
Haha. Brandenburg hat mich geblitzt. Auf der Autobahn mit 118 bei 100. Und dem kleinen Finger in der Nase, vulgo: Beim Popeln. Ich bin der neue Antiheld der Bußgeldstelle. Wenn also bald das Bild eines popelnden Irren in einem motorisierten Fön auf vier Rädern in Ihrer Telegramgruppe autaucht: Ich bin das.
Noch was? Ja. Ich bin mit einem Helikopter geflogen. Genau genommen habe ich mich fliegen lassen. Ich habe als Jugendlicher mal eine Liste mit fünf Dingen geschrieben, die im Leben mal machen will. Da kam nie was dazu. Mehr Wünsche habe ich nicht. Einen kann ich jetzt streichen.
Von oben sieht die Stadt gar nicht mal so verkackt aus:



Und gegessen habe ich wieder. Dem Kiezschreiber hinterher. Er faselte irgendwann irgendwas über drei Witwen aus Wilmersdorf.

Les 3 veuves de Wilmersdorf. Französisch. Bistro. Französisch mag ich sowieso (findet sich bitte ein Depp, der jetzt diese Kindergartenanspielung auf Oralsex bringt? Gnihihi Französisch mag er. Gnihihi.). Wilmersdorf. Der langweiligste Ortsteil der Welt. Noch schlimmer als Dahlem. The fuck. Für diesen alten verkrachten Schriftsteller aus Schweppenhausen fahr‘ ich sogar hierher. Ich vertraue dem eben.
Das Problem an dem Lokal ist, dass Sie über den Fehrbelliner Platz müssen. Der Fehrbelliner Platz ist eine brachialhässliche 60er-Jahre-Scheißdreck-kombiniert-mit-wuchtigen-Nazibauten-Senatsbeamtenhölle. Bei schlechtem Wetter laufen Sie Gefahr, sich vor einen Laster werfen zu wollen, so hässlich ist das hier. Städtebau als Körperverletzung. Uargh. Ich war mal in einem dieser Bauten bei einem Kundengespräch mit einem dieser hirnlosen Senatsbüttel, die, wenn Sie nicht aufpassen, vor Ihrem Auge mit der grauen Wand hinter sich verschmelzen. Gähnende Leere auf den Fluren. Alle Türen zu. Keiner spricht. Seelenlose Menschen in seelenlosem Beton. Kein Beamtenstand kann es wert sein, hier zu arbeiten.




In der Fechnerstraße ist das Bild nur unwesentlich stimmungsvoller. Sie haben hier die Uhr angehalten. 1963. Wenn Sie wie ich aus dem völlig überdrehten Prenzlauer Berg anreisen, können Sie hier fabelhaft entschleunigen. Endzeitfilm. Hier lebt nichts. Es ist Samstag Mittag. Der Einzelhandel hat geschlossen. Westberlin schläft.

Der Laden selbst ist weniger Restaurant, eher ein kleines Bistro. Für Samstag Mittag ist es nicht überlaufen, dennoch würde ich reservieren. Safety first. In Prenzlauer Berg wäre das Ding um 11 schon komplett dicht.

Der Service spricht einen unfassbaren Kauderwelsch im Dreieck Deutsch-Französisch-Englisch. Sie müssen oft raten, was er will, im Zweifel hilft dümmliches Grinsen, das kann ich besonders gut, ich bin borgwürfelgestählt. Dort an meinem Arbeitsplatz müssen Sie den ganzen Tag blöd grinsen. Vorgesetzten. Kunden. Investoren gegenüber. Ich kann das gut. Viel mehr braucht es eigentlich nicht. Die Leute hören sich sowieso viel zu gerne reden, sie wollen gar nicht wissen, was Sie dazu zu sagen haben. Hier klappt es auch. Ich grinse blöd und irgendwas passiert. Im Zweifel kommt Essen. Oder Trinken.

Ich esse zunächst Dreierlei von der Foie Gras. Einmal warm als ganzes Stück. Dann als Mus. Zuletzt als Pastete. Mit frischem Brot. Knapp 20 Euro dafür, die es wert sind. Ja, ich weiß, es ist gestopfte gequälte Gans und es ist mir immer noch egal. Wählen Sie grün, wenn Ihnen das nicht passt und bauen Sie darauf, dass Grün auch das verbietet. Bis dahin esse ich das. Bis dahin gilt Survival of the fittest. Und die Gans ist nicht fit. Deswegen fress‘ ich ihre Fettleber und ziehe gleich drei schlappe Wochen von meiner Lebenserwartung ab. Das ist es wert. Foie Gras ist es immer wert. Bei Foie Gras scheiß‘ ich noch mehr auf den Tierschutz als sowieso schon. Keine Kompromisse. Kein Einlenken. Kein Fußbreit. Hier. Reste, lecker:

