
Huhu Bewohner an der Weißenseer Spitze. Freut Ihr euch schon?

Naaaaaaa?

Ein Biomarkt. Jetzt bald auch hier bei euch. 2014 fiel der Antonplatz, jetzt fallt ihr. Es geht los. Drüben ein paar Meter weiter bei den alten Ost-Assis aus den letzten paar DDR-Platten in Sichtweite vom prekären Ranznetto am Eschengraben macht demnächst der erste Feinkostladen auf. Mein Prenzlauer Berg expandiert. Bald seid Ihr wie wir. Ausgewählte Schokolädchen. Selbstgebrannte Kaffeebohnen. Zehnfuffzig das halbe Pfund. Und diese Büffelmozzarella. Biobüffel. Büffelbio. Na? Freut ihr euch schon? 20%. Locker. 20%. Für den Anfang. Auf eure Miete. Muss es euch doch wert sein. Das bisschen Sanierung schadet doch nicht. Boom Boom, er boomt, der Markt. Und der Biomarkt ist immer der erste Aufschlag. Dann kommt die Feinkost. Und der Laden mit der italienischen Kinderkleidung. Die Fahrradmanufakturen. Überhaupt die ganzen Manufakturen. Nicht zu vergessen das erste von vielen zukünftigen Cafés mit diesen rhabarberigen Hipsterlimonaden, die alle so komische Logos im Holzfällerhemdlook haben. Karottenkuchen. Sojamilch. Der vegane Schuhladen. Die Privatkita. Privatärzte. Privatphysio. Eigentumswohnungen, Eigentumswohnungen und noch mehr Eigentumswohnungen. Die Stadt wächst und es sind die Assis aus dem Prekariat und der abstürzenden Mittelschicht, die in immer weiteren Kreisen des Stadtzentrums überzählig sind. Die Penner ohne private Krankenversicherung. Glückwunsch Weißenseer Spitze. Ihr seid an der Reihe. Freut euch. Seid glücklich. Es werde Licht. Es werde aufgewertet. Auch euch. Gerade euch. 20%. Können Sie nicht zahlen? Doch, können Sie. Geht schon. Dann nochmal 10%. Nochmal 10. Und nochmal. Nein? Geht nicht mehr? Wir hätten da was in Hohen Neuendorf. Sanierte Platte. Als Austausch. Und 3.000 bar auf Kralle. Ihre Nachbarn sind schon weg. Haben eingeschlagen. Ja. Es ist Brandenburg. Das schon. Aber mit S-Bahn-Anschluss. Dann sind Sie auch ganz schnell wieder hier. Wenn Ihnen dann hier überhaupt noch was gefällt. Oder Sie das, was es hier zu kaufen gibt, überhaupt noch zahlen können. Wissen Sie was? Bleiben Sie besser weg. Sie wissen diese Kaffeebohnen sowieso nicht zu schätzen. Hohen Neuendorf hat auch einen Netto. Marken Discount. Klingt doch gut. Was wollen Sie denn noch?
Aber nein. Bitte nicht gleich wieder die Farbbeutel füllen. Der Biomarkt ist nicht das Problem. Auch nicht die Feinkostbutze. Und auch nicht der handgeröstete Kaffee, vorausgesetzt der Netto am Eschengraben kann bleiben, bei dem es das Pfund Magendurchbrecher für 4,99 gibt. Nein, der Biomarkt ist nicht das Problem, sondern nur das Symptom, das erste Zeichen, dass ein Kiez kippt. Dass es los geht. Anzieht. Hochwertiger wird. Und die Immobilientrusts sind dabei inzwischen so clever, für den Bauantrag immer auch ein paar Vorzeigemietwohnungen in ihre Bauprojekte mit einzuplanen, weil reine Eigentumsobjekte inzwischen einen ähnlich desaströsen Ruf haben wie Pub Crawls, Bierbikes, Journalisten oder die SPD. Vergesst es. Ihr kriegt sie nicht zu fassen, sie machen das trotzdem. Dann mietet eben der Schwippschwiegersohn die ausgewiesene Mietwohnung für eine Weile an und man verkauft danach an Selbstnutzer. Fuck Bauantrag. Für den interessiert sich in ein paar Jahren niemand mehr.
Nein. Der Biomarkt ist nicht das Problem, nicht der Verursacher der Lage, das ist der Senat, der den Wohnungsmarkt zuerst vorsätzlich wundgeschossen und das kippende Sozialgefüge danach über Jahre ignoriert hat, bis inzwischen kaum noch etwas zu steuern ist. Auch die billige Wahlkampfkosmetik in Form von untauglichen Millieuschutzmaßnahmen, mit denen jetzt im Nachinein die gegängelt werden, die als neue Monokultur einer gelangweilten und satten Erbengeneration schon da und nicht mehr wegzukriegen sind, und sinnlosen Verboten von Ferienwohnungen, zweiten Bädern und Fußbodenheizungen, die wie bei allen Verboten mit Ausnahme der Parkraumbewirtschaftung in Berlin sowieso niemand kontrolliert, können sie sich schenken. Bringt nix mehr. Denn die Stadt kippt von innen nach außen und die Profteure der Situation schmieren die Verursacher so wie sie es immer getan haben, so dass sich daran auch nichts ändern wird.
Schnell geht es inzwischen. Biomarkt. Feinkost. Kaffeerösterei. Rhabarberschorle. Energetische Sanierung. Wohnen auch Sie noch zur Miete? Wie tragisch.
Sagen Sie, wählen Sie noch? Ich hätte da einen Vorschlag.