
Ach herrje, sowas haben wir immer wieder: Neu zugezogen und mit dem hiesigen Lokalkolorit nicht vertraut. Obwohl, zugezogen, vielleicht ja auch nicht, die bildungsferne Schreibweise von „Fahrraddieb“ sieht mir sehr nach Berliner Abitur aus. Oder nach Braunschweiger Grundschule. Kann man schwer auseinanderhalten.
Lieber legasthenischer Choleriker, sobald Sie Ihre verlorene Fassung wiedergefunden haben, habe ich wertvolle Informationen zum Onboarding. Zuerst die erste Regel des Fightclubs: Ein in der Öffentlichkeit abgestelltes Fahrrad gehört der Öffentlichkeit, egal ob Sie es abgeschlossen haben oder nicht. Abschließen spielt hier nur eine Rolle für die Versicherung, für nichts sonst. Stellen Sie also Ihr Fußgängermobbinggerät an einem öffentlich zugänglichen Ort ab, kann es sich jemand nehmen, dem es gefällt. Das ist normal. Wir machen das hier so. Deshalb fahren die meisten hier auch 20 Euro-Rostmöhren. Weil die keiner will. Bei allem drüber gilt: Bye Bye Trekkingbike.
Was Sie aus Gießen, Bad Bevensen oder Tuttlingen nicht kennen: Auch ein Hof (was ist eigentlich ein Innenhof, gibt es auch einen Außenhof?) gehört zur Öffentlichkeit, weil da jeder rein kann. Man klingelt einfach auf einmal alle Klingelknöpfe ab und kommt sofort rein, weil irgendwer immer aufmacht. Reingehen, schönes Fahrrad aussuchen, rausbringen, wegfahren. Berlin.
Und ja, ich weiß, Anzeige ist raus, aber die bringt nix, denn alles unterhalb von Totschlag wird hier in der papiergefluteten und personaldeckengerupften Hauptstadt von überforderten Teilzeitstaatsanwältinnen mit Doppelnamen, die in Honeckers abgeranzten Dienstgebäuden bei fahlem Neonröhrenlicht vor Computern aus dem letzten Jahrtausend sitzen, nach Ablauf einer Karenzfrist eingestellt. Niemand ermittelt hier irgendwas, schon gar nicht wegen eines … krchr … Fahrrads. Deshalb sind auch solche theatralischen Aufrufe zur Zeugenfindung komplett sinnlos, vor allem weil hier nie jemand je irgendwas gesehen hat noch jemals sehen wird. Sie können hier bei uns im Bezirk mit einem Transporter tagsüber entspannt mit Kippe im Maul ganze Wohnungen ausräumen, samt Möbeln, Flatscreens, Spülmaschinen, Katzen und in Teppiche gerollten Leichen, sowas kriegt keiner mit. Weil wir Berlin sind.
Tut mir also ehrlich leid, dass Sie es auf diese Art lernen müssen, das alles hätte Ihnen wirklich mal jemand vorher sagen sollen, der es gut mit Ihnen meint. Mir bleibt nur so viel: Goodbye Bohei. Viel Erfolg mit dem nächsten Bike. 20 Euro. Ebay Kleinanzeigen. Oder einfach selber mit dem Bolzenschneider um den Block ziehen. Bitte gerne. Da nich‘ für.