
Es ist vollkommen sinnlos, nüchtern auf so einen Rummel zu gehen. Landsberger Allee. Plattenbau City. Globus Baumarkthölle. Ikea Möbelhausendlager. Ich baue vor und bin schon drauf, als ich aus dem Uber steige, habe nicht nur eine Runde Glücklichsein eingeworfen, sondern auch noch Alkohol hinterher geschüttet, um die Wirkung zu verdreifachen. Betonpistenwüste. Hinten Ecke Rhinstraße. Kurz vor Marzahn. Eiswindstyler. Mr. Wash. Opel. Fiat. Kia. Cash & Carry. Wer wohnt hier? Wer will hier sein? Hier ist Baumarktcity. Plattenbau Gulch. Ich war ewig schon nicht mehr hier. Weil man hier weg will und nicht hin. Bum Bum. Ick hab‘ Puls.
Ich bin ganz froh, dass ich heute nicht der einzige bin, der hacke ist. Und vermutlich auch nicht der Einzige, der irgendwas eingeworfen hat. Dieser als Weihnachtsmarkt verkaufte Hackemobstall für die schlecht tätowierte Ostberliner Kontrastjugend war immer schon das Gegenteil jeder Besinnlichkeit. Budenzauber. Leuchteblink. Hier gibt es jede Menge Trinkmist, um den Pegel zu halten und Trinkmisttrinker, die Trinkmist trinken. Apfelzimtpunsch. Glühweinmitrumpansche. Warmen – bargh – Jägermeister. Und hey, sie haben Apfelzimtjacky. Jacky. Jack Daniels. Der bringt mich immer nach vorne. Mein Kumpel Jack. Der macht, dass die Dinge warm werden, der lullt mich ein, hält mich safe, lässt mich auf eine seltsame Art über den Boden schweben, blink blink, hier über diesem erbärmlichen Rummel, Weihnachtsrummel, gute Wahl mit dem Upper übrigens, der macht die Dinge stimmig, sinnig, rund, ja, das, einfach rund. Und ich liebe dann immer alle, alle Menschen, nein, Spaß, tu‘ ich nicht, auch nicht damit, nie eigentlich.
Grünkohl. Schwenkbraten. Fümpftausend Meter Bratwurst. Ich stehe so einen plakativ offensiven Konsummüll inzwischen nicht mehr ohne was durch, schaffe das nicht mehr ohne Chemiekrücke, rücke gleich mit der Bazooka an, ich bin ein Rauschmensch, war das immer schon, und nüchtern diesen erzstumpfen Abgrund überzogener Abfüll- und Abzockstationen durchlaufen zu müssen, würde mich killen, diese Leute, diese ganzen Leute, beseelt, belallt, befuselt, ich würde sie gar nicht ertragen, jede Minute ohne Betäubung als die Verschwendung sehen, die sie ist, ich würde mir nüchtern einen dieser Sieben-Euro-Mann-Seid-ihr-bescheuert-Schokoladenobstspieße nehmen und mir damit vor lauter Lärm, Licht, Getute, Gebrabbel, Geschrei, Geblinke den Unterarm ritzen, bis ich eine Blutspur lege zum Autoscooter. Hypersensibel auf dieser Erde zu sein ist kein Spaß, war immer schon Arbeit. Ablenkung Ablenkung. Autoscooter Autoscooter. Geil Geil. Fahr’n Fahr’n. Autobahn. Ich nehme in Spitzenlastzeiten Mittel, um die immerempfangenden Antennen zu betäuben. Muss die nehmen. Damit sie eine Weile verstummen, die Sender, die Antennen, bitte, nur eine Weile verstummen, bitte kurz mal keine Emotionen aufnehmen, einmal kurz nur nicht. Mute. Switch. Aus. Weil ich das alles gar nicht verarbeiten kann.

Ich setze mich in einen Autoscooterwagen – vor lauter überbordender übermütiger Euphorie habe ich 20 Chips für unfassbare 40 Euro gekauft, die mir die Taschen ausbeulen, so dass ich jetzt 20 Fahrten machen muss, um die Beulen wieder aus den Taschen zu kriegen. Tuuuut. Tut. Tut. Klick. Aufs Gas. Eine neue Wahnsinnsfahrt. Ich ramme die alle weg, der wachsweiche Wagen ist zu langsam, Ponyhofgrütze, es braucht mehr Schwung, Horsepower, ich hab‘ Energie – Sollndasduarschloch, Ausrufezeichen, brüllt mich ein von mir gerammter Vater an, der seinen zu dicken Sohn mit im Wagen hat, was setzt sich der Spack samt Sohn in den Autoscooter und erwartet, dass niemand ihn rammt, wie doof kann man sein, fahr‘ Kinderkarussell, du Affe, echt mal, Autoscooter fahren und dann heulen, habe ich ihn gerade angebrüllt, glaub‘ ich, irgendwie so, weiß nicht, und noch irgendwas hinterher von wie kann man so blöd sein, Autoscooter ohne Rammen, haste ne Macke. Fragezeichen. Dann werde auch ich gerammt. Von der Seite. Von ihm. Grimmiges Gesicht. Die Vendetta. Dem Sohn zeigen, dass er’s kann. Meine Güte, geht doch.
