
Der April. Zumindest einmal hat die Stadt die 20 Grad gerissen, was mir sofort das Gemüt aufbrach. Ich mag den Geruch dieser ersten warmen Tage eines Jahres, wenn die fahle Düsternis des langen schlimmen Berliner Winters samt seiner Dauerwolken zerfliegt und ich wieder glaube, dass die guten Zeiten ewig gehen. Kurzes Shirt. Die weißen Chucks statt der schwarzen Boots’n Braces. Mauerpark. Das erste Grün. Kirschblüten auf dem Pfad oben an der Esplanade. Sonne. Wärme. Wenn dieser Ort kurz wird wie er nie bleibt: Schön.
Sobald es wärmer wird, sind auch wieder die üblichen Patienten im öffentlichen Raum unterwegs. Die Radfahrer fahren Ringbahn und reiben ihre schmierigen Radreifen an meinem Hosenbein, die Bioladenvogelscheuchen holen ihre Birkenstocks aus dem Schuhschrank und präsentieren dem Publikum ihre unansehnlichen Füße und die Säufer vom Arnswalder Platz haben ihre erste Nacht des Jahres durchgemacht. Utz Utz. Wichsaaaaaaa. Halllllloooooooo. Buröööööh. Ööööööööööh. Rööööööhr. Wie brünftige Hirsche. Nur ohne Wald. Dafür mit Brunnen.
Dieser April 2023 war zugleich ein Monat der Trennungen, an dem sich gleich mehrere langjährige Paare meiner Satellitenbahn eruptiv zum Teufel geschickt haben. Überraschend. Und fast zeitgleich. Wie als Mode zog stets ein Paarteil den Hebel für den Schleudersitz aus den bekannten Gründen. Der Ex ist wieder aufgetaucht und steckte mal kurz den Lörres in den alten Wirkungsort. Der Sex war chronisch scheiße oder fand gleich gar nicht mehr statt. Man lebte sich auseinander. War nur noch eine anstrengende WG mit keifen, blöken und sich gegenseitig ankotzen. Die Tage an ewiggleicher Langeweile dumpfer Gleichförmigkeit nicht zu überbieten. Aufstehen. Arbeiten. Automatenkaffee. Fabrikcroissant. Signalstörung. Schlüssel im Schloss. Hallo Schatz. Abendessen. Rewemortadella auf Lidlbrot. Post machen. Rechnungen bezahlen. Auf der Kloschüssel einen runterholen. Netflix anmachen. Bei einer superdiversen Serie einschlafen. Auf die Rente warten. Oder den Hirntod.
Und dann ist es halt an einem bestimmten Punkt wie beim Poker. Einer kann nicht mehr mitgehen und zieht die Reißleine. All in. Oder all out. Bye bye. Wie das eben so ist, wenn etwas am Ende ist. Ahlan fi ealami.

