Hirnsudelei 10/23

Am Ende des Lebens geht es nicht darum, wie gut du die Regeln eingehalten hast und wie viele Gesetze du befolgt hast, sondern ob du der geworden bist, der in dir angelegt ist.

Gunnar Kaiser


Gunnar Kaiser ist gestorben. Das war ein netter Kerl mit einer beneidenswerten Sprachfertigkeit und einer von den ganz Wenigen, die dafür gesorgt haben, dass ich gut durch die abstoßenden Pandemiemaßnahmen der selbstbesoffenen Machthaber und ihren aggressiven Internetkläffern gekommen bin, ohne irgendwas angezündet oder mich in der Kloake von Spree ertränkt zu haben. Er hat mir erklärt, was ich nicht verstanden habe, klug, ruhig, logisch, gütig wie ich nicht bin. Eine seltene Sorte Mensch in diesem Brüllaffenstall, zu dem diese Gesellschaft geworden ist. Voll mit Wissen, das mir neu war. Danke. Schade.

Die Entscheidung, am Ende der Krebserkrankung der herkömmlichen Krebstherapie den Rücken zu kehren, was seinen Tod möglicherweise beschleunigt hat, muss ich nicht teilen, kann sie aber respektieren. Selbstbestimmtes Leben. Und Sterben. Sein Call. Wessen auch sonst.

Das hämische Nachtreten derer, die ich mal für die Guten gehalten habe, haben diese umsonst, wenn es sie glücklich macht. Be my guest.

Dennis hat einen würdigen Nachruf fabriziert.

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Nun haben wir Oktober. Normalerweise passt der mir gut ins Konzept, wenn nicht gerade Menschen sterben, die ich mag, was dieses Jahr enorm zu geballt und schlicht zu viel war. Eigentlich ein schöner Monat. Das Jahresende noch nicht absehbar. Meist noch kein Pullover nötig. Laub. Böen. Keine Wespen mehr. Ereignisse, die im Kopf Revue tanzen. Am Wasser sitzend zu Schwerin der October Boy.

(Sie sehen, ich habe das vorgeschrieben. Blogger machen das so. Schreiben vor. Veröffentlichen, wenn es passt. Fragmente. Skizzen. Wrackteile. Buchstabenschutt. Ich weiß doch sonst nicht, wohin damit.)

Mutcontent: Ich habe das Kind aufgeklärt. Weil es sonst keiner macht. Habe erklärt, wie Sex funktioniert. Und dass bitte Kondome genommen werden. Weil als Kind ein Kind herzustellen in dem Alter bescheuert ist, ebenso wie Tripper, Syphillis und Aids. Was witzig ist. Dass ausgerechnet ist das sagen muss. Der nie Kondome nahm. Nicht auch nur einmal. Ein Wunder dass ich kein Aids habe. Nie Tripper bekam. Und nicht quer durch Deutschland eine zweistellige Anzahl an Kindern von mir rumläuft. Hoffentlich. Vielleicht. Weiß nicht. Börks.

Das Kind nahm es supersportlich. Tat so, als wäre das alles superneu, was der doofe Papa da erzählt, und nahm peinlich berührt die Packung Kondome in Empfang. Versprach, die Dinger zu nehmen. That’s the way it is. Haken gesetzt. Pflicht erfüllt. Einfach weil’s sonst keiner macht.

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Derweil hat die Reisende aus dem gelobten Land ihren Flieger bekommen, was eine gute Sache ist, auch weil ich endlich die Nachrichten aus dieser Region abklemmen kann. Die Portale Portale lassen sein kann. Meinungen Meinungen lassen kann. Kein Doomscrolling mehr vornehme. Keine Liveticker. Keine hyperventilierten Kommentare. Keine Shitstormversuche wegen Halbsätzen. Keine geköpften und verbrannten Babys. Keine Bomben auf Kinder mehr. Keine Kriegskabinette. Keine Sympathiedemos auf der Sonnenallee mehr. Gen Himmel gereckte Zeigefinger. Die aufgeregten Blogger, die zu allem immer eine Meinung haben, jeden Furz zu allem gleich ins Internet trompeten müssen, stumm geschaltet, ebenso wie die Gruppenchats, die wieder mit Flaggen geflutet werden. Flaggen, Flaggen, immer ihre scheiß Flaggen. Klick. Stumm. Tschiep.

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Innenpolitshit. Es ist weder zu übersehen noch zu überhören: Das Land rückt nach rechts. Nicht langsam, sondern rapide. Es ist, als habe jemand ein Fenster geöffnet und herein kommt ein Orkan. Eine tektonische Plattenverschiebung in kürzester Zeit. Ich habe das so krass nicht auf dem Zettel gehabt.