Wenn ich dicht bin, fallen mir komische Dinge ein. Das Wort „Boxauto“ zum Beispiel. Ich traf mal einen Schwaben, der nannte das so. Den Autoscooter. Boxauto. War komisch. Lustig. Nicht nur weil ich an dem Abend damals gekifft habe und jeden Scheiß witzig fand, die elchigen Klamotten vom Gastgeber, seine blutleere geierartige Frau, die irgendwas über Homöopathie laberte und meine eigene Kackwurst, die beim Spülen noch einmal eine stilvolle dreifache Pirouette drehte, bevor sie unterging. Über so etwas kann ich minutenlang lachen, kichern, wie irre, und tat das auch, bis ich beim Verlassen des Scheißhauses merkte, dass die ganze Klozeit über irgendwelche Typen vor der Türe standen, die mich danach völlig zurecht für einen Irren hielten, der alleine im Klo kichert. Was ich ja auch tat. Bin. Aber egal. Huhu. Je älter ich werde, desto egaler wird mir mein gesellschaftlicher Auftritt und noch egaler wird mir, wenn sie mich nicht mehr einladen. Dann geh‘ ich halt woanders hin, mein Gott. Höre ich mir halt keine Homöopathiescheiße von geierartigen Wechseljahrenfrauen mehr an, die staubige zuckerfreie Mürbeteigkekse feilbieten. Friendly reminder. What others think of you, is none of your business.
Ich brauche mehr Zeug. Von allem. Noch mehr Winterjacky. Noch mehr Wärme. Noch mehr Liebe (alle Menschen, liebe doch). Bling Bling. „Der Eiapunsch is ooch lecka“ labert mich eine Übervierzigjährige an, was bitte häh, seit wann werde ich von Übervierzigjährigen angesprochen? Abtörn, baby. Abtackel, Buddy. Es geht zuende, Freakkind. Das ist der Anfang vom Absturz. Erst diese Eierpunschvettel hier, dann bald schon Ü40-Party in der Kalkscheune (gibt’s die noch? wees ick gar nich’…) und am Ende dann Tanztee in der Seniorenresidenz von Alt-Stralau, oder noch schlimmer Alt-Tegel, mit Heizdecken, selbstgebackenem gedeckten Apfelkuchen und … huhu … selbstgepanschtem Eierlikör, aus Prima Sprit, zwölf Kilo Puderzucker und … klar … Eidottern. Dott Dott. Mein Dumpfhirn schaltet ab. Dort in Alt-Irgendwas dann werde ich wissen, dass der Auftritt hier auf der Weltraumkugel faktisch zu Ende ist. Und hier hat der Anfang vom Ende begonnen. Der Break-Even-Point meiner Rutschbahn in die Kiste des Vergessens. Hier ging’s los. Auf der Winterkirmes. Mit der Ü-40-Alten am Stehtisch mir gegenüber, die mir irgendwas von leckerem Eierpunsch ins Ohr drückt, als könnte Eierpunsch jemals lecker sein.

Ich habe Teile meiner Begleitung verloren, die genauso dicht sind wie ich, also tunke ich Szenerie. Irgendeiner sucht panisch sein Kind, schreit, krakeelt, irgendeinen Namen, rennt wild umher, fuchtelt, ich kann nachfühlen, wie er sich fühlt, das Kind weg, im Gewühl, mir auch schon passiert, schnell am Wuseln, die Zwerge, ich überlege kurz zu helfen, aber ich kenne weder das Kind noch bin ich in einem Zustand, der Helfen zu einer zielführenden Angelegenheit macht. Ich bin in einem desolaten Zustand, weiß ich, fühl‘ ich, als der Typ erleichtert sein Kind doch wiederfindet, das eine von der miesen Geisterbahn unmotiviert herabhängende Plastespinne beobachtet hat und nun von dort weggezerrt wird. Puh. Hui. Na das war ja … na siehste, am Ende wird alles gut, immer wird irgendwie alles gut, wir sind viel zu verstrahlt, viel zu verrückt, komplett durch den Wind wegen jedem Kack, und scheißen uns immer gleich ein, denke ich, als ich kurz das Gleichgewicht verliere und fast in eine dieser überdimensionierten Mülltonnen voller schmieriger Senfpappen falle.
