Ausweitung der Duz-Zone (3)

Tach. Schon wieder Post.

Oh nein. Wenn der neue Stromanbieter mich in der ersten Kontaktaufnahme so anspricht, möchte ich mich sofort wieder abmelden. Wo denkt er, wo er ist? Auf dem Schulhof? Bei meinen versoffenen Kumpels im Offside? Yogastunde? Biobäcker? Im Müttergenesungsspielkindercafé?

Ach hör‘ doch auf. Der ganze Auftritt des Anbieters ist sowieso grauenhaft infantil. Schauen Sie mal, ein lustiges Wortspiel:

Watt willze? Watt is los? Watt solln ditte? Watt Watt Watt! Ja, wattzig … äh … witzig. Nein, ich habe gelogen. Nicht witzig. Ganz schlimm sogar, aber ich hätte es wissen müssen, was soll ich von einem Stromanbieter erwarten, der seinen Tarif so nennt:

Checker Strom, Alter. Womöglich auch noch erweiterbar auf die Digga-Option. Für die Brudis von der Stromtrassenhood. Ghettofaust. Yeeeh.

Ich weiß übrigens genau, mit wem ich da in der Fahrlässigkeit einen Vertrag abgeschlossen habe, ehrlich, ich kenne die alle, passen Sie auf, hier ein Bild, gezeichnet vom Kopfkino: Prenzlauer Berg. Ein Hinterhaus. Der Hof begrünt. Sitzbank. Blümchengießkanne aus dem Vintagehypealter. Neben ein paar Crocs vom Koch der laktovegetarischen Dim Sum-Braterei vom Vorderhaus. Ein altersschwacher Flipper, den einer von Zalando aus Kreuzberg abgestaubt hat. Im Parterre sitzen in einem Coworkingpuff neben einer abgerissenen feministischen Gradikdesignerin Mitte 30 mit peinlichen Doc Martens und einem prekären albanischen Lieferandofahrer drei ehemalige Hipster aus Bad Bevensen, denen Corona die Craftbeerbutze an der Greifswalder Straße in den Lokus gespült hat. Die Idee, einen dieser fünf Millionen deutschen Stromauf- und -verkäufer zu gründen, kam dem Vordenker mit dem Namen Neppomuk-Eusebius, dem Nesthäkchen dieser drei Stooges, eigentlich gelernter, aber nirgendwo je eingestellter Werbekaufmann, beim Austrinken der Börlin Ziti Pale Ale-Reste im Dezember 2020, als die Craftbeerbutze schließlich endgültig zumachen musste: „Hey, wir machen mal was ganz Neues. Strom! Aber anders! Coole Namen für die Tarife. Checka Checka. Wie die Hip Hopper. Die Webseite machen wir klickelibunt. Hat nicht Rangadoo-Romanza letztens so eine neue Comicschriftart gestylt? Bei Vincent-Ciara am Macbook? Die nehmen wir! Und dann duzen wir die Kunden alle. Und sprechen die mit „Hey!“ an. Wie in unserer Bar. Weil wir so cool sind und alle zu uns kommen werden, eben weil wir so cool sind.“

Haha.

Möööp.

Er irrt sich. Der Neppomuk-Eusebius. Wir sind jetzt alle da, weil diese lustigen Infantilen momentan die billigsten Preise und den höchsten Bonus haben. Und nächstes Jahr wechseln wir woanders hin. Zu RWE. Vattenfall. Rheinmetall. Oder einem weißrussischen Giftgasstromverticker mit Courier-Schriftart aus kommunistischen Beständen. Weil uns egal ist, ob jemand infantil herumwanzt. Oder Hey sagt. Oder einen Digga-Checka-Wocchochino-Brownie-Tarif hat. Hauptsache billig.

Ach komm, ich schreibe Krethi und Plethi auf ihrem Spielzeugteppich gleich mal an. Der angesetzte Abschlag ist zu wenig, das gibt nur ne fette Nachzahlung und die nervt mich dann nächstes Jahr, wenn ich pünktlich mit neuem Sofortbonus zu französischem Atomstrom wechseln werde, hier, Gleiches mit Gleichem:

„Alter, tschüüüüüüsch! ischwör, bismillah, deinen Abschlag is klein, Digga. Mamma größa!!1! Willisch net fett abdrückn Scheinchen näxstes Jahr. Kapitzki? Oder Watt?“

Boar mein Hirn. Ich bin so durch. Kill me plz.


Ausweitung der Duz-Zone (2)