Linkschleuderei vom 1. September 2021

Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen.

Mark Twain Charlie Chaplin Jens Spahn Fjodor Dostojewski Irgendwer


Wie die Zeit rast. Wie die Dinge fließen. 2014 noch meine allerersten Informationsquellen: Heute-Journal. Frontal 21. Spiegel Online. Zeit Online. Tagesspiegel. Böhmermann. Heute-Show. Extra 3. Panorama. Die Anstalt im ZDF. Sieben Jahre später 2021: Weg. Alle weg. So unlesbar wie unschaubar geworden. Dröge. Fade. Bräsig. Trocken. Staubig. Alt. Und missionarisch. Ein aufgeblasener Popanz, erstarrt in Phrasen und Ritualen. War ich das oder waren die das? Oder beide?

Die Links. Read this:

hANNES wURST, Schwellenintellektueller: Anleitung zu einem glücklichen Wahlabend

Vielleicht hilft Ihnen das. Mir nicht. Ich finde die alle immer noch eklig. Wirklich alle.

sunflower22a: Rudyard Kipling revisited: The White Woman’s burden

Noch eine Nachschau zu Afghanistan.

Cicero: Das Geschäftsmodell der Opfer-Wut

Deswegen schaffen sich auch einmal etablierte Beauftragte nicht ab, wenn sie irgendwann den Auftrag (das Abstellen eines Missstands) erfüllt haben, sondern entdecken immer neue Aufgaben, die es erfordern, dass ihre Funktion des Beauftragten erhalten bleibt. Gegen Entgelt. Vortragshonorare. Buchverträge. Fernsehauftritte. Einfluss. Deswegen werden die Missstände ja auch nie weniger, sondern alles wird immer schlimmer je mehr Beauftragte es zur Beseitigung der Missstände gibt. Ball Paradox.

dr. benways laboratorium: Chlodwig Poth – Der Anthropologe Frankfurts

Ja. Diese Sorte Humor, früher anerkannter Standard einer kreativen und auf jeden Fall unkorrekten Spottkultur, ist in der Öffentlichkeit nahezu ausgestorben. Sie haben sogar einen früher mal so frischen Freidreher wie Somuncu diszipliniert bekommen. Auch Böhmermann war mal anerkannt unkorrekter Spötter, bevor er woke wurde.

Deshalb gibt es jemanden wie den da:

welt.de: Twitter-Phänomen Argo Nerd: „Die Menschen sind klüger, als einige Medien wahrhaben wollen“

Kein Link, sondern nur ein Bild, weil ich keine Bezahlschranke verlinken mag. Googeln Sie selbst. Aber zu Argo Nerd ein paar Zeilen: Der Typ ist der einzige, nochmal: der einzige Grund, sich mit Twitter zu beschäftigen. Der tut denen in ihrer eigenen Sandkastenbox sehr weh und das ist so schön anzusehen. Sie mögen Twitter nicht? Ich auch nicht. Nehmen Sie Nitter, um zu folgen ohne zu folgen.

Und dann gibt es da auch noch Leute wie Nikolai Binner, die Lücken füllen, die das früher mal hochkritische Kabarett (das sich nur noch anhört als würde es direkt aus Jens Spahns Darm funken) gelassen hat, und der jetzt den Cancelled Comedy Club gegründet hat, seit er wegen seiner nicht tolerierbaren Haltung zu den alles beherrschenden Dingen in kaum noch einem Comedy Club mehr auftreten darf: 

Cancelled Comedy Club
So. 5. September 2021
20:00 Uhr – 22:00 Uhr
Kohlenquelle
Kopenhagener Straße 16
10437 Berlin

Und was freut mich das. Subversiv Untergründiges hat so ziemlich immer meine automatische Sympathie und Abweichendes findet immer seinen Weg, auch wenn sie in ihrem Konformitätsdruck aus den verschiedenen Machtsesseln heraus draufschlagen wie entfesselt. Irgendwie schaffen es die Gelöschten doch, die Leute zu erreichen, und Canceln macht sie für mich attraktiver, als würden jene löschenden Gatekeeper die Abweichung einfach nur laufen lassen. Oder aushalten.