Chaos Airport steht da irgendwo an so einem Blink Blink-Fahrgeschäftding. Ich finde das leider geil. So schön passend für mein Berlin. Ein völlig chaotischer Airport, in dessen Board sie eine elende Politleiche nach der anderen verklappen, die immer noch mehr Geld versenkt als der Vorgänger. Aber das ist okay. Heute ist alles okay. Irgendwo müssen sie ja hin, die Corrupt Politicians, die Greedy Company Board Bastards, legitimized by the Stupid Fuckin‘ Idiot Voters, die diese Farce am Leben halten, damit das immer so weitergehen kann, ohne dass irgendwer mit Teer und Federn auf einer Eisenbahnschiene verlacht und verspottet und mit fauligen Tomaten beworfen zur Stadt herausgetragen wird, wie sie das immer in den Lucky Luke-Heften mit solchen Typen gemacht haben.

Und dann ist da schon wieder eine Frau. Steht mit mir an einer der Stehtonnen und hat irgendwann angefangen zu reden, seit wann sie redet, weiß ich nicht, nur dass sie in ganzen Maschinengewehrsalven ohne jede Pause redet, kriege ich mit, in einer Geschwindigkeit, bei der ich noch nicht mal Aha, Wollwoll oder Mmmhja sagen kann. Worüber sie spricht, weiß ich auch nicht, aber wie sie aussieht, kann ich sagen. Angeklebte Wimpern wie von zwei Laubrechen. Angeklebte dreifarbige Pornoschaufeln von abartigen drei Zentimetern Länge, die spitz verlaufen und auf mich so irritierend wirken wie die wurstigen Krallen eines Maulwurfs. Dazu grässlich dickes beiges Makeup, ausgeleuchtet von sadistischem Neonlicht, durch das ich ihre dicken, heillos verstopften Poren auf ihren sich ständig wie Mahlsteine bewegenden feisten Backen sehen kann. Eine Optik wie eine Karikatur. Aber das ist egal. Denn auch ich sehe furchtbar aus. Fleckig. Strähnig. Fahrig. Und irgendwas klebt an meinem Mundwinkel. Ich weiß das. Ich habe mich vorhin auf dem vollgepissten Scheißklo, für dessen Zutritt die Gewissenlosen inzwischen einen Euro haben wollen, im Spiegel angesehen, aber ich war zu drauf, mir das wegzumachen. Es muss da noch hängen, das Stück Wurst, der Kaugummirest oder angetrockneter Speichelbrocken, aber das stört die redende Krallenfrau nicht.
Ich will was fressen, Jacky-Apfel-Munchies, doch überall gibt es nur diese Schweineschwenkgrillscheiße für blöde fette Bowlingskatstammtischhackfressen. Ich bin kein Moslem, ehrlich, und sicher kein Veganer, wirklich, ich fresse jede Scheiße, alles was mir unterkommt, und sowieso in meinem Zustand, aber sie haben hier nur Bratwurst, Nackensteak und Leberkäse. Und die ganze deutsche Schweinscheiße schon vorgebraten und dann, wenn Sie etwas davon bestellen, wird der Mist von den untalentierten studentischen Aushilfskräften nochmal auf den Grill geschmissen und warm gemacht, wonach er endgültig schuhsohlenarrig durchgart. Gummiwurst. Lederschnitzel. Grünkohlkotze. Hat denn keiner…? Will denn keiner…? Mal was anderes machen? Doch. Nur einer ist verwegen und bietet ausgerechnet Mais an, Mais, das sinnloseste aller … ach komm egal.
Ich fresse aus Verzweiflung ein knorpeliges Nackensteak. Das wird sich später gut kotzen wegen des ganzen Fetts. Alte unendlich erfahrene Kotzerfahrung. Liebe Anfängerkotzer, seid klug und wählt öliges Flutschzeug als Basis, das schont die Speiseröhre und den Hals. Ich weiß das, denn ich bin ein guter Vorbauer, der jetzt schon merkt, dass er kotzen werden wird, nur wann und wo weiß er nicht. Aber hinter mir schreit wieder jemand. Hier in dem Chaos schreit immer irgendwer. Und alles blinkt. Und blökt. Und tutet. Alter, ich bin nervlich völlig überfordert, wie muss es dann erst Epileptikern gehen, wenn es mir schon so geht. Inferno ist kein Ausdruck.

