeitgeists daran aufgeknüpft. Mit der Hose unten und dem Puller in der Sonne.)

„Haben Sie mal überlegt, Frauen gezielt anzusprechen?“

(kill me.)

„Nein, wozu?“

„Um vielleicht mehr Frauen für Ihren Bereich zu begeistern.“

„Nein. Dafür habe ich keine Zeit.“

(… und keinen Bock, denn ich kann’s nicht mehr hören, immer dieser übergriffige Anspruch, ein herausgehobenes Geschlecht exklusiv für jeden Scheiß ansprechen zu müssen, zu hofieren, eigens demütig darum zu bitten, eine selbstverantwortliche Funktion zu übernehmen, mit rotem Teppich, absurden Teilzeitmodellen, Sonderprämien und extra Puderzucker geblasen in den gewachsten Arsch, versteh ick nich, kann mich nicht erinnern, dass mich mal jemand hofiert hat, kein roter Teppich, keine Auszeiten, kein Puderzucker in meinem Darm, nur dort tut man immer so, als wüsste die Zielgruppe von selber nicht, was sie eigentlich will, wohin sie soll, und man müsste sie quasi zu allem überrumpeln, was sie selber nicht auf dem Schirm haben, aber haben sollten. Wie Kinder. Das ist deren Denke. Man infantilisiert sie permanent, Mentoring, Quoten, Bevorzugung, der Schnellfahrstuhl nach oben an allen anderen vorbei, und wundert sich, dass es trotzdem nicht klappt.)

Tschö mit ö. Schicht für heute. Kam nix mehr. Im dummen zeitfressenden Jour Fixe genannten Vernehmungstermin. Ausgefragt. Zeit gefressen. Trudeln sie endlich ab. Trollen sich. Vergraben sich in der Abrechnung. Kommen aber nächste Woche wieder angeschissen. Wie jede Woche. Die ganzen nächsten Wochen. Hallo hallo. Frage Frage. Hallo hier, hallo da. Jour fixe mich am Sack. Nervt. Alles. Habe besseres zu tun. Und erst recht keine Zeit für so einen staubigen Standardfragenkatalogmist, dessen offensichtliche Agenda das letzte Mal 2019 der brandheiße Scheiß war.

Ein Irrenhaus. Bleibt auch eins. Ehrlich. Alle ne Macke. Hoffentlich schmeißen sie mich raus.


Anzugaffe