Hey hey meine Freunde vom leidenden Leben
welches Stück wolln wir geben?
Hey hey, da seid ihr ja wieder
Ihr treibt einen Reifen über die Straßen
und es klebt euch Öl im Gefieder
Was niemand, der mich kennt, über mich weiß: Ich bin sehr gerne einsam. Weil ich immer zu viele Menschen um mich habe. Weil ich den ganzen Tag ihr Gerede ertragen muss. Worte. Wörter. Geseier. Sätze im Fahrstuhl über Fönwetter in Bayern und Schäfchenwolken über Stettin. Wortmüll. Buchstabengrind. Dinge, die andere mich wissen lassen wollen, die mich über ihre Leben informieren wollen, mir Dinge aus dem Zentrum ihres Universums mitteilen wollen, mich teilhaben lassen wollen, an vielen Dingen teilhaben lassen wollen, an Unmengen Dingen beteiligen wollen, an zu vielen Dingen beteiligen wollen. Ich bin einer, der viel weiß, weil mir viele Leute viele Dinge erzählen. Informationen. Informationen. Ein Ozean aus nutzlosen Informationen. So viel, dass ich mir oft Ruhe wünsche und Orte aufsuche, an denen sie herrscht. Oder an denen mich zumindest keiner kennt. Und anspricht.
Ich bin oft am Limit der Kräfte. Ich erledige zwei Dinge und bekomme drei zum Erledigen. Ich schwimme und gehe doch unter. Ich komme nicht mehr hinterher. Kontrollverlust. Die Dinge wachsen und wachsen höher als mein Kopf ist, von dem ich oft nicht mehr weiß wo er steht. Zwei Fronten. Drei Fronten. Manchmal fünf. Dann geht etwas vor die Hunde, weil ich es vergessen habe, dieses Ding von den vielen Dingen, die ich behalten soll, an die ich denken soll, die ich erledigen muss, aufgebürdet von Menschen, für die ich Dinge erfülle, Pflichten erfülle, Aufgaben erledige, Formulare ausfülle, Rechnungen bezahle, Termine einhalte. Manchmal stehe ich nach Mitternacht auf dem Balkon und schaue auf die dunkle Straße im orangen Licht der Straßenlaternen meines Blocks. Ich habe ein Bier in der Hand. Dann ist Zeit für mich.
Wo du immer noch, immer noch stehst
Und die Bilder, die kommen, wenn der Tag geht
Und die Nacht, die Nacht, Nacht kommt
Und die Punkte, die kleiner werden
Zwischendrin diese Schübe aus rasender Aggressivität, für die es nur wenige Ventile gibt. Sport. Alkohol. Drogen. Bloggen. Zu Konzerten randständiger Nischenkünstler in fremde Städte fahren. Was alles nur kurzzeitig hilft. Zwei Wochentage und es ist wieder da. Das Gefühl von schleichender Überforderung nagt im Nacken. Zu viele Tasks. Selbst Kacken wird zur Aufgabe, die zwischen zwei andere Aufgaben eingeschoben wird. Kacken will geplant sein inzwischen. So wie Essen. Ein Sandwich vom Bahnhof. Bulgursalat in diesen praktischen Cups. Plastiklöffel gleich dabei. Und Serviette. Mit der ich mir den Mund abwische während ich in die U5 einsteige. Zum nächsten Termin. Irgendjemand wartet in Oberbaumcity. Ich habe Unterlagen dabei.
