
Tag 3. Noch lebe ich. Meine Nase ist trocken. Rau. Brennt, wenn ich popele. Ich trinke schon pausenlos die Cola Zero-Kiste im Akkord leer, was aber nur den Effekt hat, dass ich alle Viertelstunde pullern gehen muss, was die Nase nicht feuchter macht. Hölle. Sie machen sich keine Vorstellung. Völlig klar: Das wird der Vorbote des Geruchssinnverlusts sein, vor dem der Lauterbach gewarnt hat. War das wieder Lauterbach? Mit dem Geruchssinnverlust? Lauterbach. Propellerkarl. Den ich wie alle auch nicht ernst genommen habe (Bergamo). Ich habe niemanden ernst genommen (Bergamo Bergamo). Ich nehme grundsätzlich nix ernst (Bergamooooo!). Jetzt rächt sich das. Jetzt hab ich’s. Und habe jede Häme verdient. Von den Warnern. Den Vorsichtigen mit den zwei Masken übereinander und ihren Einweghandschuhen, die sie mit Isopropanol einsprühen, über die ich gespottet und die ich Hypochonder genannt habe. Jetzt können die lachen. Haben jedes Recht dazu. Ein Unhygieniker weniger, der’s nicht anders wollte. Kuck mal der. Hat’s wissen wollen. Und weiß es bald. Weil er so doof ist.
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Vor lauter Langeweile nehme ich an einem Zoommeeting des Borgwürfels teil. Gleich am Anfang spricht mich die schräg in die Stufe ihrer Unfähigkeit gegenderte Projektleiterin an:
„Mark, wieso sitzt du hier mit Corona?“
„Wieso nicht?“
„Na du hast Corona.“
„Häh? Habt ihr Angst, dass ihr euch durch die Telefonleitung ansteckt? Woher weißt du eigentlich, dass ich Corona habe?“
„Na du hast dich doch krank gemeldet.“
(Ja, schon, aber nicht bei ihr, sondern bei der Personaltulpe. Was egal ist. Wir haben 2021. Was Sie einem von denen sagen weiß jetzt jeder. Datenschutz ist tot. Persönlichkeitsschutz auch. Alles gerodet. Abgeräumt. Abgefackelt. Kranksein ist jetzt politisch.)
„Ja trotzdem. Wieso ist mein meine Diagnose Gegenstand dieses Meetings? Wer weiß das denn noch alles außer die 20 Leute hier jetzt?“
„Mark, wir haben eine Pandemie.“
Tjo. Pandemie. Was sachste da? Kannste nix sagen. Das reicht schon. Biste gläsern jetzt. 2019 noch undenkbar. Jetzt Standard. Was ich immer sage: Alles abgeräumt. Alles. Abgeräumt. Hey. Sie. Haben Sie sich wie ich im Job an Diskretion, Persönlichkeitsschutz und Professionalität gewöhnt? Lassen Sie los. Ich tu’s auch.
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Das Kind hat es geschafft, das Kinderzimmer in meiner Wohnung innerhalb von zwei Tagen so zu vermüllen, dass niemand mehr den Boden sehen kann. Aufräumen. Fragezeichen. Sage ich. „Papa, ich hab‘ Corona. Da räumt man doch nicht auf. Lohnt sich nicht.“ Aha. Fatalismus. Eigentlich meine Disziplin. Scheiß Vorpubertät. Was ist das überhaupt für eine Argumentation? Ich bin ja wohl derjenige, der bald tot ist und räume trotzdem die Wohnung auf. Aber egal. Das Kind hat noch 11 Tage Lagerkoller mit dem sterbenden Vater vor sich, also sehe ich über die Dinge hinweg und bin froh über jedes Onlinespiel im Multiplayermodus, mit deren In-App-Käufen sie den Kindern das Taschengeld aus der Hose ziehen. Dann muss ich wenigstens nicht aus Büchern vorlesen oder Monopoly spielen.
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Mittags. Abends. Nachts. Die Zeit verschwimmt. Zyklen aus Dunkelheit (oh es ist schon wieder Abend) und fehlender Dunkelheit (Aufstehen. Kaffee. Playstation) setzen mir den Rahmen. Trügerische Ruhe. Das Kind ignoriert mich und zockt online mit anderen Seuchenvögelkindern ein pixeliges Ding namens Roblox, zu dem ich keinen Zugang finde, weil es so pixelig ist. Vor dem Späti krakeelen Besoffene wie Krähen. Fafatzda. Fafatzda. Krah Krah. Ich stelle sie mir mit gefederten Flügeln vor, mit denen sie andere, von gegenüber aus dem Winsviertel eingewanderte Vogelarten empört fortwedeln. Ein wenig Lack blättert vom Türrahmen des Schlafzimmers ab. Der Stuck im Wohnzimmer hat Gips verloren. Ich lese, dass Rammstein einen Whisky rausgebracht hat und bestelle ihn. 65 Euro. Zu teuer voraussichtlich, aber das spielt ja eh keine Rolle mehr.
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Der Küchenwasserhahn tropft. Meine Fußnägel sind zu lang. Die Wohnzimmeruhr tickt zu laut. Minuten.

Thank you for your cooperation, too
Pozdrawiam serdecznie i do zobaczenia wkrótce