Kotzen. Wälzen. Fliegeralarm.

Zu den Dingen, die Ihnen keiner sagt, wenn Sie Eltern werden, gehört der Fliegeralarm. 

Zum Beispiel um 2:30 Uhr in der Nacht. Noch ist alles gut. Die Kneipe unten lässt die Jalousien runter, hinten Richtung Prenzlauer Allee pöbelt ein Besoffener irgendwen an und der Weinkühlschrank brummt aus dem Wohnzimmer wie eine Turbine als wolle er abheben und irgendwohin fliegen wo seine Kakophonie aus Rattern und unrhythmischem Brummen geschätzt wird. Alles ist gut. Alles ist wie immer. Ich schlafe als läge ich im Koma. 

Wuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuääääääääääääääääääääääääääääääää… 

Aaaaah! Was ist das? Ist es soweit? Hat Claus Kleber Recht? Ist Putin da und überrollt uns, erst die Krim, dann den Donbass und jetzt Berlin-Prenzlauer Berg?

Natürlich nicht, es ist mein Kind. 

Zu den Dingen, die Ihnen keiner sagt, wenn Sie Eltern werden, gehört nämlich auch ein vollgekotztes Bett mitten in der Nacht. Ich meine nicht nur ein normal vollgekotztes Bett, sondern ein vollgekotztes Bett, in dem das Kind sich noch einmal so richtig herumgewälzt hat, so dass sich die Kotze nicht nur auf Bettdecke und Matratze nebst Kissen, sondern auch an der Wand, dem Nachtlicht und dem Bettvorleger wiederfindet. Alles nass. Und brockig. Malbücher. Kuscheltier. Selbst im Wasserglas neben dem Bett schwimmt ein Stück halbverdaute Karotte vom Abendessen.

Und natürlich bedeckt die Kotze das ganze Kind. Kotze in den Haaren, Kotze im Bauchnabel. Kotze in der Kimme. Das ganze Kind ist total angekotzt (Ki-Ka-Kalauerelfmeter aus der Fips-Assmussen-Gruft). Die Nacht ist maximal ruiniert, denn die nächste Stunde besteht aus Kindduschen, mit Seife, Shampoo und anschließendem Fönen, einer komplett neuen Bettwäschegarnitur und einem Eimer mit Schwamm, um die Kotze aus den verschiedenen Ecken und vom Bettvorleger zu rubbeln. Danach ist das Kind hellwach und will Memory spielen während Sie sich wundern, wo die Zentrifuge, die eben noch im Bett brüllend die Kotze geschleudert hat, ihre gute Laune her hat.

Das alles sagt Ihnen keiner, wie so vieles andere: Niemand sagte mir was von Dünnschiss auf meinem weißen Hemd morgens vor der Arbeit, das beim Wickeln in einer astrein waagerechten Linie horizontal aus der Rosette geschossen wird, oder nie enden wollende Brüllanfälle in gehobenen Restaurants (und nur dort! Nie an Currybutzen oder prekären Dönerstanden wo Gebrülle hingehört), nicht zu vergessen diese verdammten Koliken und das damit verbundene halbstündliche Aufstehen und Kindherumtragen in der Nacht, Dünnpfiff olé, Kotze hier, Kotze da, Kotze trallala, im Kinderwagen und natürlich hinten im Auto, so dass Sie auf der Autobahn Kotzebrocken mit dem Taschenmesser aus der Gurtschnalle pulen müssen, keiner erwähnte je die Sprengkraft einer am Arsch des Kinds explodierten Windel in der U-Bahn, wonach es stinkt wie im Inneren unserer Biotonne (oder wie der morgendliche S-Bahn-Spritti aus dem Hals), nicht geahnt habe ich auch, dass Freunde mit voller Absicht eine Drecksfußballtrommel, einen singenden, winkenden und blinkenden Stoffhund und tatsächlich einen aus dem Tunesienurlaub mitgebrachten Plüschaffen schenken, der auf Knopfdruck in einer füchterlichen Lautstärke eine arabische Volksweise in die Welt plärrt, die jeden Muezzin alt wie Abu Bakr Al-Baghdadi aussehen lässt, nicht zu vergessen diese ermüdenden Diskussionen mit einem drei-jährigen (!) Kind über Kinderfilmmerchandiseklamotten, niemand erwähnte die Perfidität von auf Kinderhöhe drapierten Überraschungseiern an Supermarktkassen und keiner hat mich darauf vorbereitet, plötzlich die Verwerflichkeit von Popeln, Kimmekratzen, Furzen, Rülpsen, Reden mit vollem Mund und Nutella mit dem Löffel essen predigen zu müssen (also all den Sachen, die ich gerne mache, aber von denen ich nun behaupten muss, dass man sie nicht machen darf).

All das sagt Ihnen kein Mensch vorher. 

Weil sonst kein Mensch mehr Kinder macht. 

Punkt. 

Jaja. Ich muss jetzt sagen, dass das alles nicht so schlimm ist, wenn das Kind einfach nur lächelt. Weil man das so sagt. Weil sich dann alle besser fühlen. Weil dann auch andere Leute Kinder machen, denen man in ihrem Zustand der permanenten Krisenbewältigung unter nervlicher Grenzbelastung großzügig zulächeln und sich freuen kann (die haben das Schlimmste nämlich noch vor sich, hoho, die armen Schweine).

Ist so.

Sicher. 

Kind ist toll. 

Ehrlich. 

Knallerst. Best of best. Dings. Ischwör. Aber echt. Das machen wir doch mit links. Alles. Machen wir das.

Haha. 

Gelogen.

Nein, nicht gelogen. Nur Spaß.

Oder doch gelogen.

Vielleicht auch nicht.

Machen Sie ruhig eines. Mir würde es sehr fehlen, hätte ich keins. 

Ehrlich jetzt.

Ich würde mir auch nicht glauben.

Stimmt aber.