Lässt man sie also nicht mehr auftreten (so wie den Binner), machen sie ihr eigenes Ding auf. Und das sogar in meinem Bezirk. Am Wochenende schon. Ich bin guter Dinge. Läuft schon. Alles. Alles läuft. Interessante Zeiten. Endlich mal keine Langeweile. Biedermeier isch over.

welt.de: Berliner Unis streichen Fleisch fast vollständig vom Speiseplan

And so it begins… Eine Bewegung sie zu zwingen, wenn sie es denn nicht freiwillig tun.

Sagen Sie mal, suchen Sie eine Geschäftsidee? Also eine, mit der man ziemlich sicher gutes Geld verdienen kann? Nun, wäre ich Gastronom, würde ich jetzt Fressbuden in Wurfnähe der Berliner Unis eröffnen. Bratwurst. Bouletten. Burger. Köfte. Schaschlik. Fried Chicken. Keine Salate. Kein Gemüse. Nicht mal Pommes. Nur Tiere. Gebraten. Geschmort. Frittiert. Marktlücken muss man besetzen, dann wird man reich. Just sayin‘.

kessel.tv: Inner City Blues

Premiumtext über die Innenstadttristesse Stuttgarts. Den könnte man so vermutlich auf alle tristen Innenstädte West- und inzwischen auch Ostdeutschlands übertragen.

t3n: Forscherin warnt: Heftiger Sonnensturm könnte „Internet-Apokalypse“ auslösen

Oh nein, schon wieder eine Apokalypse. Überall nur noch Apokalypsen. Sterben. Alle. Wir. Gähn. Noch Cornflakes da?

(wobei „warnt“ viel zu harmlos als Formulierung ist. Es sollte „schlägt Alarm“ lauten, der gängige Terminus für die so routiniert gewordene Daueraufregung. Irgendwer schlägt immer wegen irgendwas Alarm. Dengel Dengel Dengel Schepper. Ich habe da immer einen Weißkittel vor Augen, der durch die Gassen läuft und mit dem Kochlöffel auf einen metallenen Mülltonnendeckel schlägt. Alerta Alerta!)

(via)

web.de: Persönliche Daten schützen: Deswegen sollten Sie auf Fotos niemals das Victory-Zeichen machen

What a wonderful world this would be.

So.

Das Vorhaben, die Bundestagswahl zu ignorieren, ist gescheitert. Habe ich nicht hingekriegt.

Und weil ich’s nicht lassen kann, habe ich den Wahl-o-maten gemacht und mit 2014 verglichen:

2014

2021

Da liegen sieben Jahre zwischen. Was ist passiert? Habe ich mich bewegt oder die? Ich bin eigentlich der Meinung, dass ich mich gar nicht bewegt habe, aber so wirklich realistisch ist das nicht, eher Selbsttäuschung gekoppelt mit Wunschdenken. Klar ist aber, dass Links sich bei der annähernden Halbierung der Übereinstimmung auf jeden Fall dicke bewegt haben muss. Weg von mir. Und das schiebe ich der Identity Politics in die Schuhe, mit der ich schon damals nix hätte anfangen können, hätte es sie damals schon so flächendeckend massiv gegeben.

Im Ergebnis ist es gut, dass ich nicht wählen gehe, denn FDP auf dem ersten und CDU auf dem zweiten Platz ist eine Zumutung und kommt aus Prinzip und guter alter Tradition nicht in Frage. Remember? Mövenpick. Möllemann. Spätrömische Dekadenz. Der ewige Kohl, die ewige Merkel. Und jetzt dieser grautraurige Laschet und der aalglatte Lindner mit seinem kalkulierten Dreitagebart. No way. Vergesst das mal.

