
Zwiegespräch mit einem immer sehr eifrigen Kollegen nach einer weiteren bleiernen Telefonkonferenz:
„Naaaaaa? Bewirbst du dich auf das Projekt?“
„Nee.“
„Warum nicht?“
„300 Euro mehr, dafür drei Mal so viel Stress. Kein Bock.“
„Du musst aber mal.“
„Warum?“
„Du musst doch mal vorankommen.“
„Warum?“
„Na um voranzukommen. Macht dir das nichts aus, dass du seit Jahren auf der Stelle trittst?“
„Ist mir egal.“
„Warum?“
„Andere Prio. Kein Bock auf das Hamsterrad. In 30, 40, maximal 50 Jahren bin ich tot. Vermutlich schon vorher. Warum soll es mir was ausmachen, dass ich auf der Stelle trete?“
Stille.
Zum Schneiden schwere Stille.
Ja. Sie haben Recht. Auf jeden Fall. Ich muss an meinem Wording arbeiten. Sie sind alle immer so schnell konsterniert, wenn ich sage was ich denke. Also besser einen geschmeidigeren Grund vorschieben, weil ich nicht ihrem nächsten leuteverheizenden Projekt vorstehen will. Eltern zum Pflegen habe ich nicht, aber Kind ist allgemein akzeptiert. Inzwischen manchmal sogar, wenn Sie die Karte als Mann ziehen. Kind. Sorry. Kann mich nicht bewerben. Kind. Zeit. Sie verstehen?
Stille auch anderswo. Sie haben im Borgwürfel, dem sanftmütigsten aller börsennotierten Glaskästen, immer noch nichts über Stellenabbau gesagt. Keiner. Nix. Niemand. Es herrscht drückende Stille. Dabei war vorher schon klar, dass sie es machen werden. Müssen wohl. Dennoch Stille. Und die Leute ducken sich, weil sie wissen, dass die Sense kommt. Erfahrungsgemäß warten sie mit sowas auf eine Windschattengelegenheit. Eine Fußballweltmeisterschaft. Regierungskrise. Sturmwarnung. Elbhochwasser. Oder auf einen Internetshitstorm der organisierten Internetshitstormer für einen anderen Borgwürfel. Deutsche Bank. Volkswagen. PWC. Kommt einer von denen aus der Deckung und spielt den Watschenmann, ziehen wir nach und keiner merkt’s. Machen wir immer so.

Manche unserer Personaler*_innenix im der/die/d*x Borgwürfel_In schreiben uns jetzt in ihren ständigen Coronaclusterfuckrundmails megasensibelawarewoke mit Gendersternchen an. Damit erhöht sich zwangsläufig die Liste derer in dem Puff, die ich nicht ernst nehmen kann.
Sinnlose Verbraucherinformation: Ich trinke zum Kiffen gerne Chocomel. Nein, sie bezahlen mich nicht dafür, das zu schreiben. Hier gibt es aus Prinzip keine Werbung, die übliche WordPresswerbung für Pumps, Sommerkleider und Eiweißshakes habe ich weggekauft. Aus ästhetischen Gründen. Weil ich Werbung hasse. Deshalb: Ich mag das Zeug wirklich. Es gibt niemanden, der besseren Kakao macht.
Was noch? Ein Typ vor dem Blutspendebus sprach mich wegen Blutspendens an. „Mein Blut wollen Sie gar nicht haben.“ gab ich einen gutgemeinten Hinweis. „Warum nicht?“ „Ich gehe mit Männern ins Bett, nehme Drogen als gäbe es kein Morgen und saufe wie ein Loch.“ „Mmmh…. okay.“ Drückte er seine Kippe aus und ging wieder rein.

