Hirnsudelei 09/19

Man darf ja nix mehr. Nix mehr darf man. Sonntagmorgen. Ich komme um 3 aus der Kneipe und um 6 Uhr heult die Alarmanlage dieses Scheißautos auf, dessen Alarmanlage immer um solche Uhrzeiten aufjault. Und es ist dieser 90er-Jahre-Autoalarm mit diesen verschiedenen Heularten. Lüüüüüü-blip Blip Blip-lööööööüüüüüüäääääämüüüüü-prrrrrrrrrrrrrrrrrrrr-tacker tacker tacker tacker tacker-luiiiiiiuuuuuuiiiii-Tik Tik Tik und so weiter, Sie kennen das bestimmt. Und ich flieg‘ aus Bett, bin komplett wach mit hämmernden Kopfschmerzen vom Saufen, aber darf wieder nicht mit dem Vorschlaghammer runtergehen und dieses beschissene Auto zerlegen. Darf ich nicht. Ist wieder verboten. Ich muss das wieder hinnehmen, diese Scheiße. Wie immer. Alles muss man hinnehmen. Jede Zumutung. Jede Scheiße. Jeden Bastard.

In der Kneipe, in der ich gesoffen habe, habe ich unfreiwillig die Bekanntschaft mit einem sehr eklig rechtsauslegenden Typen gemacht, dessen Kinder jedes Mal 20 Liegestützen machen müssen, wenn sie ein englisches Wort wie „cool“, „shit“ oder „fuck“ in den Mund nehmen. Großartig. Nicht mehr Seife für den Mund, sondern Drillsergeant mit den Liegestützen. Den hiesigen Therapeuten wird die Arbeit nie ausgehen. Nie. Nicht in Berlin. Wer schleppt nur diese Irren dauernd an?

Jetzt habe ich im Übrigen das hinter mir, wovon ich bisher nur von anderen Eltern gehört habe: Sie haben mein Kind vor ihren Karren gespannt. „Papaaa, was ist Freideifjudscha?“ kräht es nachmittags frisch aus der Grundschule kommend. „Wieso fragst du das, Kind?“ „Weil da mussten wir heute alle hin. Unterricht fiel aus.“

Wow.

What?

Ich muss das mal kurz sacken lassen.

Tick.

Tack.

Okay, wenn ich das jetzt richtig zusammenfasse, läuft das so: Sie karren jetzt also massenhaft Berliner Grundschüler an einem Freitag vor das Kanzleramt, um für Steuererhöhungen für deren eigene Eltern zu demonstrieren, um das dann auf ihren öffentlich-rechtlichen Kanälen als Uprising der Jugend zu verkaufen. Was ich erfahre, nachdem ich mein Kind wie immer von der Schule abhole. Und nein. Kein Verständnis. Null. Mir auch egal, ob das quasi „freiwillig“ war und man ihnen die Wahl zwischen Rumsitzen im Hort und einem „spannenden Projekttag“ gelassen hat. Sie haben ihren Arsch inzwischen scheuentorweit offen und karren jetzt sogar Grundschüler quer durch die Stadt ins Regierungsviertel als würde in den wundgenudelten Schulen dieser Stadt nicht schon genug Unterricht ausfallen. Was sage ich denn jetzt dem Kind, was das ist? Eine Weltuntergangssekte mit flächendeckender Schul-, Polit- und Medienmacht, die dem Papa das Portemonnaie für ihre Agenda leerlutschen will, als würde der Rundfunkbeitrag jedes quälende Quartal nicht schon reichen? Ehrlich, ihr geht mir auf den Sack. Täglich. Stündlich. Aus allen Rohren.

Ich habe inzwischen Angst, den Klodeckel aufzumachen und einen kleinen grünen Gnom vorzufinden, der „Huhu! I bims! Klimaaaaaaaa! Klimaaaaaaaa!“ krakeelt. Meine Güte…

(danke, Sascha, für das Bild)

Ach egal. Alles Wichser. Ich mag Politik nicht. Mir wär‘ es ja egal, würden sie mir einfach meinen Frieden lassen. Tun sie aber nicht. Was bleibt da noch? Klar, trollen. Ich habe so Bock zu trollen, unbändigen Bock, irgendwas zu machen wie, mmmh, sowas wie Fridays for Hubraum. Gnihi. Knaller. Was kostet eigentlich so ein Infinity Van momentan?

