Die Aktivisten sind wieder empört

Voll geil. Diese Zeit ist einfach voll geil. Moralinsaure Moralisten überall. Aktivisten wollen dies. Aktivisten wollen das. Hin. Her. Hoch. Runter. Ding. Dong. Und ich stehe amüsiert im Raum. Es ist ein Fest für Trolle. Ein Galadinner für Stresser. Ein innerer Scheißparteitag für an die Schienbeine Pisser. Wenn Sie hypereifrige Aktivisten ärgern wollen, dann geht das inzwischen ganz einfach. Malen Sie Geschlechtsorgane irgendwo hin. Wie früher in der Schule auf die Bank. Oder auf das Klo. Penis. Penis. Titten. Noch mehr Titten. Und alle rasten aus. Inzwischen reichen sogar freie Oberkörper irgendwo auf einem Plakat und Twitter dreht durch. Alerta Alerta, da hat einer Penis gesagt. PENIS! Hashtag! Retweet!

Ich dachte vor ein paar Jahren mal, die Welt könne nicht bekloppter werden, doch das war ein Irrtum. Ein Trugschluss. Ich habe das nicht zu Ende gedacht und angenommen, die menschliche Blödheit sei auf einen bestimmten unverrückbaren Sockel limitiert und könne nicht ins Unendliche gesteigert werden, aber das stimmt nicht. Sie werden von Jahr zu Jahr blöder. Lauter. Kreischender. Und verrückter.

Was da mit erhobenem Zeigefinger dasteht und krakeelt, ist nicht weniger als der neue Klerus. Viktorianisch. Prüde. Bitterernst. Sie haben die alten, lahmenden Presseorgane in ihrem Bataillon, die öffentlich-rechtlichen Anstalten, aus dem Gebührenaufkommen querfinanzierte YouTube-Kanäle, lassen ihre Kritiker blocken und haben sich, damit das einfacher geht, dafür sogar ein Gesetz zimmern lassen. Und bis zum Zäpfchen privilegierte Premiumautorinnen mit Fangirls im Kometenschweif rennen medienwirksam in den Supermarkt und räumen Regale um, auf dass ich mein ejakulatartiges sexistisches Fruchtpüree nicht mehr finde und doch bitte auf das turbokapitalistische Konkurrenzprodukt von Coca Cola umsteige, was quer durch die etablierten Portale fürsorglich beklatscht wird.

Ihr seid so doof.

Ihr seid alle so doof.

Meine Güte was seid ihr doof.

Jedem mit einem Funken rebellischem Geist macht es im Moment reinste ehrliche klammheimliche Freude, euch zu stressen, zu nerven, zu trollen, die Dinge, die man nicht tut, extra zu machen. Ja, bitte, nehmt euch die Zeit und räumt die Flaschen der kleinen Bonner Fruchtsaftklitsche rüber zu den Eiweißriegeln oder unter die Bananen, weil ihr nicht wollt, dass ich das trinke, doch ich werde das Zeug auf jeden Fall finden und damit hinter euch an der Kasse stehen und euch ins Gesicht strahlen, ihr Nixblicker, denn wenn ich etwas mehr als alles andere hasse, ist es, wenn mir jemand vorschreibt was ich zu tun habe, ohne mich dafür mit einem Monatsgehalt zu bezahlen. Was ihr da tut weckt unmittelbar, vollkommen automatisch und ohne dass ich das irgendwie steuern könnte meinen Widerwillen. Es ist absolut unvermeidbar, dass ich genau das tue, von dem die Moralapostel, Kleriker und diese neue superkorrekte elitäre Medienblase nicht wollen, dass ich es tue. Einfach aus Spaß. Und nur aus Spaß. Nicht um zu zeigen, dass das hier immer noch ein freies Land ist, in dem Eiferer eben nicht die private Agenda des Einzelnen bestimmt dürfen, gut, das ist ein Nebeneffekt und auch vollkommen folgerichtig, sondern ich mache das nur aus Spaß. Immer anders als die da von mir wollen. Weil ich es kann. Und darf. Und will. Weil ihr den Stinkefinger so sehr hasst und ich den so mag.

