Hurra die Welt geht unter

Gestern ging ich ins Bett in dem Wissen, dass sowieso klar ist, wie die Sache ausgeht. War doch klar, oder? Zumindest früher war immer klar, wie die Sachen ausgehen. Wenn die versammelten Journalisten schreiben, dass es keinen anderen möglichen Ausgang gibt, dann war das immer so. Hartz IV. Notwendig. Schrieben alle. Kam auch. Bundeswehr im Ausland. Notwendig. Schrieben alle. Kam auch. Merkel. Sowieso notwendig. Schrieben alle. Deswegen ist die immer noch da. Und zuletzt: CETA. Notwendig. Schrieben alle. Ein Feuerwerk der Meinungsmache gegen die Überzeugung vieler. CETA kommt. Was geschrieben wird, kommt. Kommt immer. Es gibt gar keine Alternative.

Das gilt so nicht mehr.

Ich bin auch vor ein paar Monaten am Vorabend der Brexit-Entscheidung ins Bett gegangen und die Sache war eigentlich klar. Alle Umfragen wiesen Mehrheiten für den Verbleib in diesem Moloch von Bürokratiemonster aus, das seine positiven Auswirkungen – Reisefreiheit, gemeinsame Währung – sukzessive aushöhlt, die Geldverschwendung wie einen Fetisch vor sich her trägt und peinliche Karikaturen von Kommissaren in ihren entscheidenden Gremien duldet. Wie bitte? Brexit? Vergisses. Die öffentliche Meinung war da glasklar: Es bleibt wie es ist. Ein Austritt ist keine Alternative. Undenkbar. Unmöglich. Alles sprach dagegen. Und dann kam es doch.

So lief das jetzt auch bei Trump. Kuck dir mal den an. Der hatte doch keine Chance auf einen Sieg. Ein Kretin. Gestern noch: 4% Vorsprung für die Eiserne. 5%. 3. Mehr. Weniger. Egal. Immer ein Vorspung. Trump kann nicht gewinnen. Die komplette Medienlandschaft war sich einig und feuerte aus allen Rohren. Hillary. Endlich eine Frau. Vergessen Sie Trump. Der Typ geht gar nicht. Schrieben alle. Die Fingerkuppen sich wund. Seit einem Jahr.

Jetzt hat Trump gewonnen.

Dieser Fickfinger. Trump ist der Fickfinger. Der Brexit war schon der Fickfinger. Ihr habt die Verlierer jahrelang verarscht, ausgerenzt, gedemütigt, doch die Verlierer ficken euch jetzt mit euren eigenen Mitteln und freuen sich, wenn ihr deswegen weint. Sie irren, wenn Sie glauben, dass es um Fakten geht. Es geht nicht um Fakten, es geht nicht darum, dass die ausgegrenzte Unterschicht gegen ihre eigenen Interessen wählt (natürlich tut sie das, aber das ist nicht der Punkt), es geht ums Gefühl. Erfolg haben Sie inzwischen immer öfter nur noch, wenn Sie den Bauch ansprechen. Jemand wie Nahles hat keinen Erfolg. Jemand wie Nahles kommt über einen hermetisch abgeschlossenen Parteiapparat voller ekliger Schranzen an ihren Posten. Jemand wie Nahles verursacht Abscheu. Niemand hat die gewählt. Niemand will die haben und doch müssen wir sie alle alimentieren. Wir wollen andere Leute. Bern. Feel the Bern. Bernie Sanders hätte Trump besiegt. Auf seinem eigenen Feld. Bei den Abgehängten. Die niemanden wählen, der 260.000 Dollar für eine Rede einstreicht. Würde ich auch nicht. Weil das widerlich ist.

Die AfD wird von Trump lernen. Wenn sie klug ist, wird sie sich nicht anbiedern, keine Posten übernehmen und irgendwann, wenn die Sterne günstig stehen, einen aufstellen, der ähnlich rotzig wie Trump gegen das, was sie Establishment nennen, antritt. Und der deswegen als glaubwürdig wahrgenommen werden wird.