Bei mir hat die hübsche Nachbarin wieder geklingelt. Die einzige hübsche Nachbarin. Des ganzen Blocks. Bezirks. Gefühlt der ganzen Stadt. Brauchte Hilfe bei irgendwas. Das braucht die öfter mal. Dann muss ich immer irgendwas arbeiten für sie. Was hochtragen. Oder runtertragen. Rübertragen. Abschrauben. Ranhämmern. Auto einladen. Ausladen. Oder einen Miettransporter mit der App freischalten, was sie auch nicht kann.
Aber was sie kann ist die Mädchennummer. Die ich nicht beschreiben muss, weil die jeder kennt (Ma-hark? Hi-yiii. Bling bling). Die sie macht, weil sie funktioniert. Denn ich trage. Hämmere. Schraube. Schalte frei. Keine Ahnung warum. Ich will nicht mal was von der Nachbarin. Drecks Evolution. Und ich bin einfach immer noch zu nett.
Ich kann mich daran erinnern, wie Frau Süßenbach, die nur so heißt, damals bei jener Nachbarin abgegangen ist, als die mal meine Hilfe brauchte, einen doch schweren Sessel das Treppenhaus runterzutragen. Dieser Drache, den ich in einem Moment der Schwäche in mein Leben gelassen habe, mutierte angesichts der Nachbarin zum Kastenteufel, Rumpelstilzchen, Rasteknödel, hochroter Kopf, koksgleichgeweitete Augen, enorme Gestikulationen: „Fick sie doch, na los, fick sie, ramm‘ ihr deinen Schwanz in die Fotzeee, du Nuttenficker, fick sie gleich auf dem Sessel, im Treppenhaus, na los, fick sie du männliche Hureeee.“
Diese Frau, die in Wirklichkeit gar nicht so heißt, war das psychotischte Exemplar, die mir auf meinem ganzen Weg die letzten 20 Jahre lang unterkam, wenngleich sie weder die erste noch die letzte war. Die gestrandeten Psychos dieser gestörten Stadt in allen ihren verschiedenen Ausprägungen haben mich immer zuverlässig identifiziert, bei mir angedockt und mich eingewebt, ohne dass ich Mittel gegen sie fand, außer mich irgendwann mit Wucht und Anlauf aus ihrem Netz rauszuoperieren. Und das kostete immer viel Blut.

Foodcrap des Monats: Fuck you fucking Lorbeerblatt. Was will es? Was soll das immer? Wem nutzt das? Schmeckt nach nix, das Zeug, ich habe so ein Ding mehrmals abgeleckt, kalt, warm, lau, in Brühe eingeweicht, das Zeug schmeckt nach nix, aber in jeden Mist von Hühnerfond über Gulasch bis Bolognese muss laut Rezept so ein fucking Lorbeerblatt rein und ich weiß bis heute nicht, welchen Geschmack so ein Lorbeerblatt zum Gesamtwerk beiträgt, ob das überhaupt einer ist oder wieder nur Fuck Fake News einer korrupten Lorbeerblattindustrie, die mir mit der Unterstützung von Karl Lauterbach und den Überwachungsfreaks im Justizministerium irgendwann einen Lorbeerchip implantieren wird. Weiß man’s? Nee. Ich weiß gar nix. Nüschte kannst‘ mehr wissen.
Schlechtes Vorbild des Monats: Dem Kind beigebracht, dass man Stücke vom frischen Rinderfilet vor dem Anbraten auch problemlos roh essen kann. Deswegen ein extra Filet gekauft. Dieses hauchzart filetiert. Prise Fleur de sel drauf. Tropfen Olivenöl. Kind begeistert. Eine archaische Aktion. Aber geil. Rohes Fleisch fressen. Als Beilage gab es Tiefkühlerbsen direkt aus der Packung. Erbseneiskugeln quasi. Ein großer Spaß. Kind nochmal begeistert. Die Erbsen haben wir nebenher beim stundenlangen Playstationzocken gefressen. Danach einen Pott Ben & Jerrys hinterher geworfen. Jeder einen. Sogar die neue Sorte. Mit dem Softeis drinne. Acht Euro inzwischen beim Späti. Fuck Inflation. Aber Begeisterung pur. Alles erlaubt was Zuhause verboten ist. Muss nur dichthalten, der pubertäre Gnom. Not sorry. Nie sorry. Kein Stück sorry. Und ich habe immer noch nicht das Sorgerecht verloren.
(Servicelink.)

