Linkschleuderei vom 15. Mai 2022

Wer von euch noch nie den eigenen Sohn im Regierungshubschrauber nach Sylt hat fliegen lassen, werfe die ersten 5000 Helme in die Ukraine.

Don


Die Lage: Mich hat die Woche eine ältere Russin Höhe Müllerstraße gefragt, wie man mit der BVG nach Charlottenburg (wohin sonst?) kommt. Auf Russisch (ach herrje). Früher kein Problem. Google Übersetzer rausgeholt, Dialogmodus angemacht, Weg erklärt. Russin glücklich gemacht. Aber heute? Ich war kurz unsicher. Darf ich … das? Ihr den Weg erklären? Geht das? Ist das noch knapp okay oder schon Feindunterstützung? Vielleicht kann das mal jemand auf Twitter … oder von den Granatgrünen. Sagen. Ob man das noch darf. Ich weiß es ja nicht.

(klar hab ich’s gemacht. Dem Feind geholfen. Den Weg nach Charlottengrad gezeigt. Dabei gehofft, dass keiner kuckt. Man weiß ja nie, wer wo was womit wem meldet?)

Was noch?

Ich registriere eine schrittweise Entrussifizierung des sonst sehr sichtbaren russischen Lebens im Bezirk. Das sonst klar russophile Kino Krokodil im Norden mit seinen oft russischen OmU-Filmen hat sich ukrainisch beflaggt, die russischen Restaurants stellen ukrainische Musiker zum Musizieren in den Saal, in der Hoffnung, nicht noch mehr runtergevotet oder telefonterrorisiert zu werden. Und der erste der zahlreichen russischen Kramläden meines Bezirks hat damit begonnen, seine Herkunft zu verschleiern, kieke:

Überklebt. Und das … naja … eher untauglich. Er scheint noch durch, der toxische Schriftzug. Da muss er mit härteren Maßnahmen (Kopfstimme Söder, schnarrend: Maaaaaaßnahmen!) ran. Abfeilen. Wegfräsen. Schwingschleifer. Schweißgerät. Sprengen. Egal. Weg mit dem Ding. Russische Spezialitäten gehen nicht mehr. Russisch sowieso geht nicht mehr. Weil die Einzellerhirne alle schon wieder nicht zwischen Politik und Kultur unterscheiden können.

(boar, drei Monate bereits diese nächste Krise nach der letzten Krise und die Leute sind schon wieder so durch …)

Noch was? Nein. Doch. Eine kurze Durchsage der sehr kompetenten Regierung: Essen fotografieren ist jetzt Nadsi. Na endlich.

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Drei Typen in Meseberg haben einen zusammen gebufft und eine Entscheidung getroffen. Sehr geil. Zieht durch. Aber beeilt euch mal besser. Weil Winter is coming. Der Nachtkönig trapst schon. Und das immer lauter.

Die Links. Read this:

Spiegel: Twitter-Sperre: Musk will Trump aus der Verbannung zurückholen

Covfefe!

Chaos Computer Club: EU-Kommission will alle Chatnachrichten durchleuchten

Yo. Alle 10 Jahre kommt Zensursula mit der gleichen Argumentation daher. Das schrecklichste aller denkbaren Verbrechen muss zur Begründung totaler Überwachung herhalten. Wer sich da noch traut dagegen zu reden, wird denunziert. Fuck the EU.

Netzpolitik: Das EU-Überwachungsmonster kommt wirklich, wenn wir nichts dagegen tun

Das Entnervende daran ist ja, dass sie sich da in Brüssel selbst immer als den Superhort der Freiheit anpreisen, dabei spielen sie mit dem … China.

freiheitsfoo: Polizei Hamburg mal wieder: Unterschriftensammlung als Straftat, oder: Warum die Hamburger Polizei Nachhilfe in Sachen Versammlungsrecht bitter nötig hat

China.

Reclaim your face

Ja, is‘ ne Petition. Ja, hab‘ ich gezeichnet. Ja, nach so vielen Jahren mal wieder. Weil geht gegen einen Teil der mehrspurigen Tendenz, die seit Corona abartig Fahrt aufgenommen hat: Überwachung, Durchleuchtung, Nackigmachenlassen, Zensur, Einführung von Meinungstatbeständen, Gängelung, Einschränkung, achselzuckende Suspendierung des Versammlungsrechts im Vorbeigehen, von Grundrechten sowieso und gewohnten Freiheiten generell. Nicht zuletzt die Diskreditierung von Protest und Kritik an sich. Ja, Petitionen bringen nix, weiß ich selbst, aber was soll ich machen …

TWASBO Magazin: In Hashtaggewittern

Okay. Ich lege mich fest und damit wohl auch in die Nesseln: Das ist er nun, der bisher beste Text zur Kriegslage und er kommt von dem, von dem ich mir erhofft habe, dass er erstens endlich mal wieder und zweitens etwas dazu sagt. (Triggerwarnung für die Generation Z: Lang. Ganze Sätze. Mit Nebensätzen. Und Verben. Fremdwörtern auch. Aber voll gut.)

lautenist: Nach dem Krieg

Kriegsteilnahme. Nichtteilnahme. Eventualitäten.

