Wenn Prenzlauer Berg interveniert

Irgendwo in Prenzlauer Berg. In irgendeiner Straße. Es ist noch dunkel.

„Papaaaaaaa ich hab‘ keinen Bock auf Kita!“

„Siehste und ich hab‘ keinen Bock auf arbeiten.“

„Papa? Du hast keinen Bock auf arbeiten?“

„Nope. Keinen Bock auf arbeiten. Arbeit nervt mich.“

Dann kommt die Stimme aus dem Off. In Prenzlauer Berg kommt oft eine Stimme aus dem Off.

„Sowas können Sie doch dem Kind nicht sagen!“

Ich drehe mich um. Ah. Schau mal da. Ein Spaghettihaar. Schmaler Mund. Auftrumpfender Blick. Und sie legt nach.

„Das Kleine bekommt doch eine völlig verkorkste Einstellung zur … äh … Arbeit.“

Ach. Sehr schön. Da ist wieder eine. Eine, die sich gerne einmischt. Interveniert. Das Schlimmste verhindern möchte. Vor mir steht alternative Optik, auf neoliberal gedrillt. Protestantisches Arbeitsethos ausdünstend. Es ist ein Paradestück dieses Bezirks, in dem sie grün wählen und Tierschutz gut finden, aber gleichzeitig Wohnraum entmieten, wegen der Penner am S-Bahnhof die Köpfe schütteln und nichts daran finden, wenn sich der Normalverdiener den Einkauf in den hiesigen Läden nicht leisten kann. Solche Menschen arbeiten auch gerne und möchten, dass es andere auch so halten.

Mmh. Sage ich was? Soll ich was sagen? Ich sage ja nichts mehr, ich möchte mit diesem Bezirk nicht mehr kommunizieren. Es bringt keinen Mehrwert, sondern kostet nur Kraft, die sinnlos in der Atmosphäre verpufft. Sie ändern sich nicht, ich ändere mich nicht. Ich passe nicht zu ihnen und sie nicht zu mir. Sicher, ich könnte Sachen sagen wie:

„Dem Kind, gute Frau, biete ich eine gesunde Einstellung zur Arbeit an. Und zwar als dummerweise notwendiges Übel, dem man nicht mehr Bedeutung zumessen sollte als notwendig ist, um in der Gesellschaft, die solche Gestalten wie Sie gebärt, über die Runden zu kommen. Und nein, Arbeit macht in den meisten aller Fälle keinen Spaß und nervt sogar erheblich. Würden sie mir kein Geld dafür geben, würde ich sie nicht tun.“

Nah. Zu viele Worte. Für nichts. Zu viel Aufwand. Für ein dahergelaufenes neoliberales Spaghettihaar aus Prenzlauer Berg. Echt nicht. Dann lieber die Keule, blank, roh, ungeschliffen: „Verpiss dich.“ Universalantwort. Rausrotzen, weitergehen. Ich mache es nicht mehr anders. Ich diskutiere nicht mehr mit diesem Bezirk. Die und ich, das geht nicht zusammen.

Danach kommt nix mehr. Sprachloses Entsetzen bleibt am Bordstein zurück. Bei der, die dachte, ich würde mich maßregeln lassen, nur weil mein Kind dabei ist.

„Papaaaaa was heißt Verpiss dich?“

„Das, mein Kind, ist ein sehr wichtiger Satz hier in der Gegend, wenn nicht der wichtigste. Warum das so ist, lernst du noch, ganz sicher, das lernst du noch.“


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