Oh. Hallo Serdar.

Nach ganz langer Zeit mal wieder in alten Blogs gelesen. Manche sind tatsächlich immer noch da und das ist sehr gut. Ich bin ja kürzlich Sascha Lobo in der Stargarder Straße vor Hokey Pokey begegnet und habe festgestellt, dass er nicht gut aussieht. Aufgedunsen. Verbraucht. Hier, da schlägt ein mehr als nur Guter in dieselbe Kerbe, lesen Sie mal. Eine meisterliche Schreibe. Ein meisterlicher Blog, immer noch. Der Autor hat mir vor vielen Jahren mal die Gründe erläutert, warum er keine Blogroll hat und auch keine möchte und ich habe das damals nicht begriffen. Ich weiß jetzt was er meinte und er hatte in allem Recht.

Ein anderer, den ich wie alle randständigen Menschen aus prinzipiellen Gründen sehr mochte, ist zwischenzeitlich gestorben. Er war einer, den ich für seine kompromisslose Haltung bewunderte, die oft, eigentlich meistens, nicht meine war, aber das macht ja nix. Er hat die Dinge nun hinter sich gebracht. Mir wird er fehlen. An seiner Statt hätte ich gerne 8.000 nichtssagende kuchen-für-insta-fotografierende Berlinmittemütterblogs verwaisen gesehen.

Ich habe einen Fehler gemacht und kurz mal für einen Vormittag eine Wegwerfhotmailadresse als Kontaktmöglichkeit rechts eingeblendet. Es dauerte nicht lange, dann gingen zwei E-Mails ein. Beides Ermahnungen. Ich dürfe Obdachlosen keinen Alkohol geben, sondern soll denen was Gesundes kaufen. Der zweite Einsender schrieb, das sei ja hier alles furchtbar primitiv und ich sollte mir doch mal besser überlegen, ob ich mein Leben so weiterführen wolle. Yup. Danke dafür. Ich liebe unverlangte Ermahnungen und supersinnvolle Ratschläge. Ich mag das so sehr, dass ich manchmal die Greifswalder Straße runterlaufe und wildfremde Leute frage, ob sie nicht vielleicht einen supersinnvollen Ratschlag für mich haben. Oder eine Ermahnung. Weil ich da so Bock drauf habe, dass ich das unbedingt haben will und mir was fehlt, wenn ich das mal einen Tag nicht bekomme.

Honks.

Pling.

Delete that fucked up button. Sollen sie doch der Caritas schreiben. Oder der Heilsarmee. Oder meinetwegen ihrer Mutter, deren Hund oder dem Penner vor dem Rewe in der Ostseestraße. Nur bitte nicht mir. Ich möchte keine Post von Ratschlägern.

Sie werden auch möglicherweise bemerkt haben, dass ich diese standardmäßigen Clickelifuckbuttons zum Sharen und Liken unter dem Geschmiere endlich neutralisiert bekommen habe. Das war gar nicht so einfach zu finden in den Optionen. Dabei sind sie so sehr überflüssig, wenn es nach mir geht. Sie müssen den Scheiß hier nicht teilen. Oder liken. Echt nicht. Mir ist Aufmerksamkeit immer, überall und sowieso unangenehm.

Am Sonntag, den ersten September, war ich aus Prinzip und weil ich das Zeug gerne mag beim African Food Festival in der Malzfabrik. Teuer war es, pro Essen acht bis zwölf Euro für vergleichbar übersichtliche Portionen, aber gut, auf jeden Fall gut. Sehr schräg fand ich nur die beseelt vor sich hin lächelnden hängengebliebenen ätherischen Hippieomas in afrikanischen Trachten, die auf ihren Birkenstockpantoffeln zwischen den Ständen umherschwebten. Ich glaube, die ganzen Afrikaner fanden die auch schräg. Kein Wunder. Jeder von Verstand wird die schräg finden. Weil sie schräg sind.