Befindlichkeitsbloggingcontent. Ich habe einen fiesen Abfuck hingelegt, an dem ich immer noch kaue. Der mich sehr wurmt. Weil’s mir lange nicht mehr passiert ist. Lindenpark zu Potsdam. Auf der Bühne eine Band mit dem Namen Die Art. Im Publikum ich. Mit einer blöden Kombination im Blut. Kackste ab. Puls. Blutdruck. Alles runter. Dann Panik. Schwindel. Kalter Schweiß. Schwarz vor Augen. Die Leute. Die Leute. Ihre Augen. Alle. Weg da. Ich muss da durch. Haltung versuchen zu wahren, die ich schon lange verloren habe. Ein Smint aus der Hosentasche kramen und einwerfen in der Hoffnung, den plötzlich alles überlagernden Geschmack von Spiegelei, Galle und vergammeltem Brot aus dem Mund zu bekommen, nur wird mir davon noch übler als vorher, weil es ein Erdbeersmint ist, bargh, nicht kotzen, jetzt bloß nicht kotzen, Kotzen ist Versagen und ich versage nicht. Ich versage nie, schaffe es dann, irgendwann zu sitzen. Hinten. Ecke. Wand. Atmen. Ein. Aus. Tiefer. Rein. Raus. Klein. Klein. Kleinermachen. Aus der Arena der Gladiatoren verschwinden. Ecken. Nischen. Nicht gesehen werden. Unsichtbar sein. Im Dämmerlicht konzentrieren, um nicht doch noch seitlich wegzukippen und da zu liegen, mit aus der Fresse trielendem Sabber. Nach vielen langen Minuten langsam aufstehen. Die zweite Band verpassen, weil ganz sicher nicht mehr präsentabel, raus, Freiheit, Sterne, Potsdamer Nachtluft, Stahnsdorfer Straße, da hinten das Studentendorf, dort muss die S-Bahn sein, der Versuch, aufrecht zu gehen, sobald Leute entgegenkommen … bla.
Dass mir das immer noch passiert und sich diese Selbstkontrolle, von der immer alle reden, immer noch nicht wie bei anderen einstellen will, ist ein Armutszeugnis und ich hege den Verdacht, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird. Dass ich es immer nur ein paar Wochen hinkriegen werde mit der Stabilität und dann wieder alles einreißen muss, weil ich das Korsett der Stabilität nicht aushalte. Unbedingt raus will. Weg muss. Am Ende ist es so, dass ich nach einer Phase der Seriosität immer alles kaputt mache. Zeigen muss, dass das mit mir so nicht geht. Abreißen. Abwracken. Abfackeln. Abrocken. Runterregeln. Weil wenn ich es … alles … Ich-Botschaft, fool … wenn ich mich kaputt mache, kann es kein anderer tun.

Dabei hat mir Rügen so gut getan. Nichts gezogen. Nichts geschluckt. Nichts getrunken. Gut ernährt. Viel Sport gemacht. Unendlich Luft in die Lunge gepumpt. Sogar freiwillig mit Menschen geredet. Supergesund. Alles. Kurz so gewesen wie alle anderen. Stabil. Gesund. Im Gleichgewicht.
Und dann sowas jetzt.
Ich mache mir gar nichts mehr vor. Spiele die ganze Stärke, mit der ich meinen Unterhalt verdiene, immer nur. Und das so glaubhaft, dass sie mir Geld dafür geben. Ich bin gar nicht stark. Ich bin, wenn alle Masken fallen, wenn die Schilde runter sind, dort in meiner Ecke ein tatsächliches Elend. Sitzend. Atmend. Ein. Aus. Wie ein altersschwacher Spack. Ein Hyperventil. Ein Abkacker. Von dem niemand weiß, dass er ein Abkacker ist. Nur Sie hier auf diesem eiernden Buchstabenhospiz. Und Sie sind so egal wie ich es bin.
Ich weiß selber nicht, warum ich kein Mittel gegen den Drang zum Zerstören der Dinge finde, warum ich es immer noch so kompromisslos tue, woher diese Freude am Komplettabschießen kommt, denn oberflächlich läuft alles, ich habe viel von dem, was sich die meisten Leute wünschen, körperlich gesund, stehe im Beruf, das Auskommen passt, die Bude ist okay, ich bekomme Anerkennung, bin oft so sehr respektiert, dass es mir unangenehm ist, weil ich nicht der Meinung bin, dass ich das verdient habe, mime sogar ein gut geschauspielertes, superstabiles Vorbild als Vater, in dem ich den darstelle, den ich mir selber gewünscht hätte; und dann kommen sie doch immer wieder, diese Ausflüge ins Elend, wenn das Schauspiel pausiert, immer alleine natürlich, weil ich das niemandem zumuten will, und dann fehlt die soziale Kontrolle, jeder Halt, dann rutsche ich immer ab, kenne kein Maß, kein Verstand, sitze dann wie mit 17, 18, 19 damals selbstzerschlagen in der Ecke, auf mich gestellt, hyperventiliere, kann nicht mal mehr aufstehen, versuche mich zu reparieren, schaffe das auch, bekomme dann wieder diese Angst vor mir selber, vor dem, zu dem ich fähig bin. Schrankenlosigkeit. Kompromisslosigkeit. Gnadenlosigkeit. Rücksichtslosigkeit. Konsequenz.
Was es ist, was die Ursache ist, worin die Räude begründet liegt, ist mir vollkommen klar, ohne jedoch etwas dagegen tun zu können. Dieses frühkindlich injizierte und nie erfolgreich austherapierte Gefühl der Wertlosigkeit abzustreifen, das in diesen Phasen aus meinen mühsam geklebten Rissen herausquellend Oberwasser gewinnt wie ein nie zu besiegender Golem, ist ab einem bestimmten Alter vermutlich gar nicht mehr möglich, sondern ist hinzunehmen.
Sie müssen das wie immer nicht verstehen. So einen Anspruch habe ich nie.