Humanisten mit Platz 3 klänge grundsätzlich gut, wenngleich man da wieder Angst haben muss, irgendwelche heilsteinigen homöopathischen Bachblütenspinner, die tantrische Auren sehen, Bäume umarmen und Scharfgarbe koksen, an die Tröge zu wählen – deshalb auch das bitte nicht, einfach gar nix, soll regieren wer mag. Hat mit mir nix zu tun.

Wenn Sie auch mögen: Wahl-o-mat. Oder wenn Sie Wahl-o-maten nicht mögen, dann gibt es eine Alternative: DeinWal. Setzt nicht das Parteiprogramm, sondern das Abstimmungsverhalten zugrunde, was bei mir dazu führt, dass sich Links weit nach vorne schiebt:

Ist das alles verwirrend. So viele Farben, so wenig Bock. Besser sein lassen. Führt eh zu nix.

(via)

Lange keinen Streamingcrap mehr gepolkt:

Absoluter Netflixmüll ist der Film A classic horror story. Der dahergelaufene Mist kann sich nicht entscheiden, ob er Parodie oder Ernst sein soll und scheitert elendig. Wenn ich bei so einem (doch, schon) brutalen Film dauernd lachen muss, weil das alles so bescheuert ist, dann stimmt was nicht. Können Sie in der Ecke liegenlassen, auch wenn Ihnen der Algorithmus den (wie mir) an die Kimme labern will.

Noch mehr Netflixmüll. Schade ist es um die Serie Atypical um einen autistischen Jungen, der versucht, mit der Welt klar zu kommen, was manchmal komisch und oft augenöffnend ist. Die ersten zwei Staffeln waren sehr schön, Staffel 3 ging so und in der ganz neuen Staffel 4 wird nun auch diese Serie von der Identitätspolitik in Form der Schwester des Autisten gekapert, die genderfluid zwischen den Geschlechtern switcht und das in quälenden Mono- und Dialogen aufarbeitet. Der Autist als mit Abstand interessanteste Figur der ganzen Chose spielt nur noch eine Nebenrolle und wird reduziert auf den komischen Freak als Gegensatz zu den beiden voll korrekten ernsthaften Frauen, die über zu viele Folgen hinweg superaware über ihre Rolle sinnieren. Und das ist ein typisches Manöver. Man wird mit einem interessanten Plot geködert und im späteren Verlauf, wenn man die liebgewonnene Serie ja eigentlich aus Gewohnheit nicht mehr abbrechen möchte, mit den bleiernen Identity Politics penetriert, die den liebgewonnenen Plot einfach zur Randnummer degradiert, um auch hier die Agenda zu setten. Das machen sie oft so und es bleibt nervig. Immer. Schade drum.

Foodcontent. Gekocht habe ich ein schnelles Fischcurry und ob man das Wort Curry überhaupt noch sagen darf könnte mir egaler nicht sein, so wie alles andere aus dieser aufmerksamkeitsgeilen Blase voller Gehirndarmkrebsentleerer, denen das Internet immer noch das Podium gibt, das sie für ihren Scheiß früher nie bekommen hätten.

Essen gegangen bin ich in der Fischfabrik auf des Prenzlauer Bergs Danziger Straße. Ich mag das Lokal. Nette Leute. Grundsätzlich gute Sachen, aber mit leichten Schwächen, die sie ausbügeln müssen, wenn sie wollen, dass ich dort weiterhin 60 Euro für zwei Leute ausgebe: Die Burger sind für ihre 10 bis 12 Euro zu klein und die Pommes zu wenig. Auch die Austern sind gerne mal nicht die frischesten (dann lieber ganz weglassen, wenn zu wenig Leute welche essen). Und dann immer dieses Bezahlen in bar. Als wäre hier noch das Deutschland von 2019, nicht das Deutschland 2021, in dem ich jeden Kaugummi bei der Asiabutze mit der Smartwatch zahlen kann. Böh.