Wenn Sie die Mütter Prenzlauer Bergs in Reihe an ihrem Nachwuchs scheitern sehen wollen, dann setzen Sie sich einfach mal auf die Bank eines beliebigen heruntergekommenen Spielplatzes des Bezirks. Es dauert meist nur fünf Minuten, dann scheitert die erste Mutter: Samstag. Ein dummes Kind springt um die Sandburg meines Kindes herum und reißt die Mauer dadurch immer wieder an verschiedenen Ecken ein. Das sieht die Mutter und quäkt: „Moooses, hörst du auf damit? Du sollst das nicht machen, Moooooses, wenn du das machst, geht die Burg kaputt, Mooooses hörst du jetzt auf?“ Skip. Minuten später. „Moooses, du machst die Burg von dem Kind kaputt, Mooooooooooses, jetzt hör‘ doch mal auf bitte, Moooooses, wenn du nicht aufhörst, wird der Papa von dem Kind gleich sehr böse…“ Wow. Mein Prenzlauer Berg. Diese Tröten kriegen erziehungstechnisch nichts durchgesetzt und delegieren ihre Problemzone auf zwei Beinen jetzt auch noch zu mir. Ja, der Papa von dem Kind kann sehr böse werden, aber sicher nicht zu eurem Kind, das am wenigsten euer trauriges Elternversagen kann.

Frage: Wieso muss jemand, dessen Fersen braun, hart und voll dicker ekliger Risse sind, Sandalen tragen und sich dann direkt vor meinen Tisch stellen, an dem ich gerade ein Eis esse. Uargh. Ehrlich, ich verlange ja nicht viel, Fußcreme, Fußpflege, Hornhautfeile, mir egal, lasst sein was ihr wollt, aber ich möchte das nicht sehen müssen. Schon gar nicht wenn ich braunes Haselnusseis esse. Was für eine Optik. Ich habe fast über den Tisch gekotzt. Eruptiv. Konnte das arme schon anverdaute Eis gerade noch wieder runterwürgen. Wie fies. Was für eine fiese Optik.

Blöd: Meinen Grasverticker haben sie hochgenommen, also musste ich wegen spontaner Ebbe in der Kifferbox tatsächlich in den Mauerpark, in dem Sie nach eingebrochener Dunkelheit wie im Görlitzer Park Gras kaufen können. Na gut, wenn ich mir das traurige Tütchen für den Fuffi so anschaue, dann haben sie mich gerippt, aber egal, das Zeug ist THC-mäßig so hochgepitcht, dass ich beim ersten Spliff nach noch nicht einmal zehn Minuten auf dem Balkonstuhl eingeschlafen bin. Insofern kann ich weniger davon nehmen, was den Abripp wieder wett macht. Ich muss eben nur vernünftiger dosieren. Einschlafen bringt’s nicht.

Ich habe mir einen Kräuterverdampfer für Gras gekauft. Das erspart mir den Scheißtabak zum Strecken und das Drehen. Problem ist auch hier die Dosierung: Sie ziehen sich bei so einem Verdampfer das THC quasi 100% in die Lunge, nicht wie beim Spliff, bei dem ein Großteil verbrennungstechnisch in die Lüfte flöten geht. Ergebnis: Ich bin jetzt mehrmals quasi innerhalb von zehn Minuten nach dem Buffen eingeschlafen und erst Stunden später wieder aufgewacht, weil schlicht zu hoch dosiert, zu tief eingeatmet, zu lange in der Lunge behalten. Übung. Übung. Es bedarf mehr Übung.

Als ich bei ’nem Kumpel beim Grillen im Garten besoffen in die Hecke gepisst habe, hat mir eine Mücke in den Schwanz gestochen. In den Schwanz! Blöd, wenn einen die Welt für irgendeinen dahergelaufenen Perversen hält, weil man sich für volle zwei Tage dauernd zwischen den Beinen kratzt.