Kiezschreiber empfahl den Widow Burger und schrieb dazu:
Zweihundert Gramm saftiges Fleisch – wie ein gutes Steak außen cross gebraten, innen rosa – mit Käse, Zwiebeln, Salat und Avocados. Der Burger wird nach seiner Fertigstellung noch einmal komplett in einen Teigmantel gehüllt und frittiert.
Nein. Das ist mir zu krass. Ich habe mit der Fettleber bereits mein Leben wirksam verkürzt und nehme den Classic Burger. Für einen Zehner. Der ist von den Zutaten her sehr gut, das selbstgemachte Patty schweinchenrosa wie es das sein muss. Nur das Handling ist eine Katastrophe. Da das Fleisch nicht ausreichend abgetupft wurde, durchweicht es das Bun in kürzester Zeit, wonach mir das Teil nach der Hälfte auseinanderfällt und als Burgermatsch auf dem Teller zurückbleibt. Es ist der klassische Fehler, der Ihnen leider viel zu oft das haptische Erlebnis versaut. Also dann doch lieber Teigmantel das nächste Mal. Oder ganz was anderes. Schade, echt schade. Hier, mehr Reste:

Dennoch: Ein sehr gutes Lokal. Vielleicht das nächste Mal keinen Burger nehmen, sondern was anderes von der ausgezeichnet sortierten Karte. Fisch können sie auch, habe ich mir vom Gegenüber versichern lassen. Zumindest die drei Vorspeisen – Foie Gras, Jakobsmuscheln und die Pâté vom Fasan – waren phänomenal. Schönes Ding. Französisch ist sowieso toll (gnihihi). Ich gehe da wieder hin. Sie können das gerne auch tun. Es ist überwiegend sehr gut.
Les 3 Veuves de Wilmersdorf
Fechnerstraße 30
Wilmersdorf
2 Personen, 3 Vorspeisen, Hauptspeisen, Wasser, Saft, kein Alkohol, 75 Euro (die zu einem guten Teil auf die Foie Gras-Variation gehen, für die ich weniger gar nicht zahlen mag). Preislich grenzwertig. Der Burger ist mit seinem Zehner eindeutig zu teuer. Den nehme ich nicht mehr.
Jetzt endlich zu den scheiß Friseurnamen, heute ein Klassiker, selbstgeschossen in Pankow-Heinersdorf:

Die gute alte Haarmonie. Sehr einfallsreich. Vor allem mit den neckischen Anführungsstrichen um das „Haar“ herum, damit auch der letzte Idiot merkt, dass er es hier mit einem superwitzigen Wortspiel zu tun hat.
Superwitzig auch der pissende Hund vor dem Eingang:

Nein, nicht superwitzig. Superdämlich. Ich hätte als Inhaber der Konsequenz wegen einen kackenden Hund als Maskottchen gewählt. Das würde zum einen zu Berlin (die guten alten zugeschissenen Bürgersteige, wissen Sie doch, na klar) und zum anderen zum superkreativen Wortspiel des Ladens passen.
Jochen vom famosen Blog Netz 10 aus Nürnberg hat das letzte Wort zur unseligen Friseurkiste, danke dafür:

Das Magazin: Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt
Okay, das Ding hat die letzten Tage nun wirklich jeder gebracht, der Links auf seine Seiten klebt. Einmal durchgenudelt. Mit Recht. Wenn Sie den nicht gelesen haben, ist das ein toter Winkel. Sie haben da was verpasst. Mich hat der Text geflasht und deshalb will ich ihn mir auch hier rein kleben, auch wenn ihn schon jeder kennt. Datenmodelle beeinflussen Wahlen. Und Rechts ist skrupellos genug, das zu nutzen. Und so weiter. (via fefe und fünf Millionen anderen)
Gegenstimmen dazu:
jensscholz.com: Hat ein Big Data Psychogramm Trump wirklich den Sieg gebracht?
Tageswoche: Big-Data-Wunder Trump? So einfach ist es nicht
Beide Gegenstimmen überzeugen mich Null, haben es aber im Windschatten ihres Anlasses immerhin ins obere Feld von Rivva, einem nicht irrelevanten Blogaggregator, gebracht. Zu lesen ist viel Emotion, viel Gefühl, wenig Substanz und noch weniger Tiefe. Enttäuschend flach. Beide Autoren finden den Bezugstext doof, weil sie den Text doof finden. Außerdem finden sie es unerhört, dass das Ding so oft geteilt wurde. So gut sei es doch nun wirklich nicht. Beide Statements lesen sich ein wenig wie von einem zu kurz gekommenen Teenager verfasst, dem nach dem dritten Share in der Timeline der Arsch platzt: „Das gibt’s doch nicht. Wieder einer, der das Ding teilt. Eigentlich hätte ich so einen megamonsterviralen Text auch gerne geschrieben, aber ich bringe sowas nicht, deshalb schwirren jetzt die Namen Mikael Krogerus und Hannes Grassegger wie irre durchs deutschsprachige Internet und nicht meiner. Aber hey, warte. So viel Einstimmigkeit ist meine Chance. Ich schieße mal schnell ein Ding dagegen ab, vielleicht fällt ja ein bisschen von dem Fame ab. Huhu, hallo, hier, ich bin die Gegenstimme. Klickt mich, liket mich, sharet mich. Bitte!“ Mehr kommt nicht rüber. Zwei Nichtschwimmerbecken. Als Text. Flach.
Serdar Somuncu: … und deswegen kandidiere ich als Bundeskanzler
Das wäre endlich mal eine Überlegung wert. (via fefe)
Hirnfick 2.0: Was hat Sascha Lobo eigentlich gegen eine liberale Gesellschaft?
Oha. Eine Charta der Digitalen Grundrechte. Nicht weniger durchgenudelt, jedoch in der breiten Mehrheit verlacht und in Grund und Boden kritisiert. Wahrlich kein Glanzlicht. Die Anti-Hatespeech-Aktivisten, die jedes böse Wort aus dem Internet radieren wollen, haben ihre sowieso schon überpräsente Agenda ein weiteres Mal beinespreizend platziert. Da steht, digitale Hetze soll verhindert werden. Und verpflichtet dazu werden staatliche Stellen und alle Betreiber von Informations- und Kommunikationsdiensten. Das ist ein Gummiparagraph, den Sie gegen alles einsetzen können, vermutlich sogar gegen die Urheber selber. Es schüttelt mich bei dem Gedanken, dass man den Kleingeistern irgendwann einen Button zum barrierefreien Denunzieren in die Hand drückt, mit dem sie unbotmäßige Schreiberlinge an eine staatlich eingesetzte Kommission voller netzfeministischer Borderliner melden können, die dann über eine Löschung entscheiden. Ich fürchte jedoch, genau so etwas wollen sie haben. Und sie kommen immer wieder mit sowas. Bis sie es durch haben.
Drastischer in seiner Kritik, aber keinesfalls falsch: Er hier. Der Elfenbeinturm in der Nische der digitalen Bohème gibt sich Digitalrechte, die an der Wirklichkeit der Vernachlässigten im Land vorbeirauschen. Würde ich nicht zufällig ein paar Blogs lesen, hätte ich es nicht bemerkt. Das Fatale: Der Elfenbeinturm verliert die Menschen und Rechts sammelt die ein.
Lesen sie dazu auch Kompa.
Ergänzend:
YouTube: Maischberger 30.11.2016 | Vorwurf „Lügenpresse“ – Kann man Journalisten noch trauen?
Diese Sabbelsendungen schaut ja kein Mensch mehr. Sie sind ja auch unschaubar. Selbstgefälliges Geschwafel eitler Schwafelrunden. Diesen Link jedoch habe ich im Forum des Tagesspiegels aufgelesen und die Sendung ist überraschend interessant. Und dass sie so interessant ist, liegt bizarrerweise an diesem Berliner Pegidabusfahrer, den sie tatsächlich ausreden lassen anstatt ihn niederzubrüllen und der den neben ihm sitzenden Sascha Lobo – und das ist für mich wirklich schwer auszuhalten – streckenweise sehr alt und … ja … blasiert aussehen lässt. Wie einen in die Defensive geratenen Vertreter der herrschenden Meinung, der mit seiner ritualisierten Rhetorik nicht mehr durchkommt. Da war ich sehr froh um Vera Lengsfeld als zweite Rechte der Runde, die von allen Teilnehmern mit Abstand am meisten abgestunken hat und streckenweise argumentativ völlig untergegangen ist, so dass sich Herrn Lobos hilflose Textbausteine aus der privilegierten Berlinblase wieder etwas relativieren. Doch ganz ehrlich: Noch ein paar solcher Auftritte in Gegenwart von solchen Busfahrern von Gegenüber und die altsaturierte Empörungsmaschinerie kann einpacken. Im Ernst: So kriegt ihr die nicht klein.