Wir haben hier in Deutschland auch ein Establishment. Glauben Sie nicht, oder? Establishments haben immer nur andere. Wir nicht. Oder? Doch. Ich sage, wir haben eines. Es lebt wie alle Establishments in seiner eigenen Welt. Es hat mit mir nichts zu tun. Ich schaue mit Befremden auf sein Treiben. Ich verstehe es nicht. Nein danke, ich wähle euch nicht. Und wähle es auch nicht. Es spricht nicht meine Sprache und je mehr es an Boden verliert, desto mehr klammert es sich an seine Symbole, desto mehr nutzt es seine Netzwerke, angeschlossene Journalisten, hörige Parteigänger, die Wirtschaft, für den eigenen Machterhalt. Für die Posten. Je mehr es unter Druck gerät, desto weniger packt es die wichtigen Probleme der kleinen Leute an, von deren Bedürfnissen es sich entfernt hat. Schauen Sie auf Berlin. Keine Lösung der Wohnungsfrage. Keine Lösung der Schieflage bei der Verteilung des Reichtums. Keine Lösung bei der Segregation in reiche und arme Viertel. Schulen. Kitas. Arbeitswege. Nichts. Ideologie statt Ideen. Dosenpfand. Verbot von Glühbirnen. Reglementierung von Duschköpfen. Staubsaugern. Außenwänden. Heizpilzen. Drei neue Mülltonnen für mehr Mülltrennung. Und natürlich Gender. An Gender geht heute gar nichts mehr vorbei. Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht. Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt. Das Bevorzugen stört Sie? Ja? Dreckiger Sexist. Oder Nazi. Sie haben schnell einen Stempel auf der Stirn, der Sie ausstößt. 

Wenn Sie nicht alles gut finden, was die ganz große Koalition an Vorschriften und Vorgaben gebiert, laufen Sie Gefahr, sich ganz schnell schlechte Gesellschaft einzufangen. Wenn Sie Politiker nicht mögen und Journalisten erst recht nicht, finden Sie sich inzwischen auch als ganz normaler Oppositioneller in einem Sack mit den Dresdner Lügenpressekrakeelern wieder. Es ist schwer geworden, sich abzuheben, zum Hackemob die Grenze zu ziehen, doch das ist gewollt. Diffamierung ist ein Mittel der Disziplinierung. Doch was soll der Unterprivilegierte heute wählen? Links kämpft gar nicht mehr für soziale Gerechtigkeit, die Unterschicht oder die unterdrückten Massen, sondern für die Partikularinteressen unangenehm lauter Minderheiten aus dem Berlin-Mitte-Universitätsmilieu. Links kämpft für Quoten in Vorständen, Wärmedämmung an Fassaden, Fahrradhighways und den Schutz des Sonntags. Was soll der Scheiß? Wenn ich mich da schon nicht wiederfinde, wie soll es jemandem gehen, der nicht links sozialisiert wurde? Jetzt schauen Sie doch nicht gleich wieder so. Ich habe keine politische Heimat mehr. Die wurde gekapert, zerlegt, vor einen Karren gespannt. Und ja, natürlich liegt das an einem Parteienkartell, das sich in weiten Teilen so einig geworden ist, dass es komplett egal geworden ist, wen Sie wählen. Und das weiß auch jeder, der nicht zufällig von dieser Suppe profitiert oder sogar einen Posten inne hat, auf dem er nichts mehr mitbekommt vor lauter persönlichen Referenten, Kofferträgern, Zuarbeitern und Hofschranzen, die Stimmungen vorfiltern, vor lauter Dienstwagen, die durch den eigenen Tunnel in die Machtzentrale fahren. Unser Washington heißt Regierungsviertel. Abgehoben. Ignorant. Verfilzt. Das wird doch nicht deswegen falsch, nur weil es derzeit erfolgreich von rechts kritisiert wird. Früher wurde das Kartell noch von links kritisiert. Angegriffen. In Frage gestellt. Da hat man den tapferen Gysi noch ausgelacht. Beschimpft. Die Linke ausgegrenzt. An einen Katzentisch gesetzt. Später haben die vom Kartell umgedacht. Sie haben die Linke eingerahmt. In die Mitte genommen. Mit Posten versorgt. Kein Diepgen-Senat war so neoliberal wie die Koalition aus SPD und PDS. Niemand hat mehr Wohnraum privatisiert. Niemand sonst hat es gewagt, den sozialen Wohnungsbau komplett aus der Stadt zu radieren. Fragen Sie mich doch noch einmal, warum ich nicht wähle. Wen denn bitte?