Spiegel: Bono und The Edge treten in der U-Bahn von Kiew auf

Och nee, das auch noch. Nächste Woche singt dann Campino im Kiewer Zoo, Sting auf dem Boulevard Chreschtschatyk und Helene Fischer vor einer antiken Vase im Nationalmuseum. Meine Güte, sie haben denen Bono gesandt. Jetzt ist wirklich die Grenze des Zumutbaren erreicht.

Berliner Zeitung: West-Nil-Fieber in Berlin: Kommen jetzt tropische Krankheiten auch zu uns?

Lockdown! Zero-Nilfieber!

Radio München: Es ist vorbei: Maßnahmen-Ende in einer Firma am Rande der Stadt

Haha. Sag‘ ich doch. Jetzt kommt die Zeit, da wird der ganze Irrsinn humoristisch aufgearbeitet. Und bis auf die Betonköpfe stehen alle da und sagen „Was haben die da bloß damals gemacht. Wie bescheuert war das denn alles…“.

(Frage zwischendurch: Können Sie sich angesichts der aktuellen Zustände im Zero Covid-China erinnern, wie die deutsche Haltungspresse damals mit ihren üblichen Katjushabatteriesalven für Zero Covid in Deutschland getrommelt hat? Fürs allgemeine Abschließen, Einsperren, Zusperren, Dichtmachen? Was sie nur polizeistaatlich durchgesetzt bekommen hätten? Wie eben in China? Nein? Ich auch nicht. Niemand erinnert sich daran, dass diese Unsympathen fast ihren Willen bekommen hätten.)

Verschiedenes:

Fliegende Bretter: Keinen billigen Exorzismus bitte

Kluges zu Kliemann. Und endlich wieder eine Gemeinsamkeit. Ich war in meinen 20ern, als mich die damaligen Kliemanns, die gerade in den alternativen Szenen in ganz vielen verschiedenen Gewändern daherkommen und arbeitende Leute für unentgeltliche Sachen suchen, bei denen dann die Kasse verschwindet oder mit dem Geld die eigene Blase bedient wird, endlich nicht mehr verarschen konnten, weil ich dann auch mal verstanden habe, wie es läuft. Solche Typen sind jetzt alle bei Insta. Und Youtube. Und suchen immer noch Leute. Für unentgeltlich. Hurra. Schafft eins zwei drei viele Kliemanns.

Welt: „Blöd“, „Affe“, „Covidiot“ – Diese Abgeordneten werden am häufigsten beleidigt

Mmh. Da sind Frauen aber ganz schön unterrepräsentiert. Ich dachte, die sind immer von allem, also wirklich von allem und immer, ganz besonders überrepräsentabel betroffen. (via Alles Evolution)

Antenne Bayern: Kleiderordnung an bayerischer Schule sorgt für Aufruhr: zu kurzer Rock?

Kommt alles wieder. Der ganze Puritanismus. Das ganze Klerikale. Unter anderen Vorzeichen zwar, aber das Ergebnis ist dasselbe. Zucht. Ordnung. Verhüllung. Gleich mehrere verschiedene Religionen wollen das so.

Tanos Aachen-Lounge: Das Beste aus dem ersten Quartal 2022 …

Die Aachen-Lounge lebt!

Selbstständig im Netz: 7 Tage Website Frühjahrsputz – Aufräumen, Optimieren und Verbessern – Tag 4

Ja, keine Ahnung, das hier verlinke ich nur, weil ich zuerst „Aufräumen, Onanieren und Verbessern“ gelesen habe. Ja, onanieren. Nein, ich weiß auch nicht warum.

Skurriles:

Minds Delight: Ein Zoom-Filter, der euch Hosen anzieht

Na prima, jetzt wo das fucking Homeoffice vorbei ist, kommt endlich ein sinnvolles Add-on. Aber hey, vielleicht brauch‘ ich’s für die nächste Panikrunde ab November wieder. Thx.

Spiegel: »Letztendlich opfere ich auch meine eigene Jugend für diesen Job«

Volle Punktzahl auf der Opferskala. Bitte Mitleid. Viel davon.