Komm, lass uns auf’s Meer fahren
Lass uns nach den Inseln sehen
Lass uns gehen und sehen, wer dann noch kommt
Weit und breit kein Mensch mehr da
Ich zittere manchmal. Wie auf Parkinson. 12 Stunden. 13. Meetings. Telefonate. Kundenbesuch. Ein Bericht. Noch ein Meeting. 150 E-Mails. Leute wollen was über drei verschiedene Messenger. Einer ruft an. Ob es bei heute abend bleibe. Ja. Nein. Muss ich sehen. Zuhause ein Kind. Für das ich immer zu wenig Zeit habe. „Hab dich lieb, Papa“ ist manchmal der Stich ins Herz, der mich durchhalten lässt. Memory. Die Raupe Nimmersatt. Pittiplatsch der Liebe. Was Spiel sein soll ist harte Arbeit. Papa macht Witze. Schmeißt ein Eis. Kitzelt durch. Bastelt noch einen Papierflieger. Singt ein Lied. Tolles Bild hast du da gemalt. Für mich? Wow. Keine Risse in der Maske. Eine Vaterfigur. Irgendwann schläft das Kind. Hemden bügeln. Spielzeug wegräumen. Dann liegt da noch Post. Zwei Rechnungen. Reklame. Die Kita will eine Unterschrift für etwas, das ich schon gar nicht mehr in Frage stelle und in nicht einmal einer Minute vergessen haben werde. Elternabend ist auch wieder. Das Jugendamt schickt irgendwas. Ich lese manchmal nicht mal mehr was ich da unterschreibe. Ich unterschreibe mechanisch. Weil ich keine Buchstaben mehr sehen kann. Nicht mal mehr denken mag.
Wer länger lebt, ist besser als jemand, der nicht so lange lebt,
der aber immer noch besser ist als jemand, der überhaupt nicht mehr lebt
und eigentlich ja schon tot ist
Wenn das Zittern bekannt wird, bekommen Sie an Orten wie dem Borgwürfel das Brandmal „Nicht belastbar“ auf die Stirn. Es ist immer ein endgültiges Urteil. Sie sind erledigt. Natürlich nicht vordergründig, vordergründig würde man Verständnis heucheln, nur um im Hintergrund tragfähige Lösungen zu entwickeln, Sie ohne Störgeräusche los zu werden. Man würde Ihnen Kompetenzen abnehmen (um Sie zu schonen). Den Kundenkontakt einschränken (um Sie zu schonen). Ihren Arbeitsplatz in einen weniger repräsentativen Bereich verlegen (leider muss jemand ab sofort ganz dringend Ihr Büro haben, jemand, der im Moment im Fokus der Aufmerksamkeit steht, ein Controller oder irgendein Projektteam, ich bin untröstlich). Man würde Sie separieren. Sie würden aufgrund der Degradierung zwangsläufig gemieden werden als hätten Sie Lepra und Hirnhautaids in einem, weil keiner mit dem gestrauchelten Seuchenvogel zusammen in den Abgrund gerissen werden will. Sie würden unter dieser Isolation leiden, was möglicherweise zu einschlägigen Diagnosen, Alkoholismus oder Drogensucht führt, was Ihnen endgültig das Genick brechen wird. Was dann bleibt, ist Abfindung. Frühverrentung. Oder Geschlossene. Mit dem Zittern fängt es an. Ich wäre nicht der erste.
Und die Leute in unseren Köpfen riefen:
„Was gibt’s Neues vom Weltkrieg!
Was gibt’s Neues? Was gibt’s Neues?“
Die Vereinzelung ist enorm. Die Illusion von Team ist nur Fassade. Ich arbeite mit Mantras, um mich nicht von der Schauspielerei der anderen einlullen zu lassen, denn im Zweifel können die das genauso gut wie ich. Oder besser. Mantra. Du hast hier keine Freunde. Mantra. Niemanden interessiert ob es dir gut geht. Mantra. Es gibt kein Team. Mantra. Vertraue niemandem. Mantra. Kein Ponyhof. Ich wiederhole. Kein Ponyhof.
So viele Sekunden hat mein Tag nicht
Die ich bräuchte, um mein ’nein‘ zu sagen
Alles ist Technik. An mir ist alles Technik. Gelernt ist gelernt. Auftritt. Verbindliches Lächeln. Die Krawatte. Selbst der Handschlag. Ein Schauspiel. Das jeder üben kann wie die Technik, vor 200 stupiden Kuhaugen dumme Reden mit möglichst wenig Inhalt zu schwingen. Ich habe früher immer gedacht, man bräuchte dafür ein besonderes Talent, um da mitzuspielen. Bei diesem ganzen Zirkus voller Small Talk, Gute Laune-Machen, Socializingfuck, diesen ganzen Kitt, mit dem Menschen einen unerträglichen Ort so erträglich machen wollen, auf dass die Leute nicht reihenweise aus den Fenstern springen. Aber nicht doch. Sie brauchen dafür nicht zwingend Talent. Es geht irgendwann durch stupide Wiederholung von der Hand. Ich dachte, ich kann das nicht, doch das geht. Üben. Üben. Üben. Machen. Machen. Machen. Besser werden. Anpassen. Trial and error. Unter den Radaren fliegen. Alle Spiele mitspielen. Nur noch vorsätzlich präsentierte Schwächen zulassen, die sympathisch machen. Eine Maske aufsetzen. Unangreifbar werden. Und gegen das Zittern was einwerfen.
Es gibt keinen anderen Weg, wenn Sie nicht ausgeschissen werden wollen von dem Ort, der Ihnen Geld für Ihre Selbstentfremdung zahlt. Sie müssen möglichst glatt werden, wenn auch mit Pusteln. Die Pusteln brauchen Sie deswegen, weil zu glatt sein ganz schnell unsympathisch macht, somit in eine Sackgasse führt und das will auch keiner. Leisten Sie sich eine kleine Schwäche bei aller Professionalität, eine sympathische Schwäche natürlich, keinen inakzeptablen Mist wie stöhnend auf der Toilette onanieren oder so. Ich mag Kinderschokolade zum Beispiel. Und trinke wirklich viel Kaffee. Das weiß auch jeder. Och, ui, der ist aber sympathisch, der Stevenson, kuck mal, der ist so wie wir alle uns selbst gerne sehen, im Herzen gut, aber mit diesen kleinen Fehlern, die uns Menschen ausmachen. Schoki und Koffein. Freundlich, aber er kann auch mal sagen wo es lang geht. Und mal fünfe gerade sein lassen. Er ist nie zu oft krank, aber auch nicht zu wenig. Das perfekte Mittelmaß. Er wirkt im Großen und Ganzen gesund, aber hey, diese Schokolade und der Kaffee. Bissken wat is immer. Zwinkersmiley. Nein, der passt zu uns, den kann man wirklich mögen. Lob. Dosierter Tadel. Ein Danke an der richtigen Stelle. Angemessenes Interesse. Sie machen Sport? Was laufen Sie auf den Kilometer? Viereinhalb? Respekt. Klick Klick. Pushing the buttons. Und immer dieses verbindliche Lächeln. Lange geübt. Es sitzt. Im Allgemeinen werde ich gemocht. Ich bin die gesunde Mischung. Das Normalmaß. Die Mitte.
wie ich in diesen Plot geraten bin fragst du mich
wie ich in diesen Plot geraten bin frag ich mich
Die Schwierigkeit besteht darin, es nicht zu übertreiben. Seien Sie nicht zu eifrig. Seien Sie nicht makellos. Das finden Menschen widerwärtig. Niemand mag solche Streber. Seien Sie glatt, aber tun Sie gleichzeitig so als seien Sie Mensch geblieben. Und nicht vergessen: Lächeln Sie. Merken Sie sich Namen, denn nichts macht Menschen mehr gewogen als wenn man sich ihre Namen merkt. Und die Anzahl der Kinder. Seien Sie jovial. Oh, Herr Krawinski, ich grüße Sie. Geht’s gut? Wie steht’s zuhause? Mit den Kindern alles klar? Ihre Kleine kommt jetzt in die Schule, oder? Hier sind sie wieder. Eins um andere Mal. Die Bullshitinformationen. Ein riesiger Haufen Müll im Kopf. Kommen Sie nicht auf die Idee, den ganzen Schrott zu vergessen. Im Gegenteil: Merken Sie sich den Mist. Prägen Sie sich das Zeug ein. Lernen Sie es mechanisch auswendig, wenn es sein muss. Und geben Sie auch mal einen Kuchen aus, auch wenn Sie Kuchen hassen. Tun Sie Gefallen und bitten bei Bedarf um einen Gegengefallen. Das schafft Allianzen. Abhängigkeiten. Seilschaften. Die Sie brauchen, weil Sie sonst alleine stehen. Kumpeln Sie. Egal mit wem. Den Kaffeetanten (die wissen immer alles). Dem Bürokraten (jeder Borgwürfel hat mindestens einen davon, Sie brauchen solche Leute auf Ihrer Seite). Den Azubis (wer weiß ob irgendwann einer davon an Ihnen vorbeizieht, weil er noch mehr Ärsche als Sie geleckt hat). Auch wenn es Ihnen zum Hals raushängt: Bringen Sie die Leute zum Lachen. Wenn Sie Lacher verursachen können, werden Sie gemocht. Weil Sie gute Laune machen. Teilen Sie Ihre Kinderschokolade mit anderen, die auch Kinderschokolade mögen (ich mag die echt, sehen Sie, das macht mich gleich sympathisch, auch wenn Sie mich gar nicht kennen). Netzwerken Sie. Schlagen Sie Einladungen auf ein Bier nicht aus, auch wenn es Sie schüttelt, mit diesen Leuten noch mehr Zeit als sowieso schon zu verbringen. Und keine Scheu vor Unsympathen. Die Unsympathen sind im Grunde einfach nur gehandicapt und wollen in den meisten der Fälle auch nur geliebt werden. Geben Sie ihnen dieses Gefühl, dass Sie sie leiden können, aber bitte subtil. Offene Schleimer werden mindestens genauso gehasst wie Veganer, Radfahrer und Frauenbeauftragte. Zollen Sie Respekt, wo es angebracht scheint. Ob Sie das so meinen oder nicht, spielt keine Rolle. Sowieso: Vergessen Sie Moral. Moral muss ein Umfeld haben, in dem sie Sinn ergibt. Hier in meiner Zentrale der Unmoral erleiden Sie damit Schiffbruch und landen womöglich früher als sonst in einer Geschlossenen. Geben Sie sich einen Ruck. Sie können das lernen. Sie können alles lernen. Separieren Sie sich nicht. Machen Sie sich nie angreifbar. Denn wenn Sie angreifbar sind, werden Sie angegriffen. Willkommen in meiner Welt. Haben Sie schon Lust auf ein Vorstellungsgespräch bekommen?
durch die Städte zu gehen, die leer und offen sind
das absolute Glück, als der Allerletzte…
So ein Puff saugt psychisch aus. Versaut Ihr seelisches Gleichgewicht. Sie werden chronisch misstrauisch und vermuten hinter jeder Nettigkeit einen doppelten Boden, eine Falle oder einen Dolch. Ich bin so vergiftet, dass mich das giftige Klima beruhigt, weil ich wenigstens weiß wie es funktioniert. Ich könnte gar nicht mehr in einem Umfeld arbeiten, in dem sich die Menschen gut behandeln. So ein Umfeld mit Respekt, Ehrlichkeit, Offenheit, Anstand. Ich würde komplett paranoid werden und diese womöglich sogar ernst gemeinten Nettigkeiten nicht einen Tag ertragen. Es würde mich zermürben, nicht zu wissen, ob sie es tatsächlich so meinen oder mich doch nur wieder in Sicherheit wiegen und dann zu meucheln versuchen würden wie andere früher, wenn sie nett waren. Mentale Endstation. Kein Exit möglich. Da geht nichts mehr. Ich bin jetzt drin, ich zieh‘ das durch. Bis zuletzt. Ich zieh‘ das durch.