Dafür habe ich Volker Kauder in der U7 gesehen. Und dann habe ich mich gefragt, wie wahrscheinlich es ist, dass Volker Kauder U-Bahn fährt. Lebt Volker Kauder überhaupt noch? Oder hat die Spinne ihn gefressen?

Zur Musik. Die Onkelz spielen immer noch. Und sie waren in der Waldbühne. Und sie haben eines ihrer besten Konzerte gegeben, bei denen ich jemals war und das waren viele. Durchaus vergleichbar mit dem Hockenheimring vor ein paar Jahren. Und um Welten besser als das lausige Konzert in der Mercedes-Benz-Arena vor, keine Ahnung, knapp drei Jahren.

Als der Song „Heilige Lieder“ gespielt wird, fällt mir wieder ein, dass ich mit 17 Jahren ein T-Shirt mit dem Cover des Albums besessen und einmal in der Schule getragen habe, wonach ich zum Direktor geschickt wurde, der eine Moralpredigt hielt und mir das Tragen des Shirts in der Schule verbot. Und wie immer weckte ein stupides Verbot meinen unbedingten Widerwillen. Zum einen kam ich am nächsten Tag mit freiem Oberkörper und nur einer Jeansweste drüber in die Schule, wonach sie mich für zwei Wochen von der Schule verwiesen haben, und zum anderen wurde die Band für mich als sowieso meistens Randständigem ein festgemauerter Begleiter bis heute. Wer mir von seinem goldenen Balkon aus sagt, dass ich das nicht hören darf, fickt sich bitte selbst. Tief in den Darm.

Das musikbezogen Übergriffige zieht sich wirklich durch. Auf meinen Hauptsache-nicht-Mainstream-Musikgeschmack werde ich bis heute konsequent von Leuten angesprochen. Was ist das denn für eine komische Musik? Du und dein Gebrülle. Das ist doch krank. Das kann man doch nicht hören. Oder gerne auch als abschätzige Frage: Wie kann man das nur hören?

Seltsam aggressiv ist die Stimmung nach dem Konzert, was ich von Konzerten dieser Band so nicht in diesem Ausmaß kenne, aber das ist oft auch bei Konzerten anderer Bands in Berlin so. Berliner Publikum ist allgemein und oft grottig. Brutal. Dumpf. Hässlich. Giftig. Heute stellen sich die Ereignisse jedoch in Reihe. Ein fetter Typ haut einen Ordner um, weil der ihn daran hindern will, an einen Zaun zu pissen, zwei Gruppen streiten sich um ein Taxi, wobei die Frau der einen Gruppe den Typen der anderen Gruppe ein Arschloch nennt, wonach ihr Freund stellvertretend für sie von dem Arschlochgenannten aufs Maul bekommt. Und als ich mit einem völlig überfüllten Bus die Heerstraße Richtung Messe fahre, würgt ein Großmaul ein anderes Großmaul erst und haut ihm dann eine direkt in die Fresse, wonach der zerknirscht den Bus verlässt, um den nächsten zu nehmen. Was war hier los? Mondkonstellation? Kosmische Strahlung? PMS? Oder liegt es tatsächlich an der Stadt? Was stimmt mit Berlin nicht?

Im Übrigen – und das war mir schon vorher klar – gab es während des ganzen Konzerts kein Netz. Vodafone, Telekom, scheißegal, hier ist Deutschland, hier bricht alles zusammen, sobald zu viele Leute in einer Funkzelle sind. Es geht schlicht nix. Komplett abgeklemmt. Jeder. Egal welcher Provider. Erbärmlich.

