Was ich nicht mehr hören kann (8)

1. Superfancy Praktikantensprüche auf Kosmetikartikeln

Kucke:

Au mein Hirn, was bin ich satt. Was für ein Zehnerjahreschrott. Alter blöder Hipsterhauptstadtsprech. Superstumpfer Startupstyler. Proudly presented by Anschubfinanzierungsfonds: „Sehr geile“ Handcreme. „Ohne Gedøns“. Hoho. Dänischen Buchstaben reingehipstert. Oder norwegisch. Färörisch. Südsamisch. Warum? Weiß keiner. Aber huhu. So fock’n creative. Aus’m Creativebereich. Wollen verzweifelt smooth wirken, fresh, crisp, fi fo fancy – und wirken doch nur lame. Auf ihren Duschgels. Den Haarwachsen. After Shaves. Produkttexteroverkill. Hier, spaß-, laune- und karmaverderbender Screenshotservice mit mehr Kontrast:

Boar Knaller. Wird ja immer geiler. Sorry: Geila. Geschmeidig wie’n Rochen. Mit frischem Rosemary & Ginger Duft. Mit Liiiiiebe. In Stumpfland hergestellt. Bargh, weißte was – lösch dich. Geh pleite. Bad joke – go broke. Nichts gegen English, aber not in dieser Combination. Was war los? Hat der Produkttextpraktikant Crystal geraucht oder wie kommt der darauf, dass irgendwer sowas … ach shit. Weg. Ab in den Müll mit dem Geschenk. Nie werde ich meine Flossen damit eincremen. Oder die Hax’n. Nich‘ mal die Kimme. Aus purem Prinzip. Nervt mich. Was für ein Abtörn.

(ja, ischweiß, die Überschrift müsste „Was ich nicht mehr lesen kann“ heißen, aber ich habe keinen Bock, noch eine neue Kategorie aufzumachen. Hab‘ schon so viele…)

2. SO wichtig

Gute Kinderstube, SO wichtig. Caps Lock-Taste finden, SO wichtig. Den Partner für eine Lappalie bei Twitter hinhängen, SO wichtig. Schnell blocken, SO wichtig. Hundeerziehung, SO wichtig. Willkommen im Internet. Das hier ist die nicht mehr freshe, sondern schnell und schneller alt werdende Phrase, die bereits ein paar Jahre schon wieder an jedes langweilige Alltagsstatement angehängt wird, um cool zu wirken. So lange bis es mal wieder hart nervt. Gute Einparkskills, SO wichtig (Frauen, hahaha). Ein Einkaufschip, SO wichtig (Männer, hahaha). Gerne wieder als verquaste Ironie vorgeschoben. Am Vatertag: Toxische Männlichkeit, SO wichtig. Schon wieder erhöhte Bundestagsdiäten: Prioritäten, SO wichtig. Blutige Kohle aus Kolumbien, um Puteng zu kompensieren: Werte, SO wichtig. Dabei wirkt das, was sie sagen wollen, gar nicht so ironisch wie sie denken, sondern wieder nur bitter. Spaßbefreit. Sehr arm. Was egal ist. Weil’s jeder gnadenlos ausnudelt. Und ich’s nicht mehr hören kann.

Weil hey. Eigene Sätze statt Abgepaustes ins Internet scheißen. SO wichtig.

3. Problematisch

Schon der Verzehr einer Pizza ist problematisch. Wegen Palmöl. Dreadlocks. Problematisch. Hummus. Problematisch. Freier Oberkörper im Sommer im Mauerpark. Problematisch. Indianer, sorry, Indianende. Problematisch. Tattoos. Nix da. Problematisch. Und Yoga? Haha. Vergisses. Problematisch.

Eine überschaubare Zeit lang fand ich die ganz witzig, diese ganzen problematisierenden Problematisierer, aber inzwischen kann ich diese Gestalten ständig überall mit ihren immer neuen Freakdingen nicht mehr sehen. Die machen mich nur noch müde. Hin. Rüber. Hoch. Runter. Tu dies. Mach dies nicht mehr. Wobei diese dauermissionierenden Veganer und Gendertröten und Polithaltungseiferer eigentlich schon durch sind, bin fast schon zu spät dran damit, denn ich kriege jetzt fast jeden Tag irgendwelche völlig verblödeten TikTok-Hirntoten in den Messenger gespült, deren schieres Dasein, Auftreten, dieses völlige Indietonnetreten der eigenen Selbstachtung mich endgültig kaputt macht …

Ich kann echt nicht mehr. Lasst mich bitte zufrieden mit allem. Tiktoktänzen. Instatrends. Pinterestlisten, warum Männer alle so bescheuert sind. Twittermobs gegen alles. Für alles. Wider alles. Haltung. Moral. Gewissen. Problematischen Dingen generell. Ich bin durchproblematisiert. Durchgetanzt. Durchgespielt. Durchgequengelt. Durchgenölt. Ich könnte allem entsagen und mich zurückziehen auf das Essen von Blättern und Gras und selbst dann würde immer noch jemand angeschissen kommen und mir sagen, dass das nicht mehr geht, weil ich damit die Bäume diskriminiere oder den Raupen das Gras wegfresse oder Ableismus gegenüber Leuten ausübe, die im Koma intravenös ernährt werden müssen. Oder die Läuse … von den Blättern … abschlachte … Läuse … meine Güte Läuse, denkt denn keiner an die Läuse …

Yo. Bleibt nur noch Selbstmord, aber nee, der geht auch nicht mehr. Kulturelle Aneignung. Ja dann weiß ich auch nicht. Ich weiß nix. Ick geh‘ saufen. Alleine. Dann kann keiner mehr was problematisieren.


Was ich nicht mehr hören kann (7)