Disneyland Paris

Disneyland Paris. Wenn die blöden bärtigen Terroristen eines erreicht haben, dann ist es die Tatsache, dass unser Leben nerviger geworden ist. Unfreier. Gegängelter. Paranoider. Allein beim Einchecken ins Hotel werde ich zwei Mal abgetastet, flughafenesk gescannt und meine Tasche wird geöffnet und nach Bomben durchsucht. Das wiederholt sich jedes Mal, wenn ich zum Auto gehe. Das wiederholt sich nach meiner Laufrunde. Auch vor dem Betreten des Parks ist dies notwendig. Jeden Morgen tasten sie mich und das Kind ab. Damit keiner Micky Maus in die Luft sprengen kann. Paris ist sehr paranoid geworden. Europa ist paranoid geworden. Die Welt ist paranoid geworden. Die Terroristen haben gewonnen. Wir haben das, was wir waren, aufgegeben. Sind eingeknickt. Haben die Freiheiten rasiert. Gängelung folgt auf Gängelung.

Als ich Disneyland schließlich betreten darf, sehe ich erwachsene Männer, die schwarze tellergroße Plüschmäuseohren auf dem Kopf tragen.

Einmal Mäuseohren für debile Erwachsene kosten 14,99.

Ich sehe auch alte vertrocknete Frauen in rosa Dornröschenkostümen, die verzückt durch den Park gleiten. Sie blicken verklärt in die Welt wie Prenzlauer Berg-Mütter vor einem neuen Yogastudio.

Viele Frauen glauben an überfüllten Orten tatsächlich, dass, wenn sie sich nur offensiv genug an mich randrücken, ich ihnen meinen prominent schönen Stehplatz mit perfektem Blick auf ein Event überlasse, einfach weil sie Frauen sind. Konzerte, Karneval der Kulturen, Disneyparade, egal, immer gibt es mehr als eine, die es versucht. Und sie schauen dann gerne völlig irritiert, wenn ich ihnen nicht den Platz überlasse, sondern ihnen das nicht gestatte was ich auch keinem Mann durchgehen lassen würde. Ich mag mich nicht von meinem Platz nach hinten wegdrücken lassen. Und es gibt sowieso keinen Prinzessinnenbonus bei mir. Gab es nie. Wird es nie geben. Tut mir ja leid.

Huhu. Es gibt richtig hässliche Kinder. Wirklich. Richtig. Hässliche. Kinder. Darf man nicht sagen. Und auch nicht schreiben. Ist trotzdem so.

Fremde hässliche Kinder, die Ihnen in der Warteschlange hinten am Gürtel hängen und Ihnen das Eis auf die Arschbacke der Jeans schmieren, scheißfreundlich lächelnd auf Deutsch mit „Fall doch bitte tot um“ anzusprechen, geht nur so lange gut, bis Sie an eine Familie aus dem Sauerland geraten, die daraufhin glotzt wie Kühe. Egal. Alles egal. Ich bin aus Berlin, ich habe kein Niveau. Deutschland weiß das.

Es sind fremde, hässliche Kinder, deren Väter mit ihnen an der Hand an mir vorbeirennen, um vor mir an der Schlange für das Eis zu sein, um dann für die ganze Gruppe, die am Tisch sitzt, 14 Portionen an Eisbechern ordern, was so lange dauert, dass ich das Feld räume und woanders ein Eis mit Stiel kaufe. Mögen die Kinder, denen so etwas vorgelebt wird, solche Väter bei der ersten Gelegenheit in ein möglichst billiges Heim abschieben. Denn sie haben das verdient.

Disneyland besteht sowieso aus sozial inkompatiblen Vätern, die andere Väter mit den Ellenbogen aus den Warteschlangen drücken wollen, und hysterischen Müttern, die in vierzehnhundertfünfzig verschiedenen Sprachen brüllend ihre blökenden Kinder an der ganzen Schlange vorbei hinter sich her ziehen, um sich vorne einzureihen. Es ist ein Patienenlager üblen Benehmens und ein darwinsches Survivalcamp. Drücken Sie mit oder Sie werden gedrückt. Sie glauben an Gerechtigkeit? Rücksicht? Miteinander? Überhaupt Anstand? Fahren Sie nach Disneyland und werfen das über Bord. Alles das funktioniert nur, so lange es keine Verteilungskämpfe um knappe Güter gibt. Und in Disneyland sind die Güter knapp, weil zu viele Menschen zu wenige Fachgeschäfte nachfragen.