Lustig ist dabei das unfreiwillig komische Beteuern dieser mit allem, jedem und sogar mit sich selbst überforderten Regierung voller Fehlbesetzungen, dass die nicht mehr zu überspielende Entwicklung gar nicht ihre Schuld sei, sondern die der doofen, verführten und überforderten Wählend*ping*ens. Alle, wirklich alle sind schuld, nur nicht die eigene Scheißpolitik des eigenen Scheißpersonals und so können sie nun noch zwei Jahre lang alle als Nazis beschimpfen, die irgendwelche Dinge anders sehen, aber das war es dann mit der Kapitänssuite.

Jetzt gibt es sogar noch etwas Neues für die vielen, die den Kanal voll haben, etwas, das in eine seit Jahren klaffende Marktlücke stößt: Links, aber nicht Woke. Frau Wagenknecht wird ihre lange angekündigte Partei gründen und damit die in der Tat überflüssig gewordene Linke, die ehemalige Hauptstaatspartei der DDR, pulverisieren. Oh irony.

Entgegen der Freude, die gerade überall herrscht, dass ihr Bündnis die AfD aktuell auf 18% herunterschraubt, halte ich das hier …

… für ein Strohfeuer und zwar eines, das nur zeigt, wie hoch der Frust tatsächlich ist und zwar genau bei 30%. Tendenz stark steigend.

Der zähe Coup von Frau Wagenknecht hat die AfD damit nur überraschend wenige 5% gekostet, die anderen 7% für Frau Wagenknecht kommen sonstwoher. Ich glaube daher nicht, dass sie die AfD verschwinden lassen wird, was viele hoffen.

Ich vermute ebenfalls nicht, dass das Konzept einer sogar mit Namen auf eine Person zugeschnittenen Gruppierung dauerhaft trägt, sondern nur ein Zeichen ist für die Erosion des alten Politgebildes, das mehrere miese Regierungen mit miesem Personal mit ihrer ganz objektiv miesen Politik in einer unheiligen Dilettantenparade selbst destabilisiert haben.

Es ist immer billig, wenn man sagt, dass man das alles vorher gesagt hat, aber das haben viele vorher gesagt. Ich auch. Es war ja aber auch von jedem rational tickenden Beobachter absehbar: Wenn ich Menschen in meiner eigenen Machtbesoffenheit aus den von mir gekaperten Gremien mit meinem superwoken Weltbild über viele Jahre gegen ihren Willen zwangsfiste und alle mit dem schlimmsten aller Attribute beschimpfe, die das nicht gut finden, dann entwickeln die eine Resilienz. Einen Widerwillen. Hass sogar. Das ist jedem klar, der weiß, wie Menschen ticken, nur der Ampel nicht.

Und jetzt zeigen sogar die chronisch regierungsgeschönten Umfragen der ARD Prozente, die nicht mehr weggelächelt werden können. Bei denen klar ist, dass die lange Zeit der linken Hegemonie vorbei ist. Abgeräumt wurde. Glasklar. Unleugbar. Unbeschönbar. Krass schnell. Was sich da im Moment oben in den Regierungssesseln bei den Lenas und Roberts noch hält, ist ein eigentlich ausgestorbener Dodo, ein lebender Anachronismus, der in den letzten zwei Jahren, die ihm noch bleibt, versuchen wird, so viel Agenda wie möglich in die eh schon maximal angekotzte Gesellschaft zu pumpen, weil sie wissen, dass sie für die nächsten 30 Jahre kein Land mehr sehen und in keinen Regierungssessel mehr ihren Arsch fläzen werden.

In der Zeit wird Blau zusammen mit Schwarz alles zurückdrehen. Ernsthaft alles. Als wärt ihr gar nicht da gewesen all die Jahre. Mark my words.

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Kommen wir zum Messengerschwemmgut, zuerst das Zitat des Monats, denn es passt so schön:

Keine Ahnung, wer der Typ ist und ob das wirklich eines seiner Zitate ist, aber darum geht’s ja nie.

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Es geht nichts über effiziente Hofberichterstattung für die beste Regierung der Welt und dort vor allem für die beste Außenministerin aller Zeiten (BAAZ):

via Horizont

Kampfpresse ist gar kein Ausdruck.

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Weiter, immer weiter. Hier der Tweet des Jahres:

Man hört, dass der alte Haltungsmob, der mich immer davon abgehalten hat, dort zu lesen, sich weitgehend von dort verpisst hat und jetzt nur noch gnadenlos persifliert wird. Jedenfalls sind die Screenshots und Clips, die ich momentan von dort bekomme, urst geil. Urst. Doppelurst. Megaurst.

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Noch ein Tweet des Monats:

Und Steuern erhöhen bitte. Wegen Kliehmer. Lol.

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Eigentor des Monats:

Lasst es. Leute. Ihr seid drüber. Geht mit Würde. Es ist das Letzte, was euch bleiben wird.

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Und dann war da noch der diverse Hund:

Ja. Diverser Hund. Weiß ich nicht. Kann ich Ihnen nicht erklären. Clownsland. Endstadium. Nekrose. Kein Plan. Das war der Oktober. Kein Bock mehr. Alle scheiße. Draußen regnet’s. Bye bye.