Anderes Thema. Mal ganz global verlinkt:
Stop Corris & Co. (Drückerkolonnen, Spendenkeiler, Chuggers)
Ich bin ja vorsichtig mit Zuschriften, in denen mir irgendwelche Blogs zur Verlinkung empfohlen werden. Den hier habe ich mir jetzt eine Weile angeschaut und ich denke, er ist keine Querflöte, Truther oder zwielichtiger Agendasetter. Es geht um diese Spendendrücker, die Anquatscher in den Fußgängerzonen, vor Einkaufszentren oder an den Bahnhofsausgängen, die mich immer schon nerven. In der Fachwelt heißen sie Dialoger. Ich nenne sie Drücker. Oder Charakterlose. Nervensägen. Bastarde. Arschgeigen. Suchen Sie sich was aus. Ich hasse die. Wie jeden, der mich anquatscht.
Studio Glumm: Die Kichererbse
Brett.
Zwischen zwei Flügelschlägen: Ein Akt der Piraterie
Ein Arsch. Er entert das Mitteldeck. Und wenn er zuhause ist, schreibt er Kommentare ins Internet.
Weddingweiser: Inmitten der verstrahlten Bohemiens vom Leopoldplatz
Wedding, bitch.
Kiezschreiber: Neulich im Dom
Ich bin eine Muse. Nur bitte: Fotze mit F. Immer mit F. Nie mit V.
LandLebenBlog: Die alte Linde
Baumgeschichte.
Tanos Katzentisch…: Was für ein Käse…
Ich kann den Stinker fast aus meinem Tablet heraus riechen. Schon mal bei Herrn Moser Käse verkostet?
Literatur:
Genuss ist Notwehr: Angst vor dem „Pöbel“
Burks‘ Blog: Revolt of the poor
Zwei Stühle, eine Meinung. Zu Christian Baron – Proleten Pöbel Parasiten – warum die Linken die Arbeiter verachten.
Vielleicht fehlt es mir wirklich an theoretischem Unterbau (tut es, ich habe keine Ahnung, was Marx von Engels und den wiederum von Lenin unterscheidet, ist mir auch egal), aber ich finde das hier empfohlene Buch immer noch in Teilen recht verkopft, auch wenn sich Herr Baron (sehr geiler Name in dem Kontext übrigens) viel Mühe gibt, volksnah zu schreiben. In der Sache dürfte er weitgehend recht haben. Niemandem da draußen hilft eine universitär verriegelte Blase voller Mimosen, die sich gegenseitig ihre superkorrekten Korinthen aus dem Hintern pulen. Es braucht einen aufgeklärten Populismus, der dem von Rechts wirksam gegenüber steht. Was es nicht braucht, sind Sprachpolizisten, übergriffige Schreihälse und Agitation/Propaganda/Manipulation über eine Presse, die immer weniger Menschen erreicht. Was auch nicht braucht, sind Nazikeulen, feierlichstes kleinteiliges Abgrenzen und die Suche nach dem Haar in der Suppe eines jeden, der sich traut, etwas zu sagen. Die mit Abstand meiste Hasspost bekomme ich übrigens von links. Von rechts kommt allerhöchstens mal ein verknustes „Also da stimme ich nicht mit dir überein, weil…“, flankiert mit – verdammt nochmal – Argumenten! Was ist da los?
Einige Male widerspricht sich Herr Baron. So fordert er die Linken auf, beim Fußballpatriotismus nachsichtiger mit den fähnchenschwingenden Flachbirnen zu sein, echauffiert sich aber ein paar Kapitel später über den in der Tat blöden, stumpfsinnigen Idiotenfilm ‚Fack ju Göhte“, dessen Agenda (die da unten vom Prekariat sind voll die Assis) niemand von den Linken substanziell angreife. Das geht nicht zusammen. Hü oder hott. Arsch oder Eimer. Ex oder Arschloch.
Nein, dennoch ein gutes Buch. In weiten Teilen sehr richtig und, vor dem Hintergrund, dass es ein Soziologe geschrieben hat, oft auch erfreulich direkt. Mit Herrn Baron kann man sich gut vorstellen ein Bier trinken zu gehen. Das geht mir mit vielen der strenggläubigen Esoterikern, die unter dem Label „Links“ surfen, nicht so. Einen noch: Der Titel ist Schrott. Proleten Pöbel Parasiten. Alberne Alliterationen Anbringen. Schnafte Schnitzel Schnabulieren. Reißerisch Rücksichtslos RTL. Bi Ba Butzemann.
Musik:
YouTube: Stromae – Quand c’est
Vielen Dank, Anonym vom 30. November 12:56 Uhr für diesen Musiktitel. Toller Typ. Toller Song. Stromae ist in der Tat ein ganz Großer.