Nervig ohne Ende: Rezepte von stern.de nachkochen. Alle drei Minuten ploppt ein Popup auf mit der Meldung, dass es auf der Startseite neue Inhalte gibt. Was mich einen Scheißdreck interessiert, wenn ich gerade Feta mit den Händen zerknödelt habe und nun mit käseschmierigen Fingern versuchen muss, die Vollidiotenmeldung mit dem Zeigefingerknöchel auf dem Tablet wegzutippen, um mein Rezept weiterkochen zu können. Was glauben die Honks? Dass ich sage „Hey, geil, neue Scheiße über die britischen Scheißroyals auf der Scheißstartseite. Scheiß auf das scheiß Kochen, ich muss jetzt ganz schnell lesen, was es für neue Scheiße auf diesem puffroten Stern.de-Scheißportal gibt. Nein? Nicht? Stimmt.
Ich habe im April einen meiner superkorrekten Nachbarn im Treppenhaus getroffen. Und in einem idiotischen Anfall von Freundlichkeit gefragt, ob es aus seiner Wohnung immer so schön nach Braten riecht (ich will das Rezept abgreifen).
„Ich esse kein Fleisch.“
Sehr pikiert.
Er.
Dann Schweigen.
Rascheln meiner Einkaufstüte.
In der eine Lammkeule ist.
Klarer Fall, Sherlock, das mit dem treppenhausbeduftenden Braten kann demnach nur die lustige dicke Italienerin sein, die links unter mir wohnt. Wer sonst. Hätte mir gleich klar sein müssen. Es konnte gar nicht der blasse Superkorrekte sein, der nie mehr mein Freund werden wird. Gar nicht. Nie. Der ist nämlich blass und superkorrekt. Sowieso gibt es Menschen, die sollten nicht miteinander reden. Weil Kommunikation zwischen ihnen nicht funktioniert. Ich und der zum Beispiel. Klappt nicht. Ich hasse Kommunikation sowieso. Wieso mache ich sowas also? Im Treppenhaus mit dem Nachbarn reden. Wieso? Keine Ahnung. Anfall von fortschreitendem Wahnsinn wohl.
Komisch, dass Menschen oft unfreundlich zu mir sind, wenn ich freundlich zu ihnen bin. Und freundlich werden, sobald ich unfreundlich zu ihnen werde. Bin ich freundlich, krieg ich nix. Bin ich unfreundlich, krieg ich alles. Habe ich nie verstanden. Ist aber oft so. Meistens gar. Versteh ick nich.

Was ganz anderes. Eine Zeitreise. Prenzlauer Berg 1998. Würden Sie wissen wer ich bin, würde Sie mich als Jugendlichen auf dem Foto sehen. Wobei ich schon lange nicht mehr so aussehe, so dass Sie mich vermutlich trotzdem nicht erkennen würden, selbst wenn Sie wissen würden, wer ich bin. Außerdem eh verschwommen, egal. Ehrlich verrückt, das. Sie schauen auf so ein Bild, an dessen Entstehung oder an dessen Existenz Sie sich nicht einmal mehr erinnern, und merken plötzlich so greifbar, wie viel Zeit eigentlich vergangen ist und dass Sie realistisch betrachtet Halbzeit haben. Die 45 Minuten sind gespielt. So schnell. Alles vergangen. Die Leute weg. Die Leichtigkeit weg. Die Ruinen weg. Bars. Kneipen. Clubs. Die Träume sowieso. Mancher tot. Mancher ausgewandert. Nur ich sitze immer noch hier und keiner ist mehr da. Arbeit Arbeit Sport Sport Drogen Drogen. Nur selten nochmal das Gefühl von 1998. Als da vor mir nichts als Nebel war. Was trotzdem okay ging.
Manchmal kommt ein wenig davon noch einmal durch. Auf meinem Balkon. Sommer. Bisschen Gras. Die alte Musik aus der Boombox. Boomfunk MCs Freestyler. 1998 ist lange her. Hässliche 22 Jahre. Und plötzlich sitzen Sie jeden Tag in einem Friedrichshainer Glaskasten zusammen mit lauter Unsympathen, Charakternullen und Heißluftbläsern und irgendwer gibt Ihnen Geld dafür, dass Sie Leuten, die Sie nicht mögen, Dinge erzählen, die Sie nicht so meinen, wozu Sie in Ihrem mittelteuren Anzug den ganzen Tag grinsen wie ein Schimpanse. Und Sie fragen sich möglicherweise wie ich: Wann ist das gekippt? Wo war der Abzweig? War nichts anderes drin? Und wieso habe ich damals nicht gesehen wohin das führt?

