Das vorpubertäre Kind (6)

„Mein Papa sagt, Kacken ohne Smartphone ist voll langweilig.“

Es folgt aufgekratzte Heiterkeit in der Runde. Kindergelächter. Kacken. Smartphone. Stimmung. Ich fühle mich geschmeidig. Fest im Sattel. Ein cooler Papa. Augenhöhe. Abholen wo sie stehen. Blabla.

Heute ist auch Nepomuk bei uns. Ein Schulfreund vom Kind. Nepomuk heißt gar nicht Nepomuk, sondern hat irgendeinen anderen bescheuerten Prenzlauer Berg-Kindernamen, dessen seelische Folgen aktuell noch studierende Psychologiestudenten ihm irgendwann mal wegtherapieren müssen. Weil man einfach Komplexe bekommen muss, wenn die Eltern einen Nepomuk nennen. Nepomuk ist das neue Kevin. Eine Diagnose. Und der Stempel auf der Stirn: Crap. Ein Sojakind.

Kacken. Hahaha. Smartphone. Ist ja cool bei euch. Die Kinder sind begeistert. Ich hau‘ noch einen oben drauf: „Ohne Smartphone müsste man ja beim Kacken vor Langeweile das Etikett vom Shampoo ablesen. Oder vom Nachtcremetöpfchen. Wie öde. Da steht nur Scheißdreck drauf. Dann lieber daddeln.“

Einer spricht die Wahrheit spontan aus: „Dein Papa ist ja cool.“

(oh wie mag ich dieses kurze Zeitfenster zwischen stumpf-treudoof-naiver Kindheit und plakativ-bockiger Pubertät. Alles was ich sage, wird im Moment als weise klassifiziert, aufgesogen und pseudoabgeklärt kommentiert, selbst der größte Mist. Dass die Herrlichkeit in Ewigkeit nicht mehr lange anhält, ist mir klar. Bald ist es soweit und ich werde abgemeldet sein. Der nervige Erzeuger sein. Werde das Kinderzimmer nicht mehr betreten dürfen. Und werde schon gar nicht mehr cool sein, sondern uncool in einer Liga mit Leuten, die ihr Kind Nepomuk nennen.)

Bei Nepomuks darf beim Kacken nicht gedaddelt werden. Es gibt sogar ein Schild. An der Klotüre. Dass man kein Smartphone mit ins Bad nehmen darf. Sagt mein Kind. Bei Nepomuks ist sowieso viel verboten, was bei mir geht. Tekken. Lasertag. Die Filme bis 16 bei Netflix. Lange aufbleiben, wenn Papas vergorene Kumpels da sind. Schokomilchreis analog der Pommes und dem Ketchup mit einer obszönen Menge dänischer Dessertsoße übergießen und selbstverständlich essen. Sowieso Pommes. Pizza. Tomahawksteak. Fluchen. Furzen. Das Treppenhaus runterrennen. Trotz Dunkelheit draußen sein. 25 Salzstangen auf einmal in den Mund stecken und sehen was passiert (es staubt). Dass ich immer noch das Mitsorgerecht für das Balg haben darf, ist ein Wunder.

(ring)

„Zimmermann?“

„Herr Zimmermann, Frau Nepomuk hier, mein Sohn war gestern bei Ihnen und da wollt‘ ich mal drüber sprechen.“

„Oh. Was kann ich tun?“

„Es geht nicht an, dass Sie die Kinder ermuntern, verbotene Wörter zu sagen.“

„Verbotene … was … Wörter? Oha. Welche denn?“

„Sie haben etwas zum aufs Klo gehen gesagt.“

„Kacken?“

„Ja. Nepomuk hat das jetzt auch hier zuhause gesagt und weil Ihr Kind das sagen darf, sagt Nepomuk, dass er das jetzt auch sagen sollen dürfe.“ (Was für ein Satz, die Frau muss Deutschlehrerin sein. Oder völlig verrückt.)

„Wie sagen Sie denn zu dem Vorgang?“

„Jedenfalls nicht DAS!“

„Tjo, das unterscheidet uns. Wir machen das so. Bei uns ist das erlaubt.“

„Ja aber bei uns nicht. Und bei Ihnen dürfen die Kinder auch mit dem Smartphone aufs Klo.“

„Ja. Warum auch nicht?“

„Weil das dann zu lange dauert.“

„Und was ist daran schlimm?“

„Das ist nicht gesund.“

„Warum denn das?“

„Hämorrhoiden.“

„Ich mache das seit vielen Jahren so. Manchmal sitze ich dort eine Stunde. Und Hämorrhoiden habe ich immer noch keine.“

(was rede ich da … und vor allem mit wem …?)

„Das kommt noch.“

„Ach so.“

„Können Sie darauf achten, dass das nicht mehr passiert?“

„Was genau?“

„Das mit den verbotenen Wörtern und dem Smartphone auf dem Klo.“

„Ich fürchte, das kann ich nicht.“

„Wieso nicht?“

„Meine Wohnung, meine Regeln, Ihre Wohnung, Ihre Regeln. Mein Kind nimmt ja bei Ihnen auch kein Smartphone mit zum Kacken aufs Klo.“

„Ja, weil das bei uns verboten ist.“

„Sehen Sie? Ihre Wohnung, Ihre Regeln. Und das ist völlig okay. Wir respektieren das.“

„Sie wollen also nicht?“

„Nein, ich will nicht.“

„Tja dann…“

„… dann tja …“

„Auf Wiederhören.“

„Ja tschüssi.“

Mehr war nicht. Nur dass Nepomuk jetzt nicht mehr herkommen darf. Und das Kind jetzt immer zu Nepomuk gehen muss. Was bedeutet, dass meine Bude öfter frei ist. Menschenleer. Kinderleer. Kein Rumrennen, nix Umschmeißen, keine Schokoladenflecken auf dem Teppich, kein Heulen weil sich jemand wieder wehtut. Life is great.


Das vorpubertäre Kind (5)