Was anderes. Der Netflix-Scheißdreck des Monats: Climax. Schlimm. Eine Stunde lang ödes Arthousekinogelaber, endlose durchgeknallte Tanzeinlagen, eine Blondine pisst auf die Tanzfläche und dann töten sie sich gegenseitig. Ich habe irgendwo gelesen, dass das Ding in Cannes groß eingeschlagen hat. Mir scheißegal, ich fürchte nur mal wieder, dass irgendein Kulturstaatssekretär das Ding mit meinen Steuern vollgepumpt hat und da jemand trotzdem seinen Schnitt macht, obwohl der Film plotmäßig, schauspielerisch und ästhetisch einfach vollkommen grauenhaft ist. Und dazu auch noch durchgehend stinklangweilig. Ich habe nebenher lustlos zum scheunentoroffenen Facebookprofil meiner dämlichen Exfreundin onaniert. Dann habe ich ein wenig Gras verdampft und bin eingeschlafen. Es lebe die sinnlose Verbrennung von Zeit.

Netflix-Volltreffer des Monats ist Avengement – Blutiger Freigang. Anderthalb Stunden brutalste Gewalt. Blut, Knochen, stumpfe Gegenstände, Messer, Shotgun. Na endlich. In letzter Zeit jubeln sie mir bei Netflix immer diese Befindlichkeitsscheiße für wachsweiche Schneeflöckchen unter, die ich dann nur zuende schaue, damit die Pisse aus meinem Profil verschwindet. Hier bringen sie endlich mal wieder pure stumpfe Gewalt. Story egal. Typ wird unfair behandelt und nimmt Rache. Mehr muss nicht. Boom. Boom. Zähne raus. Arm ab. Fresse dick. Und Netflix zeigt die komplett unzensierte Version, also jene, bevor die FSK-Bevormunder ganze Szenen für den unmündigen DVD-Markt rausdirigiert haben. Bettnässer.

Und hier die sinnloseste Geldverbrennung des Monats: Das Kind hat es geschafft, dass ich bei der Ritter Sport Schokowelt am Gendarmenmarkt 70 Euro ausgegeben habe. Jetzt sitze ich auf vielen Tafeln Schokolade, davon drei vom Kind selbst hergestellte, zum Beispiel Marshmallow-Knisterbrause-Vollmilch. Würg. Und vier Stücken Ritter Sport-Dickfettsahne-Kuchen. Knaller.

Interessiert es eigentlich irgendwen, wo es das beste Schawarma im Brot in Prenzlauer Berg gibt? Wahrscheinlich nicht, aber egal: Es ist eine kleine Butze namens Nabil am Humannplatz. Ich bin da kürzlich von der Bornholmer kommend des Nachts rübergewankt. Kommt gut um diese Zeit, das libanesische Zeug. Fettig. Soßig. Nahrhaft. Geil. Manko: Sie verkaufen kein Wegpils, nur diese Biolimoscheiße und Ayran, was nachts mit einer halben Flasche Glenlivet im Blut so attraktiv wie eine dieser filzigen Humannplatzmütter ist, also quasi null.

Sehr gut ist auch die sudanesische Kette Safari, die nur einen Facebookauftritt hat, den ich aus Prinzip nicht verlinke, weil Facebook scheiße ist. Sie sitzen unter anderem in der Treptower Karl-Kunger-Straße, in der ich kurz anhielt und aß. Fantastische Falafel, Halloumi, Kafta, Dingsda, Keinplanwiedasheißt. Teller. Satt. Acht Euro.

Dann habe ich mit dem Kind im Laufe des Sommers fünfzehn in verschiedenen Onlineportalen gepriesene, verehrte und ins Weltall gelobte Eisdielen getestet. Die Beste ist tatsächlich in Kreuzberg: Duo. Überbewertet und zu teuer: WoopWoop. Blöder Berlin-Mitte-Hipsterschnöselscheiß mit Stickstoff. Lasst bloß stecken. Außerhalb der Bewertung: Hokey Pokey. Die Besten der Besten der Besten. Sir. Wenn da nur nicht diese hässliche Mischung aus kuhäugigen Touristen und meiner bräsigen Prenzlauer Berg-Bugabooschickeria herumgeiern würde.