Vor ein paar Tagen habe ich mir ein paar Fragen zu den inzwischen sehr einflussreichen Diversityidentitären gestellt, die jetzt doch sehr penetrant sichtbar in Film, Fernsehen bis in die Videospielindustrie hinein wirken. Ich habe da noch mehr Fragen, wenn ich schon dabei bin:
Ich lese im Internet immer, dass Alte, Weiße, Heteros, Almans und Männer besser die Backen halten und am besten gar nix mehr zu irgendwas sagen sollen. Sie sind alter, weißer, männlicher und heterosexueller Alman? Dann sollen Sie inzwischen still sein und zuhören.
Fragen dazu: Ich bin ja, das klingt ab und zu mal durch, ein interkultureller Bastard. Ein Teil Pole, ein Teil Deutscher, mein Urgroßvater sogar Däne (kein Scheiß) und mein anderer Urgroßvater Italiener (auch kein Scheiß). In meiner Familie wurde also früher schon quer durch die Kulturen gefickt, geschwängert und geboren und ich kam bei raus. Darf ich jetzt was sagen? Oder nur auf polnisch? Und ich bin ja auch bisexuell. Manchmal, wenn mir Männer auf den Sack gehen, date ich Frauen und wenn mir Frauen wieder auf den Sack gehen, date ich Männer. Darf ich jetzt was zu allgemeinen Dingen sagen oder nur in den Monaten, in denen ich als Mann Männer date, weil ich dann einen Minderheitentrumpf als marginalisierter Schwuler vorweisen kann, während ich in den Monaten, in denen ich Frauen date, ein heteronormativer Privilegierter, also ein gewöhnlicher alle anderen unterdrückender Arsch vom Pavianfelsen, bin? Und dann kommt da auch noch meine Hautfarbe. Ich bin klar weiß, der Italiener in der Familie hat nur seine witzigen Brusthaare gendominant durchgesetzt, nicht seine Hautfarbe. Darf ich jetzt was sagen? Nein? Ja? Und was ist, wenn ich aus dem Solarium komme und meine Haut rot statt weiß ist? Sollte ich nicht generell das Maul halten mit einem Italiener (Machokultur!) in der Familie? Oder bin ich geradezu prädestiniert, etwas zu sagen, weil eine meiner besten Freundinnen eine astreine personalausweisbestätigte Transfrau ist, die früher mal einer meiner besten Freunde war, was mir doch eigentlich eine kapitale Opferbuddykarte nebst Lufthoheit über jeden Diskurs in die Hand gibt. Kompliziert kompliziert. Ich blick’s nicht, mir ist das alles zu hoch, das Identitäre aus dem Internet überfordert mich. Was sage ich jetzt wann und wann sage ich nichts? Warum geben die Internetwoken nicht einen Kodex mit Fallbeispielen heraus, wer wann unter welchen genetischen und kulturellen Voraussetzungen was zu welchem Thema sagen darf? Das würde mir und sicher auch vielen andern die Entscheidung, ob wir etwas sagen dürfen oder es besser lassen, erleichtern.

Anderes Thema. Was sagt denn der haltungsstarke Blätterwald eigentlich zur eigenen Situation? Er will wie immer Geld und schickt ein paar zugeneigte Abgeordnete vor. Ja prima. Immer wollen sie alle ständig Geld. Klar. Jetzt wollen sie für ihre Artikel Geld von der EU. Also von mir. Und Ihnen. Damit sie damit weitermachen können, mir zu sagen was ich meinen soll. Als würde der Rundfunkbeitrag dafür nicht schon reichen.
Und wer ist auch in Viruszeiten scheiße? Männer. Stellvertretend für alle der Dieter. Auch klar. Sie sehen, Corona hin oder her: Alles ist wie immer. Schöne Grüße vom Schweinebauchgrillen in euren Elfenbeinturm. Auch schon einen Patreonaccount gemacht? Wo ist der Steadybutton?
Ach. Scheißegal. Ich gehe saufen. Single Malt. Hier eine Hymne. Frage: Wieso gibt es so wenige Säuferblogs, dafür umso mehr bräsige Kuchen-und-Kekse-Blogs? Das prangere ich an.
Zum Saufen eignen sich pechschwarze Kurzfilme. Hier ein besonders schöner.
Und ich habe mir nach Jahren mal wieder eine Gegenleistung für meine bekackten Rundfunkbeitragsunsummen reingetan: Drinnen. Coronacontent. Witziger aber. Ja. Sicher. Es ist der öffentliche Rundfunk, also müssen Sie ein paar der üblichen feministischen Statements aus der Klaviatur der Opferrhetorik („Buhu wir Frauen sind so toll und verdienen trotzdem weniger als die Männer“) ausblenden, die sie auch hier wie überall unbedingt unpassend einbauen mussten. Weil geht nicht mehr ohne. Aber das Ding ist ganz schön. Bingt sich schnell weg und erinnert mich so schön plastisch an die bescheuerten Homeofficemütter, mit denen ich momentan zusammenarbeiten und mit denen ich vor allem jeden zweiten Tag telefonkonferenzen muss. Überdreht. Überfordert. Chaotisch. Laut. (credits)