Ich sehe eine Mutter, die kreischend einem Studenten im Plutokostüm durch die Hotellobby hinterher rennt. Pluuuuuuuutoooooooooooooo!

Ich würde das nicht glauben, hätte ich nicht genau das gesehen und vor allem gehört. Pluuuuuuuutoooooooooooooo!

Ihr Kind versteckt sich hinter einer Ecke, weil die Mutter so unfassbar peinlich ist.

Komplett blinde Kinder kreuzen im völlig überlaufenen Frühstücksraum sekündlich meinen Weg und es bedarf bestmöglicher Reflexe, um Kollisionen mit ihnen zu vermeiden und nicht hernach den Inhalt des ganzen Frühstückstellers nebst Kaffeetasse im Raum zu verteilen. Diese blöden blinden Bälger, denen wieder einmal keiner irgendetwas Sozialverträgliches beigebracht hat, einfach stumpf auflaufen zu lassen wie den gegnerischen Stürmer aus der Kleinfeldkneipenliga, damit sie lernen, dass die Welt nicht aus ihnen alleine besteht, ist leider nicht politisch opportun.

Ich liebe auch Gruppen von dicken Matronen mit Kinderwagen sehr, die den engen Gang dicht machen, um gemeinsam ungerührt davon, dass niemand ihren gesperrten Checkpoint passieren kann, strategische Dinge zu eruieren. Nein, im Ernst. Ich liebe die nicht. Ich hasse die. Ich möchte, dass ein Meteorit vom Himmel fällt und sie tief in der Erde versenkt.

Ich sehe viel zu dicke Menschen an viel zu dicken Buffets, die viel zu dicke Dinge in sich reinstopfen. Rippchen. Schweinebraten. Stapelweise Bratwurst. Manche Adipöse, deren Bestatter für den Sarg in fünf Jahren vermutlich ganze Mammutbäume zersägen werden müssen, tragen drei Teller voller Fett auf einmal zum Platz. Ins Auge fällt: Der Europäer an sich ist zu dick. Im Querschnitt. Leider zu dick. Oft schon als Kind. Das liegt auch an obszön überladenen Buffets wie hier in den Hotels. An dieser schieren Unmenge an Essen, das niemals alles vertilgt werden kann. Was machen die mit all den Resten? So viele Schweineställe zum Verfüttern kann es in der Umgebung gar nicht geben. Sie werden es also alles wegwerfen. Oder der Typ dahinten, bei dem ich wundere dass der drahtige Stuhl ihn aushält, nimmt es mit einem Tieflader als Mitternachtshäppchen mit. Nein, ich verstehe diese Mengen nicht, die sie in sich reinschaufeln. Ich möchte das auch nicht verstehen müssen. Was bringt das?

Ich sehe jeden Morgen verschiedene Mütter an verschiedenen Tischen verstohlen verschiedene Stullen schmieren und einpacken. Für Mittags. Es ist so: Sie überleben die Halbpension nicht ohne auch mittags zu fressen.

Zwei Inder diskutieren vor mir mit einen angestellten Patientenbetreuer über das Verbot, kleine Kinder, die noch nicht einmal laufen können, mit in die Achterbahn zu nehmen. Sie sehen das Verbot nicht ein und der Patientenbetreuer hat so viel Geduld mit ihrem Geseier, dass nichts voran geht. Also stehe ich zehn Minuten herum und höre leidlich auf Englisch keifenden Indern zu, wie sie einem leidlich auf Englisch argumentierenden Franzosen von der Notwendigkeit einer Achterbahnfahrt für Zweijährige überzeugen möchten. Und ich möchte sie dafür gerne mit den Füßen an die Achterbahn binden. Einen vorne, einen hinten. Denn sie sind debil.

Als ich schließlich auf dem Weg zur Achterbahn bin, sehe ich einen der Inder seinen Zweijährigen durch den Holzzaun in die Warteschlange schmuggeln, der ihm von seiner nicht weniger debilen Frau gereicht wird. Natürlich wird das bemerkt und es entsteht wieder Bohei. Ich könnte dort in Disneyland nicht arbeiten. Sie würden mich entlassen, weil ich schon zwei Minuten nach Dienstantritt einen dieser unfassbar dummen aus der ganzen Welt hierher nach Disneyland gekoteten Halbhirnzombies in den See geschmissen hätte.

Ich leide mit den prekären Studenten in ihren bei diesen Temperaturen sicherlich viel zu warmen Disneycomicpuppenkostümen. Ich war vor vielen Jahren, bevor ich entschied, etwas zu lernen, mit dem ich mit weniger Aufwand mehr Geld verdienen kann, auf der Berliner Tourismusmesse ein Lufthansavogel, der schwitzend unter einer Schnabelmaske Bonbons an Kinder verteilen und dabei Faxen machen musste. Furchtbar. Ein zum Schämen blöder Job. Scheiß Kinder. Scheiß Bonbons. Scheiß Kostüm. Scheiß Hitze. Scheiß Schweiß. Scheiß Billiglohn. Niemand sollte so etwas machen müssen.

Ja. Schweiß. Wie kann man schon früh am Morgen so nach Schweiß stinken wie der Typ vor mir am Buffet? Warum geht der Affe ungeduscht zum Frühstück?

Wäre ich der Koch oder besser der Zubereiter oder Backofenknopfdrücker der 11,99 Euro teuren lächerlich winzigen Billiganalogschrottkäsescheißpizza, die sie hier verkaufen, würde ich mir jeden Tag den Arsch weglachen über Typen, die den Schrott vor lauter Hunger kaufen und dafür knapp eine Stunde anstehen.

Und nein, Disneyland, ich zahle keine neun Euro für ein profanes Kronenbourg-Bier.

Gechlortes Wasserhahnwasser schmeckt so scheiße, dass ich für fünf Euro eine Flasche stilles Wucherwasser kaufen muss. Es ist ein Aussaugen, ein Auslutschen. Sie nehmen zumindest für den Toilettengang kein Geld, aber das vermutlich nur deswegen, weil hier Frankreich und nicht Deutschland ist. In Deutschland haben sie auf irgendwelchen Gründen durchsetzen können, dass wir überall 50 Cent für jedes Pissen bezahlen. Kriegen Sie in Frankreich nicht durch. Die Bauern würden mit Treckern die Autobahnen besetzen, die Fernfahrer die Hauptverkehrszugänge nach Paris und die Studenten würden Barrikaden bauen. 50 Cent fürs Pissen durchzusetzen klappt nur in Deutschland. Nur dort kriegen sie so etwas durch und jeder macht mit.

In Disneyland bedienen die schwarzen Menschen die reichen Weißen, die sich den Aufenthalt hier leisten können. Schwarz bedient, Weiß wird bedient. Wenige Ausnahmen. Und nein, ich werte nicht. Ich stelle nur fest.

Die Franzosen, die neben mir im abgedunkelten Restaurant über Minuten mit dem Smartphoneblitz durch den Raum hirnkrüppeln, verstehen mein zärtlich rübergehauchtes „You suck ass so much“ nicht und grinsen debil. Wahrscheinlich halten sie es für ein Kompliment für das Verziehen ihrer hässlichen Kinder, vor denen quäkende Zeichentrickfilme auf dem Smartphone laufen. Die Kinder werfen das Besteck durch die Gegend und brüllen dümmlich dümmlichen Dummscheiß in den Raum, während ihre Erziehungsversager hilflos dazu lächeln. Völlig klar: Hier sitzen die Eltern des Jahres. Natürlich neben mir.

Ich würde den Disneylandfamilien sogar Prenzlauer Berg-Mütter als Gesellschaft vorziehen und die sind schon maximal sozial inkompatibel.

Eine junge Frau trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Me? Wrong? Never!“ und bringt damit das Lebensgefühl ihrer Generation punktgenau zum Ausdruck. Ich finde es gut, wenn sie die Dinge vorher sagen. Stellen Sie sich vor, Sie heiraten so etwas aus Versehen und ahnen nichts.

Eine sehr mopsige Frau mit zwei Tellern mit absurd hohen Fleischstapel läuft mit der Aufschrift „I am awesome!“ herum. „No! You’re not!“ möchte ich rufen, tue es aber natürlich nicht, weil auch Seelchen ohne jede Selbstreflexion nicht einfach mit der Wahrheit konfrontiert werden dürfen. Das gehört zum Zeitgeist. Folklore der Zehnerjahre werden sie das mal nennen. Fällt unter Empowerment. Praktizieren sie hier in Berlin bereits in den Schulen. Anything goes. Jeder ist toll. Alle sind super. Sie sind fett und Ihre Gelenke werden Sie bald umbringen? Nein, Sie sind wunderschön, bleiben Sie unbedingt so wie Sie sind. Sie sind ein unverschämtes lautes Balg? Sehr gut, Sie verwirklichen sich selbst. Und Noten für Betragen sind Faschismus. Was? Körperverletzung? Sachbeschädigung? Neuköllns Clanmafia? Hier, bitte sehr, hier ist Ihre Zelle. Mit Flatscreen. Internetzugang. Vollwertkost. Und Freigang den Tag über. Und wer sind Sie? Ach, Sie haben nichts Brauchbares gelernt? Bitte, hier ist Ihr Lehrstuhl für irgendwas mit Gender. You all are so fucking awesome.

Mein Kind findet es unfair, dass Disneyland in Paris und nicht in Berlin steht. Ich hingegen finde das vollkommen fair, denn so etwas Monströses wie Disneyland können Sie in Berlin sowieso nicht bauen. In Berlin haben wir schon für jede kleine Innovation Bedenkenträger in Armeestärke, sofort eine Bürgerinitiative mit verfilzter Medienlobby mit ihren scheiß Unterschriftenlisten, irgendwelche gut politvernetzten schlonzigen Umweltschützer, die immer einen brütenden Lurch oder eine schwangere Eule aus dem Hut zaubern, und zuletzt die satten Senatsversager, die alle Ideen mit Ambitionen, die mal nichts mit Fahrrädern, Gender und Vegetariern zu tun haben, zuverlässig in die Nichtumsetzbarkeit zerschlumpfen. Sie wollen in Berlin was reißen? Gehen Sie lieber nach Paris.

Es gibt bald acht Millarden Menschen auf der Welt und die meisten davon wollen in Disneyland Achterbahn fahren. Wenn Sie überhaupt irgendwas hier fahren wollen und wenn es nur die bräsigen sich drehenden Teetassen sind, brauchen Sie einen FastPass. Besser noch einen SuperFastPass. Oder am allerbesten einen UltraFastPass. Für 150 Euro. Pro Person. Pro Tag. Für mich mit Kind kosten die drei Tage 900 Flocken. Was? Können Sie sich nicht leisten? Dann warten Sie doch bitte Ihre zwei Stunden auf eine 60 Sekunden-Fahrt Rollercoaster. Oder essen bitte Kuchen, wenn Sie kein Brot haben, meine Güte. Feudalismus olé. Haste nüscht biste halt nüscht.

Der UltraFastPass führt dazu, dass Sie nur zwanzig Minuten statt zwei Stunden warten, was der Wartezeit in einem normalen Freizeitpark unter der Woche außerhalb der Ferien entspricht. Das Ding für den Betrag zu kaufen ist absurd. Ich war absurd. Drei Tage absurd. Oh nein, Kind, ich werde das nie mehr tun, weil einmal im Leben für so einen kranken Shit ausreicht. Hansa Park. Europa Park. Egal was. Nur nicht mehr hierher.

Das war Disneyland. Mehr war nicht.