Glasklares Schlusslicht: Eine neue Eisdiele oben auf der Stahlheimer Straße neben Terra Sarda. Name vergessen. Weil schlimm. Die Hälfte der Eissorten nicht da. Die Hälfte der Eisbecher auch nicht. Und dann ersäufen sie ihr Zeug in viel zu viel Sirup. Barks. Das Eis darunter ist null bemerkenswert. Und Service können sie auch nicht. Vertauschen alle möglichen Dinge. Bringen das Falsche, anderes gar nicht. Können zuletzt nicht rechnen. Drei junge Leute aus – ich tippe mal wieder auf Spanien, weil sie nur Englisch sprechen – haben sich hier völlig übernommen. Das wird nix. An so einer blöden Ecke kann man nur überleben, wenn man außergewöhnlich ist. Besser ist als die anderen. Und eine Nische besetzt. Nicht banales Allerweltseis an den Start bringt und das auch noch schwach umsetzt. Während um die Ecke in der Stargarder ein Laden namens Hokey Pokey Magie betreibt. Und jetzt kommt der Herbst. Kalt. Eis doof. Das überleben die nicht. Sorry.

Dort habe ich gegessen:

Wirtshaus Moorlake, deutsche Küche, Zehlendorf: Auf dem Weg von der Biosphäre Potsdam, die man mit einem an der Pubertät noch nicht ganz kratzenden Kind durchaus noch besuchen kann, bevor es solche Papa-Events absehbar zum Kotzen finden wird, dort im Düppeler Forst vor der Pfaueninsel in einem Waldlokal gelandet, in dem gruselige Zehlendorfer Mumien im Biergarten unbeachtet vor sich hin verwesen. Vergessen Sie das Lokal. Furchtbar. Ich habe 22,90 für ein frech winziges, geschmacklich belangloses Wiener Schnitzel mit einem gruseligen eiskalten Majonnaisekartoffelsalat und Fertigpreiselbeeren, 6,80 für ein Schälchen viel zu sahnige Suppe, 8,90 für ein bierdeckelgroßes Kinderschnitzel mit brackigen, in komischem Fett gebackenen Mehlpommes und 4,90 für ein lausiges Krombacher bezahlt. Auf das Bier haben sie mich zwanzig Minuten warten lassen und die Kartenzahlung zuletzt machen sie mir so schwer wie möglich. Erst seufzt der Kellner affektiert, dann bittet er mich vor die Türe und lässt mich dort mit Karte in der Hand zehn Minuten warten, bis er schließlich doch noch mit einem uralten Kartengerät angeschlurft kommt, zu dessen Geschwindigkeit eigentlich nur noch eine Kurbel fehlt. Hallo Deutschland, deine Bargeldloskomplexe. Mal wieder. Papierne Euroschecks hätten sie vermutlich ohne Schikanen akzeptiert. Ich bin froh, dass ich nicht gefragt habe, ob ich mit dem Smartphone bezahlen kann, vermutlich hätte der ältere Herr einen Schlaganfall, einen Hörsturz und Gicht davon bekommen. Und weil das an Nervigkeit nicht reicht, erklärt mir der Kellner bei meiner zweiten Bierbestellung ungefragt, natürlich, dass er ja seit Jahren keinen Alkohol mehr trinkt. Weil es gesünder ist. Was mich nicht interessiert. Weil er mir egal ist. Ja, danke. Schlimm hier. Und teuer. Ich komme sicher nicht noch einmal hier vorbei und wenn, dann nicht in dieses Lokal.

Rissani, marokkanisch, Kreuzberg: Seid ihr verrückt? Was für Portionen. Wer soll das alles denn essen? Und das zu dem Preis? 3 Getränke, ein riesiger Teller Zeug für zwei Personen für 12 Euro. Wie geht das…? Guter Laden.

Burger Zimmer VI, Burger, Prenzlauer Berg: Ich hielt das Ding erst für so eine Dutthipsterfranchisekette, aber gefehlt, das sind Türken und die Burger sind halal, was erklärt, warum mir ausgerechnet der freundliche Moslem von Arbeit das Ding empfiehlt. Kein Neulandkack. Kein Fair Trade-Prolete. Perfekte Dinger machen die da. Fallen nicht auseinander, kein Stück Inhalt fiel auf den Teller. Geschmacklich weit vorne. Sauber.