Sie finden, wenn Sie mögen, hier ein pdf fürs Schiffe versenken. Falls das Kind mal wieder zwischen Schule, Hausaufgaben und den täglichen achttausend Videochats mit den Lehrern Zeit für Papa hat. Haben wird. Irgendwann. Keine Ahnung.
Musik: Ben Racken aus Magdeburg haben endlich ihr neues Album auf Bandcamp geklatscht. Ja, es ist depressiver Punkrock, der wieder mal niemandem außer mir gefällt. Minderheitenmusik. Nischenkram. Scheißegal. Läuft bei mir hoch und runter. Aus dem Küchenfenster. Für das Nachbarskind mit der Autotunescheiße aus dem Kinderzimmer. Was? Nein. Müssen Sie nicht mögen.
Und die Jungs von 2Zimmergefüge geben mir den Soundtrack zu diesem zerkifften Lockdownfrühling. Sonne. Rehberge. Cannabisdampf. 2ZG. Die Bullen fahren vorbei und ich muss lachen, als sie eine kriminelle Vierergruppe hochgefährlicher chillender Jugendlicher aus Kontaktsperregründen ansprechen und auflösen. Freundlich wie immer dieser Tage, die Berliner Bullen. Ehrlich. Berliner Linie. Reden statt rempeln. Wir sind hier immer noch nicht München.
Essen: Einen meiner ewigen Favoriten gekocht: Ungarisch-jüdische Pilzsuppe. Funktioniert am Besten mit Steinpilzen. Frischen natürlich. Plus getrockneten, für den komprimierten Geschmack. Dumm natürlich, dass es frische Steinpilze selten gibt. Im KaDeWe maximal. Manchmal auf dem Wochenmarkt Seelower Straße vor Rewe. Wenn Sie Glück haben. Und die birkenstockschlappigen Vollkornvetteln dort ertragen.

Sehen Sie was? Nein? Egal. Das ist der Beginn von Astrids weltbestem Lammfond, der zu Astrids weltbester Lammkeule gehört. Die weltbesten Freunde, die ich im weltbesten Wohnzimmer illegalerweise zu Besuch hatte, waren nicht weniger euphorisch als ich. Hammerteil.
Sonst? Nix sonst. Keine neuen Restauranttipps heuer, nur Dinger, die Sie meistens schon hier empfohlen bekommen haben. Weil ich im Moment, wenn ich nicht koche, nur noch von den Buden der Nachbarschaft fresse, die jetzt fast alle Essen zum Abholen anbieten. Ich mache das, weil sie bleiben sollen. Hier die Besten:
Zia, Pizza, Prenzlauer Berg: Ja, weiß ich doch, superhipper Künstlerpuff mit Künstlerpuffpappnasen. Das Abholen hat Vorteile: Sie müssen diese entsetzlich affektierte Kundschaft nicht ertragen.
Gasthaus Alt-Wien, österreichisch, Prenzlauer Berg: Von Jahren schon mal in einem eigenen Blogpost empfohlen, zu einer Zeit, als ich aus dem alten Blog ein reines Restaurantreviewblog machen wollte (was nicht hingehauen hat, weil ich mich ja thematisch seit immer schon verzettele. Ausfranse. Immer so gerne beliebig bin.) Ja. Immer noch ein sehr gutes Lokal. Nach all den Jahren. Möge bitte bleiben.
Korean Food Stories, koreanisch, Prenzlauer Berg: Wirklich der beste Koreaner, können Sie mir glauben. Und ich bin bei koreanischer Küche sehr empfindlich, weil es mir meistens nicht schmeckt. Sie wohnen auch hier? Holen Sie sich was. Guter Laden. Nette Leute.
Banh Xeo Saigon, vietnamesisch, Prenzlauer Berg: Und gleich der beste Vietnamese hinterher. Auch bei mir im Kiez. Was die da fabrizieren macht mich sehr zufrieden.
Sommerhaus Kaffeebar, Kuchen, Prenzlauer Berg: Empfohlen vor Ewigkeiten von hier. Ja natürlich bin ich gegen diese karottenkuchigen Stolzejungmüttersammelstellen auch allergisch inzwischen, dafür gibt es einfach zu viel von allem: Stolze Jungmütter, superhippe Altmöbelcafès, deren Besitzerinnen aus irgeneinem Grund meistens Mareike heißen und dann auch noch immer wieder dieser Karottenkuchen. Egal. Wenn, dann hier.
Le Flo, französische Feinkost, Prenzlauer Berg: Kein Restaurant, aber trotzdem schützenswert. Hier kaufe ich meine Foie Gras. Falls hier doch noch ein Veganer mitliest: Für die Foie Gras werden Gänse gewaltsam mit Nahrung gestopft, damit die Leber unnatürlich fett wird. Schmeckt aber irre gut. Warmes Toast, Foie Gras, Fleur de sel. Mehr braucht es nicht. Natürlich ist es ungesund und tierfeindlich, aber das macht nix.

Das war der April. Mehr war nicht.