In Berlin werden die Linken demnächst wieder dabei sein. Auf den bequemen Sesseln der Regierungsbank. R2G. Rot-Rot-Grün. Ein paar Schwerpunkte stehen schon fest: Berlins geistesgestörte Fahrradfahrer sollen bald legal bei roter Ampel durchbrettern dürfen (erklären Sie das mal Ihrem Kind), die Kolonialzeit soll mit viel Geld (und sicherlich vielen Pöstchen) aufgearbeitet werden und natürlich Gender. Immer mehr Gender. Keine Titten mehr im Straßenbild (hey, mir kommt das entgegen, aber Ihnen vermutlich nicht), mehr Schutz von weiblichen Gewaltopfern (von männlichen hören Sie wie immer nichts) und für Frauen reservierte Ausbildungsplätze in den Landesbetrieben. Hurra. Da bin ich froh, dass die Stadt keine anderen Sorgen hat, zum Beispiel einen Wohnungsmarkt, in dem Sie mit 100 anderen armen Würstchen um die letzten Scheißbutzen konkurrieren und sich im Angesicht von schmierigen Maklern einem entwürdigendem Casting unter kompletter persönlicher Entblätterung (und Erniedrigung) stellen müssen, oder dass die Stadt Bürgerämter betreibt, die ihre Arbeit vor lauter Personalmangel in weiten Teilen schlicht eingestellt haben, bei denen Sie keine Termine mehr bekommen und die Sie auch nicht spontan aufsuchen können ohne einen Tag Urlaub zu nehmen und dabei trotzdem nicht die Sicherheit haben, dass Sie Ihr Anliegen bei einem Bürokraten platzieren können. Oder einen Nahverkehr, der die aus allen Nähten platzende Stadt nicht mehr bewältigen kann, eine S-Bahn, die mittlerweile wöchentlich zum Berufsverkehr ihren Betrieb einstellt, wonach ich entweder nach Hause laufen oder umständlich über Stunden später zur Verfügung gestellte Ersatzbusse über Umwege nach Hause gurken kann. Rolltreppen kaputt. Straßen kaputt. Gehwege kaputt. Schulen kaputt. Schienen kaputt. Das ist es, was die Menschen stört. Woran jeder Idiot merkt, dass hier etwas nicht stimmt. Doch auch R2G hat das nicht auf dem Schirm. Wird die Dinge nicht verbessern. Sondern lebt schon vor der Inthronisierung in einer ganz eigenen Welt, die mit meiner keine Schnittmengen hat.

Seien Sie froh, dass ein Björn Höcke in seiner Partei noch die Minderheit vertritt. Doch der kann warten. Der wartet darauf, dass der Trend aus Amerika, dessen Trends immer mit Verspätung auch zu uns kommen, hier einschlägt. Dann wird er am Brandenburger Tor stehen. Oder wegen mir am Alexanderplatz, weil er zu unästhetisch fürs Brandenburger Tor ist. Alex. Hinterm Alexa. Da wird er stehen. Als Außenseiter. Verhasst und verlacht von allen gängigen Medien. Verhöhnt von Claus Kleber. Verlacht von Gundula Gause. Alle Umfragen gegen ihn. Noch am Abend vor der Wahl. Keine Chance. Der Paria. Und nach Schließung der Wahllokale kommt die Eisdusche. So wie sie heute morgen in die Fresse von Donald Trump geglotzt haben. Die Schönenborns. Die Tina Hassels. Da stehen sie auf ihrer Atlantikbrücke und verstehen die Leute nicht mehr. Verstehen gar nichts mehr. Können nicht glauben, dass es anders kommt als gewollt. Als prognostiziert. Bemühtes Ringen um Fassung. So wie heute morgen. Fast habe ich mich darüber gefreut, fast hätte ich beim Anblick ihrer verstörten Gesichter diebische Schadenfreude entwickelt, wäre wegen ihrer hilflosen Kommentare fast in lautes Lachen ausgebrochen, wäre nicht einer wie Trump der Auslöser gewesen.

Sie erleben gerade eine perverse Form von Revolte. Diejenigen, die an den Rand gedrängt wurden, wählen jetzt den Fickfinger. Mit voller Überzeugung. Inbrunst. Ohne Reue. Ohne Skrupel. Und es ist egal, was sie da in ihren Elfenbeintürmen über ihren Fickfinger schreiben. Und es ist egal, was der Fickfinger in Kameras oder auf Tonspuren spricht. Hauptsache er ist ein Fickfinger. Der euch alle fickt. Viel Spaß damit. Ihr habt die Gesellschaft kaputt gemacht, Werte lächerlich gemacht, Menschen entsolidarisiert, Zusammenhalt geschleift, soziale Sicherheit aufgebohrt und das toxische Konkurrenzdenken in alle Bereiche des Lebens getragen, gefordert und gefördert, seit 25 Jahren macht ihr das. Jetzt kommt der Fickfinger. Eure Verantwortung. Eure Quittung. Fresst die Medizin. Schön schlucken. Lecker. Nicht?

Einen Vorteil hat das Ganze, wenigstens einen. Ich bin ja Optimist (nein, bin ich nicht). TTIP ist jetzt tot. Wenigstens das können sie nicht mehr durchpeitschen. Das geht jetzt nicht mehr. Denn Trump will das nicht. Und die Amerikaner haben Trump gewählt.


Frau Meike

Herr Mersmann

Feynsinn

Herr Glumm

Spiegel / Fresse

Feel the Bern

K.I.Z.

Der große Philosoph Mad Mügge: