Endstation Backshop

Guten Morgen Berlin. Es zieht in Weißensee. Es ist der Antonplatz. Ein Sonntag. Ich habe Hunger und das einzige, das offen ist, ist so ein lausiger Self Service-Bäcker. Sonst nichts zu essen zu sehen. Der Dönermann da drüben packt seinen noch rohen Fleischrestespieß aus dem Leichensack, der einzige vernünftige Fleischer der Gegend hat natürlich Sonntags zu und die einzige offene Alternative zu diesem Retortenbrötchengulag hier heißt Späti, hinter dessen Theke ein verwachsener Vietnamese kauert wie die Spinne Kankra aus Herr der Ringe. Wunderbare Aussichten entfächern ihre Möglichkeiten. Bei Kankra könnte ich mir ein steinhartes Snickers kaufen. Aus der Zeit der Bauernkriege. Oder eine geschmolzene und wieder hart gewordene Packung Kinderriegel. Vom letzten Sommer. Schmolz in der Sonne des milchigen Schaufensters und erstarrte zu bizarren Skulpturen, die ich sogar durch das rot-weiße Knisterpapier als irgendwas Sexuelles identifizieren kann. Krummer Penis. Dicke hängende Schamlippe. Analplug.

Gut, wenn mir das nicht gefällt, hat Kankra noch Obskures im Sortiment. Geröstete Maiskörner. Grüne Kichererbsen. Algenblätter. Mungobohnen. Üble giftige Käsepops mit Wasabi. Und Sonnenblumenkerne. Vermutlich für die Vögel. Es ist ja Winter.

Die beiden blöden Bioläden da hinten haben auch zu, doch selbst wenn sie offen hätten, würde ich mir lieber die eigenen Eier abbeißen als in diese Eiterpickel von Biomüttergenesungspuffs zu gehen, um gemeinsam mit den ganzen schmallippigen Leinsamenfressern supergesunden Mist einkaufen zu gehen, von dem mir vermutlich dicke schwarze Prenzlauer Berg-Mütter-Barthaare auf den Arschbacken wachsen.

Da stehe ich nun beim König aller Brötchenknäste. Eine echte Legehennenbatterie voller Backwaren. Mit Bäcker hat das ernsthaft nicht viel zu tun, eher mit einem Aufbäcker, der toxische Teiglinge aus irgendeiner Fabrik an der weißrussischen Grenze nach Berlin schippern lässt und hier warm macht, doch er ist sehr beliebt, der Laden, zumindest Sonntags. Es gibt sogar eine richtige Warteschlange, zwar nicht so rekordverdächtig wie in einer durchschnittlichen Postfiliale dieser Stadt, aber immerhin. Vermutlich geht es allen anderen wie mir. Sie haben Hunger und sie wollen alle nicht zu Kankra und seinem Oktoberrevolutionssnickers.

Die Backwaren befinden sich in Fächern, aus denen ich sie mit Zangen rausholen kann, nachdem sie von der anderen Seite von irgendeiner mies gelaunten und angekotzt vor sich hin glotzenden Gender Studies-Lookalike-Torte reingeschmissen wurden. Wahrscheinlich twittert die während des Backens sehr empört über die frauenfeindlichen rosa Donuts, die sie hier verkaufen. Oder dass die von dreckigen Sexisten entworfenen Börekstangen aussehen wie Penisse mit ihrem Schafskäse, der ejakulatartig vorne aus dem Börek quillt. Bah.

Eine Anweisung auf einem schäbigen Zettel sagt, ich soll die Backwaren ausschließlich mit den schmierigen angeketteten Zangen rausholen. Macht aber keiner. Natürlich macht das keiner. Wir sind hier in Berlin, Regeln sind was für Kleingeister und deshalb fasst jeder Morgenlattenonanierer, jeder Nasenblutigpopler und jeder Arschritzengrindpuler, der noch ein paar Minuten vorher mit seinen Wichsgriffeln zwischen den Eierstöcken seiner Frau rumgepult hat, die Backwaren an, begutachtet sie und legt sie gerne auch mal wieder zurück. Mein Berlin. Wenn Sie mal eine Stunde keine abstoßenden Asozialen sehen, denen nie jemand auch nur irgendetwas annähernd Sozialadäquates beigebracht hat, dann freuen Sie sich, dass Sie nicht in Berlin sind.