In meinem Büro läuft gerne mal Minderheitenmusik aus der Bluetoothbox. Coldwave. Gothicrock. Neofolk. Brandenburger Punk. Oi. Satyricon. Amon Amarth. Die guten alten Jungs von Slayer. Und Böhse Onkelz. Said what? Huhu. Aber doch nicht die. Darf man nicht hören. Geht gar nicht. Haben mir die letzten knapp 20 Jahre verschiedene Leute gesagt. Geht nicht. Weil die rechts bedienen. Auch wenn ich von denen noch nicht ein rechtes Statement zu irgendwas gehört habe. Aber das spielt keine Rolle, es reicht, dass sie mit süßen 17 Jahren in der Szene waren und da helfen auch satte 30 Jahre an Distanzierungen nicht mehr. Man darf die nicht hören. Die gehen gar nicht. Sagen mir Leute. Seit der Schule schon. Unaufgefordert. Ohne dass ich sie vorher gefragt habe, ob ich diese Band hören darf. Oder sie zu Bewertungen meiner Angelegenheiten aufgefordert habe. Und ohne dass ich ihren Senf zu irgendwas überhaupt generell haben möchte. Nein. Sie kommen einfach daher und sagen, was zu tun ist. Was man tut und was nicht. Andere Musik hören. Anderen Fruchtsaft trinken. Auto abschaffen. Vegan essen. Nicht mehr fliegen. Zu Alnatura statt zu Lidl gehen. Dieter Nuhr nicht mehr schauen. Keine Drogen nehmen. Keinen Alkohol mehr trinken. Ursula von der Leyen toll finden. Und bitte meine Sprache gendern. Wegen, keine Ahnung, Awareness.

Ich höre meine Musik natürlich trotzdem. Weil ihr mich – na klar – alle am Arsch lecken könnt. Das ist doch nur logisch. Wie sieht das denn aus, wenn ich einknicke und die Musik nicht mehr höre, die ich mag, nur weil ihr das wollt. Echt jetzt. Würdet ihr das tun? Nicht mehr Max Giesinger, Jennifer Rostock oder Bosse hören, nur weil ich die alle eine grässliche Zumutung finde?

Was seid ihr doof. Unendlich doof. Ihr erreicht mit diesem ständigen penetrierenden dauerempörten unendlich abgehobenen Geblöke genau das Gegenteil: Euch eigentlich grundsätzlich mal zugeneigte Leute wenden sich ab, wählen eure Parteien nicht mehr, lachen beim Bier über euren verkopften Scheiß, feixende Trolle stressen euch in die Schnappatmung und die vollkommen Frustrierten wählen seit Neuestem sogar rechts, weil das offenbar das ist, mit dem man euch am allermeisten ärgern kann und ihr merkt das alles nicht, sondern twittert munter weiter eure Moralinsäure in die Welt als gingen die Zehnerjahre, in denen ihr die uneingeschränkte Lufthoheit über alle Ressourcen hattet, nicht bereits in ein paar Monaten schon zuende.

Inzwischen ist plakativ kalkulierte Unkorrektheit ein Stilmittel in der Werbung, mit dem sich unter Verwendung der Social-Media-Empörungskloake in kürzester Zeit die Zuneigung der angekotzten Mehrheitsgesellschaft gegen die pikierte Moralelite gesichert werden kann. Sie wollen mehr Produkte verkaufen? Das geht ganz einfach. Drücken Sie ein paar Knöpfe, bei denen die üblichen blasierten Twitterinfluencer sofort an die Decke gehen. Daraufhin berichten alle gängigen Onlineportale mit Reichweite darüber, wie schlimm Ihr Produkt ist und nennen dabei Ihren Namen. Kostenlos. Über Tage. Das steigert Ihren Umsatz. Sofort. Weil Ihr Produkt plötzlich irrwitzigerweise zu einem Symbol gegen die da oben geworden ist, die ihre limitierenden Moralvorstellungen in die Alltage drücken wollen und damit gerade im letzten Jahrzehnt so erfolgreich waren, dass diese Gestalten und ihren Kodex jetzt kein normaler Mensch mehr sehen kann.

Ihr seid so doof. Was ihr nicht merkt ist, dass die Dinge bröckeln. Auf die Gängelung durch eine selbstherrliche Obrigkeit hat die Mehrheit nicht den Hauch von Bock und reagiert darauf im Moment mit vielen Dingen, die ihr gar nicht seht. Geht doch mal wieder in eine verrauchte Kneipe, hinten am Bahnhof zum Späti auf ein Bier an eine dieser speckigen Stehtonnen oder auf so ein garantiert unveganes Dorfest außerhalb des S-Bahn-Rings, auf dem der Pöbel feiert, dessen Lebensstil ihr so leidenschaftlich verachtet, aber das könnt ihr gar nicht, weil ihr gar nicht wisst wo der Pöbel überhaupt zu finden ist. Lieber sitzt ihr feist und satt auf eurem begrünten Balkon über Berlin-Friedrichshain, Ingwer-Zitronengrastee auf dem Tisch und einen getrockneten Apfelschnitz in der Hand, während der Pöbel unten bei 32 Grad die Straße neu teert. Euren Bürgersteig pflastert. Eure Couscousbrösel für euer Taboulé in den Bioladen liefert. Und euren Wohlstandsmüll zur Deponie fährt. Um danach mit dem Regionalexpress wieder raus nach Brandenburg zu fahren. Sprecht doch mal mit einem von denen. Die hassen euch alle inzwischen. Und ihr merkt nichts da oben auf eurem Balkon, auf dem ihr alt werdenden Vetteln vor dem Macbook immer noch wie 2010 über dem nächsten Hashtag für die neueste Empörung brütet. Und von wo aus ihr nicht seht wie sich der Wind dreht, wie eure Onlinekampagnen nicht mehr verfangen, die Leute sich ermüdet bis angewidert abwenden nach der hunderttausendsten beliebigen Empörungswelle, die aus irgendeinem Grund immer noch jedes Mal tagelang durch eure angeschlossenen Funkhäuser genudelt wird.