„Gemma Geistabahn?“ „Nee, ick hab jeden Morjen Geistabahn.“ Geil. Ich meine den Dialog. Sehr geil. Zwei alte Arschgesichter. Er, Bierbauch, Wutbürgerhut, Wanderschuhe, sie, vergilbt, sinnlose Hula Hoop-Ohrringe, Jack Wolfskin. Ich würde kaum heiraten wollen, aber wenn, dann wäre der Grund tatsächlich der, mit jemandem sehr cool so alt zu werden, mit solchen Kacksprüchen, den ganzen Tag, dazu Pennerglück, Kiffen zum Ficken, maximal abgenudelt zynisch bis zur Ekelgrenze, so ungefähr würd‘ ich’s machen wollen, nur gibt es solche Leute nicht oder sie sind selbst mir zu kaputt.
Dosenwerfen. Bogenschießen. Dartpfeile. Luftgewehr. Ich mache die ganze Kirmeskacke. Vier Euro pro Scheißspiel. Zum Glück nehmen sie mal wieder keine Kreditkarte, sonst wäre ich Verschwenderotto innerhalb von zwei Stunden insolvent und sie würden mir den Stuhl unterm Arsch wegpfänden. Aber hey, mein Schweineglück folgt mir und ich gewinne einen rosa Kugelfisch, doch das Ding ist so hässlich, dass es quietscht. Ich werfe es in die nächste Pfütze und gewinne als nächstes ein eingeschweißtes Fan-Set einer koreanischen Boyband. Mit Filzstiften drin. Einem Block. Kartenspiel. Ich werfe es hinter einen Fünf-Millionen-Meter-Bratwurststand, woher es ein debiles Kind hervorpult. Dann höre ich auf spielen, bevor ich am Ende noch irgendwelche Devotionalien der bescheuerten Fußballnationalmannschaft gewinne, die ich noch weniger leiden kann als koreanische Boybands.

Bin alleine. Habe alle Kumpels verloren. Gewusel. Gedusel. Glühweinstand. Einer klebt ein AfD-Papperl auf eine der Stehtonnen, auf der schon ein Klimaslogan klebt. Mäh. Es ist wirklich Zeit zu gehen. Hallo Landsberger Allee. Fuck you IKEA. Ich kotze irgendwohin. Egal. Ich gehe den Bach runter, beginne zu zittern, abklingender Rausch, kenne das, dazu die Kälte, vollkommen durch. Dem Abklang folgt die Ankunft der schwarzen Lady, mein Dauergast in jedem Dezember. Sie denken vielleicht wie alle, dass ich stabil bin, alles im Griff habe, dabei habe ich das nicht, ich bin ein instabiler blasenwerfender gärender wabernder Lavasee, der von einer Fassade aus gespiegelten und von mir gekonnt bedienten Erwartungen anderer Menschen zusammengehalten wird. Und jedes Mal um diese Jahreszeit reißen mir die sorgsam festgezurrten Halterungen wieder. Knallen die Nieten raus. Waber waber. Blubber blubber. Mein Körper wie immer unverdient gesund und mein Gemüt sterbenskrank. Man müsste auf so eine Neungeschosserplatte klettern und von dort direkt auf die Fahrbahn der scheiß Landsberger Allee fliegen. Flotsch. Schädel. Blut. Hirnmassen. Da habt ihr’s. Endlich geschafft. Abpfiff. Der Malteser Krankenwagen, der die Asphaltpizza zusammenfegt und dem Coroner zum Verbrennen vorbeibringt. Berlin macht mich fertig um diese Jahreszeit, ich muss hier wirklich weg, sonst bringt mich Berlin irgendwann um und es bleibt nicht mehr beim substanz- und vor allem folgenlosen Gelaber wie sonst.
Dann ist’s spät. Ich nehme kein Uber, weil ich nach Kotze stinke, was mir peinlich ist, aber für die immer genauso stinkende BVG reicht’s dicke. Die gute M6. Fährt mich von hier bis fast vor die Haustüre. Halbe Stunde, dann Hause. In der Bahn lauter noch highbesoffene Frohgesichter und das, nachdem mir der Rausch voll abgeklungen ist, was die Frohgesichter noch unerträglicher macht. Zehn Minuten noch, dann durch. Morgen ist Wochenende, morgen ist feindlich, morgen muss ich mich erholen, bis zum nächsten Wochenende, dem nächsten Absturz, was es sein wird, weiß ich noch nicht, Würgeengel, Hildegard Bar, oder echt mal wieder ein Ranzschuppen, Schlawinchen, Feuermelder, wegen mir auch Kumpelnest, nur bitte nicht mehr die Federboakoksmonkeys vom Bikini, aber irgendwas wird kommen, garantiert, irgendwas kommt immer. Wiederholung Wiederholung des Immergleichen Immergleichen auf dem Idiotenplaneten Idiotenplaneten. Fragen Sie mich nicht nach dem Sinn von allem, ich kenne den nicht.