Scheiß drauf. Reicht jetzt mit dem Gepule. Pulen suckz. Was immer gut ist, mir große Freude macht, ist Zerstreuung. Klickshit. Schwemmgut aus dem Messenger. So viel war da diesen Monat gar nicht, das ich witzig fand. Mal sehen.
Hier die Realitätsverblendung des Monats:

Möglicherweise sieht das für einen Millionär, der in Grunewald, Klein Venedig oder fock’n Frohnau wohnt, tatsächlich so aus. Was mich betrifft, hat gestern einer von den Airbnb-Gin Tonic-Gesichtsfünfen, an die die Technoschnepfe aus dem Vierten momentan ihre Zimmer vermietet, in mein Treppenhaus vor meine Tür gekotzt. Smells like Magensaft Sour. Nicht like Südfrankreich. Das ist der Moment, an dem ich diese Stadt wieder hasse. Mit der Airbnb-Kotze an meinen Chucks.
Pronomencontent des Monats:

Hihihi Penis … sorry … Vulva. Gebärmutter. Gebärendes Wesen … Person … Säugetiery … ens … ich muss hier weg.
Hier die Meinungsmache im schönsten Wandel der Zeit:

Schon geil, wenn man Bewährtes recyclen kann. Aber vergessen Sie nicht: Wer eine Wärmepumpe einbaut, aber bereits geimpft ist, hat keinen Anspruch auf eine Bratwurst.
Apropos Medien. Hier Neues von meinen 18,36 im Monat:

Ja super. Nimm‘ mein Geld. Bitte. Ich brauch’s nicht.
Vom Kot hangelt sich der Örr rüber zur Wichse, eat this:

Bitte erhöhen Sie die Rundfunkgebühr. Ich möchte bitte mehr zahlen. Es ist zu wenig.
Meine Nerven, weg hier, bevor ich noch den Screenshot meines Kontoauszugs fresse.
Am Ende des Reigens habe ich noch das Nazi des Monats. Es ist … Moment … raschel raschel …
Stricken!

Ja. No shit, dudes. Stricken. Hätte eher an Häckeln gedacht, aber hey, wat kost‘ die Welt. Was morgen nicht mehr geht, weiß ich jetzt schon: Teppichklopfen. Schuhepolieren. Kaffee machen. Und auf der Toilette onanieren. Alerta Alerta. Toilettenonaniernazis raus.
So. Egal. Reicht mir. Ist der diesjährige April auch schon wieder vorbei. Macht’s jut, liebe Stricher und Stricherinnen dieser Welt. Ich tu’s auch.