Als wäre immer noch 2010.

Was ihr auch nicht merkt, weil ihr die alle geblockt habt: Unter eurem Radar hat Rechts dazugelernt. Massiv. Erfolgreich. Professionell. Und seit neuestem reichweitenstark. In kürzester Zeit. Kommt jetzt young, fresh, urban, hip daher. Ist frech. Naseweis. Bärtig. Trägt Hoodie. Und verarscht euch. Macht sich lustig. Über die Bräsigkeit. Das Superkorrekte. Klerikale. Glückwunsch. Alles falsch gemacht. Da habt ihr sie. Das ist jetzt eure Opposition. Der Protest gegen euch. Da nutzt auch euer Löschen nix. Die laden das einfach neu hoch, vernetzen sich über Telegram, vk, dtube, reddit, alles Orte, an die ihr nicht rankommt, während ihr immer noch emsig Löschanträge bei YouTube stellt, als würde das Löschen irgendwas bringen, außer sie zu Zensurmärtyrern zu machen, was ihnen jedes Mal noch eine Schippe mehr Anhänger sichert, die inzwischen nicht mal halb so alt sind wie ihr und Oberlehrer samt Bräsigkeit schon seit der Schulzeit nicht leiden können.

Und sonst? Ideen? Neues? Nein, ihr seid wie immer. Eure Kanäle sind fad, eure Stellungnahmen in eurem Verwaltungsgenderdeutsch ein Elend und eure immergleichen hysterischen Choreographien abstoßend routiniert, alles nur wohlfeile Empörungsrituale, für die sich außerhalb eurer Blase niemand mehr interessiert. Ihr schmeckt säuerlich. Vergoren. Giftig oft. Ihr seid nicht hip. Nicht frech. Und schon gar nicht mehr jung. Ihr seid lame. Spießig. Öde. Ihr seid der Klerus auf dem goldenen Balkon, der jede kleine Frechheit übel nimmt, weil Frechheit gegen die Linie verstößt. Wie konnte es passieren, dass sich die Dinge so umkehren? Wann ist euch das entglitten? Und warum verkauft sich Rechts jetzt als der hippe Protest gegen euch, die ihr in den Clubsesseln der Schaltstellen sitzt? Und warum fällt ihnen das so leicht? Und euch nichts dagegen ein?

Ach, egal. Ihr macht eh so weiter wie ihr es immer gemacht habt und schießt euch sukzessive selbst auf die Auswechselbank, was rege ich mich eigentlich auf. Trullala. Ich sitze in meinem Kasperlebezirk und habe besseres zu tun. Ich muss mir mal wieder ein schönes Stück fette alte Kuh auf den Balkongrill legen. Es hat knapp ein Kilo und wurde mir aus Spanien geliefert. Mit dem Flugzeug. Oder dem Laster. Mir egal. Und das muss heute auf den Grill, weil mich meine dämliche sauerkrautköpfige Nachbarin, die uns vor einiger Zeit das Fridays for Future-Plakat ins Treppenhaus gehängt hat, gestern in jenem Treppenhaus schon wieder ungefragt darüber informiert hat, dass vegane Ernährung mir helfen würde, im Laufsport bessere Ergebnisse zu erzielen. Weil Fleisch meine Arterien verstopft, was zu einer schlechteren Versorgung des Hirns und der Lunge führen würde, so dass ich nicht so schnell rennen kann wie ich könnte. Sie sehen: Sie gibt nicht auf. Missioniert mein Hirn zu Brei. Fängt immer wieder davon an. Und ich finde sie immer noch so kacke, dass es quietscht. Lieber sterbe ich ein paar Jahre früher als ihren superkorrekten faden Seitanscheiß zu fressen.

Zum Fleisch werde ich mir ein Bier aufmachen. Ich habe mir ein paar Kästen davon auf den Balkon gestellt, bevor aktivistische Autorinnen, Dozentinnen, Journalistinnen und Regisseurinnen aus dem Elfenbeinturm eine neue Empörung ausrufen und bei Rewe die Bierflaschen unter den Kohlköpfen verstecken, auf dass die Schäfchen lieber ChariTea kaufen. Weil das viel gesünder ist als Bier. Und so superkorrekt. Plopp. Ein Tyskie auf euch Vetteln. Weil ihr alle so richtig schön doof seid.