Michelberger Restaurant, Businesslunch, Friedrichshain: Das war groß. Für 12 Euro bekommen Sie ein Tablett voll mit Salat, Vorspeise, Hauptgang, Dessert und einen Kanten gutes Brot. Sehr freundlich, leicht gehoben und bemerkenswert gut. Danke, Georg.

Lutter & Wegner, deutsche Küche, Mitte: Zur chronischen Superschnöselparade schrieb ich schon jenes. Essen groß. Sonst mau. Der Service zeigt Schwächen. Wenn Sie das Glück haben, heute mal nicht die übertrieben bornierten Exponenten zu erwischen, die sich für Gottes Geschenk an den Gast halten, haben Sie deren kein Stück standfeste Kolleginnen und Kollegen, was sich bei der erbetenen Empfehlung für die Weinbegleitung entblößt. Beim Weißen werde ich profan vor die Wahl „viel Säure“ (Riesling) und „wenig Säure“ (Sauvignon Blanc) gestellt und der hauseigene Lutter & Wegner-Weißwein steht gar nicht erst zur Disposition. Okay, so weit wäre sogar jeder Berlin-Abiturient ohne Beratung gekommen.

Als ich zum Ende der Dinge einen Käseteller bestelle, bricht angesichts meiner Frage, welchen Käse ich denn nun genau auf dem Teller habe, operative Hektik aus. Die erste Nebelkerze „Ach, das weiß ich nicht, das ändert sich ständig.“ toleriere ich nicht und insistiere. Nach fünf Minuten stellt sich heraus, dass niemand der ungefähr sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inklusive Koch sagen kann, was für ein Käse sich auf dem Teller befindet. Ich verstehe zuletzt, dass man mit der finalen Antwort „Also da ist einer aus dem Chiemgau, einer aus dem Allgäu, einer aus der Schweiz und einer aus Münster“ das Gesicht wahren will, bedanke mich und tue glaubhaft so als würde ich mich über die Antwort freuen.

Zuletzt wird die Bitte nach der Rechnung ignoriert. Das passiert mir häufiger und liegt somit wahrscheinlich an mir. Vielleicht nuschle ich. Oder spreche zu leise. Winke zu defensiv. Oder alles was ich sage wird als ironisch interpretiert und daher nicht ernst genommen. Wer weiß das schon. Wurscht. Ich komme trotzdem gerne wieder her, denn das Essen ist gut und das Schnöselkucken und vor allem -hören ist sensationell unterhaltsam. Wer einen Roman schreiben will, findet hier seinen Stoff. Und wer Scheißdreck in seinen Blog schreibt, dem geht der Scheißdreck zum Schreiben nie aus. Und kann nebenher sehr gut essen.

Wirtshaus zum Mitterhofer, südtiroler Küche, Kreuzberg: Empfohlen von dort. Überzeugt hat mich das nicht. Leider. Dunkler ungemütlicher Gastraum mit ungemütlichem wackeligem Mobiliar. Auf den Teller kam ein irritierend brackiges Schnitzel, das in zwielichtigem Fett gebadet wurde, eine so gnaden- wie lieblos voll durchgebratene Entenbrust und ein außergewöhnlich fettiger Schweinebraten, dessen Fett zwar vom langen Schmoren geliert ist, aber einfach zu reichlich daherkommt, um gut zu sein. Dafür sitzen Sie 20 Minuten vor leergefressenen Tellern ohne dass sich jemand für Sie interessiert und alles das ist mit knapp 20 Euro pro Hauptgericht einfach zu teuer als dass ich hierfür noch einmal nach Kreuzberg fahre. Für Schnitzel und so gehen Sie besser hier hin.

Vergessen Sie für einen ordentlichen Biergarten im Übrigen den Prater in Prenzlauer Berg. Den diesjährigen Sommer mit viel Bier, Burger und Schnaps verabschiedet habe ich in der Moabiter Freiheit. Sie haben Büble statt Kindl. Und Burger statt Currywurst. Danke dafür. Und danke für den Tipp.

Das war der September. Mehr war nicht.