(nein, Scherz, es gilt was Ali sagt.)

netzwolf: Helge

Noch so eine Karikatur. Das meine ich immer, wenn ich sage, dass Sie Satire nicht mehr von Realität unterscheiden können. Ich warte bei manchen Politikern immer darauf, dass die irgendwann die Zahnprothese aus dem Mund nehmen, anfangen zu giggeln und den Prank auflösen und dann der Sonneborn kommt und in einem launigen Statement den Witz dahinter erklärt. Aber das passiert nicht.

Welt: Austauschstudent bleibt in Stein-Vagina stecken

😂 (via Danisch)

n-tv: Britney Spears zeigt sich vielfach nackt

Toll. Vielfach sogar.

Hadmut Danisch: Scheibenwischergummi

Was ich immer sage. Herr Danisch schreibt die besten Kiffertexte. Durchziehen, wirken lassen, lesen, fröhlich sein. Ich bin fast geplatzt. Ein ganz großer Text, dessen doppelt und dreifache Böden Sie umhauen werden. Wenn Sie ihn nicht nüchtern lesen. Dann wirkt er nicht.

Voodooschaaf: Wolle Dingsi kaufen? (27)

Ah. Berliner Abitur wieder live on stage. Sehr schön.

Kunstkulturcontent. Ich war im Theater, ein Ort, von dem ich gar nicht dachte, dass ich ihn als über Monate durch die gesundheitspolitischen Diskursgassen getriebener Paria (nochmal: Ich vergesse euch das nicht, nie), überhaupt irgendwann wieder werde besuchen können. Warum gehen die Leute nicht mehr ins Theater? fragt ein Herr Rüping und ich sage, dass es immer noch die Angst ist. Sie kriegen auch fast überall (außer leider für Ville Valo) noch Konzertkarten, selbst für sonst schnell ausverkaufte Events. Was an der 3A-Regel liegt. Angst. Ansteckung. Abstand. Wenn die für das Land Verantwortlichen über zwei Jahre lang einen aufgeblasenen Krisen- und Paranoiaporno schieben, der ununterbrochen und dauerhaft Panik ins Publikum pumpt, dann ist so etwas das Ergebnis. Dann werden die Leute so. Und die wundern sich jetzt echt?

Egal. Theatercontent. Ich war bei It’s Britney, bitch! im Berliner Ensemble, dem meiner Meinung nach sehenswertesten Haus meiner Stadt, in dem Sie wenig abgehobene und vor allem lifestylewoke Psychoscheiße haben wie in vielen anderen Häusern, sondern oft Stücke wie ich sie mag: Direkt in meine Fresse. Unzensiert. Ungecancelt. Nicht korrekt. Das dreckige Leben halt. Und deshalb voll gut.

Es ist ein herausragendes Stück. Das Thema hätte ein vulgärfeministisches Flakdauerfeuer auf die üblichen Schimären angeboten. Dem haben sie widerstanden. Natürlich spielt toxische Männlichkeit eine Rolle, weil die Vater-Tochter-Nummer der Vorlage klar und null bestreitbar eine toxische Angelegenheit ist, aber das Stück ist sehr klug geschrieben und, mir eh das Wichtigste, toll gespielt von Sina Martens, die die etwas über eine Stunde durchgehend alleine in einer Weise trägt, die mir Gänsehaut macht. Toll. Toller Abend. Ganz stark. Keine Ahnung, ob sie das nochmal auflegen werden, aber das sollten sie. Ich würde es mir noch einmal anschauen.

Mitgenommene Wortwitzkombination zum später bei guter Gelegenheit Verbloggen: Untherapierbare Gegenwartsallergie. Groß.

Foodcontent: Gekocht habe ich Spargeldingsda mit Olivenöl, Salz, Pfeffer, Basilikum und sonst nüschte. Das sowieso als Beilage deklarierte Gericht kann man so alleine nicht stehenlassen, deshalb habe ich prekäres Hormonhähnchen vom Netto hinterhergeworfen. Was gut funktioniert.

Da ich aber von Twitter gelernt habe, dass Spargel das sexistische neonazistische Hexerwerk von ekligen, alten, weißen Cismännern und insofern absolut abzulehnen ist, will ich es dieses Jahr nicht übertreiben mit dem Penisgemüse, sondern habe gefüllte Süßkartoffel in zehn Minuten versucht. Naja. Zehn Minuten waren das bei mir nicht, eher dreißig. Aber gute Sache. Den Joghurt habe ich durch Sour Cream ersetzt, was es fettiger, aber auch besser macht.

Fast vorbei. Hier noch ein paar Essensfotos. Einfach weil Fuck you:

Howdy.