Vor mir steht der Typ im Blaumann mit seinen seit Äonen nicht mehr gewaschenen Pranken, an denen noch die Mettreste von vorgestern kleben und unter dessen Fingernägeln noch historischer Schmutz vom Bau der Berliner Mauer vor sich hin keimt. Er wiegt die Brezel liebevoll hin und her, seufzt enttäuscht in seinen nikotingelben Bart und legt sie wieder zurück, vor ihm aufmerksamkeitsdefizitiert das berlintypisch null erzogene Kleinkind mit Rotznase, nässendem Ausschlag und wahrscheinlich auch Pseudo Krupp, das erstmal frontal ins Auslagefach mit den Croissants niest und der Typ ganz vorne kratzt sich zufrieden am Sack seiner irgendwie obwohl es nicht regnet nassen Jogginghose, um dann sein Körnerbrötchen gegen einen Schusterjungen auszutauschen, weil er sich offenbar anders entschieden hat.

Heute ist wieder Freakshow in Berlin, alle Irren dieser Stadt suchen wieder meine Nähe, benehmen sich daneben und mir ist jetzt schlecht, ich will wieder umkehren und rausgehen, nur kann ich nicht, weil Sonntag ist und ich gerade auf meiner Pilgerfahrt auf dem Vollidiotenpfad herausgefunden habe, dass hier in dieser traurigen Gegend, die sie enthusiastisch Komponistenviertel nennen, nichts anderes Zumutbares offen hat.

Was mache ich hier? Normalerweise würde ich lieber meinen eigenen Weizen in dem verdreckten Grünstreifen um den von ranzigen Kötern totgepissten Baum vor unserer Haustür anbauen, in den sie immer noch zusätzlich reinkacken, wenn sie gerade keinen Bock auf das so schön routinierte Kacken auf den Gehweg haben, und wo noch die Böller von Silvester verwesen, ich würde lieber den Weizen danach im Schweiße meines angestrengten Angesichts mit Backsteinen selber schroten, dann den Teig in meinem blöden lahmen Backofen stundenlang außen kross und innen roh backen und das Machwerk danach eigenhändig bei der grottigen Heilpraktikerin nebenan in den Briefkasten quetschen als diesen fürchterlichen Fabrikmist vom Aufbäcker zu kaufen, doch ich tue es, ich kaufe ein zwielichtiges Käsebrötchen und einen obskuren Schusterjungen.

Es ist schlecht. Furchtbar schlecht. Aber ja. Es war doch klar. Von Anfang an. Der Scheiß schmeckt nicht. Natürlich nicht. Der Dreck schmeckt nach Pappe. Nur nach Pappe. Natürlich. Nicht gut. Von vorneherein klar. Mit Ansage. Aus dem angebissenen Käsebrötchen, das für sich gesehen Schwierigkeiten hat, eine Styroporplatte geschmacklich hinter sich zu lassen, mache ich kleine Kügelchen, die ich den letzten paar Wintervögeln auf dem Antonplatz zuwerfe. Doch auch die wollen den Mist nicht haben. Nein. Doch. Wollen sie. Habe gelogen. Die Vögel fressen das. Hätte mir gewünscht, dass selbst die Vögel diesen ranzigen Mist nicht haben wollen, doch sie fressen alles auf. Vögel haben keinen Stolz. Ehrlich nicht. Man sollte sie alle abknallen.

Mit hängendem Kopf öffne ich die Tür des Spätis. Sie knarrt. Eine Klingel klingelt. Staub. Dunst. Ich kaufe das Snickers.