
Sehen Sie das? Über meinem Kopf schwebt ein Pfeil. Da steht Honksammelstelle drauf. Und der Pfeil zeigt auf mich. Sie sehen ihn nicht? Dann sind Sie kein Honk. Der Pfeil ist nämlich unsichtbar für alle außer den Honks. Die sehen den. Damit sie mich finden. Überall. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass immer einer meine Wege kreuzt, völlig egal wo ich hingehe.
Heute bin ich in einem dieser gruseligen 70er-Jahre-Eisstadions, die von gruseligen 70er-Jahre-Eisstadionsprechern regiert werden, die unverständliche Befehle in 70er-Jahre-Eisstadionlautsprecher bellen. Warum bin ich hier? Na klar: Das Kind will unbedingt Eislaufen ohne es zu können. Und schon nach einer Viertelstunde ist klar: Da ist kein Talent. So wie bei mir. Das können wir nicht. Wir sind polnische Holzhacker mit Schädeln aus Granit, aber keine Elfen. Und das macht nix, denn Eislaufen is eh schlimm. Schnöselsport. Zehlendorfer Direktorengattinnen schleppen ihren verzogenen Nachwuchs dort hin. Statt Ballett.
Die Situation ist keine, in der ich Haltung bewahren kann. Ich habe ein Kind am Arm hängen, das fast im Sekundentakt hinfällt, wobei ich Mühe habe, nicht auch hinzufallen und uns damit zum vollkommenen Gespött zu machen. Es ist mühsam. Arbeit. Sehr anstrengend. Und weil die Situation immer noch ein wenig beschissener sein kann, flitzt um uns herum ein dürrer hässlicher Pirouettendreher mit Klugscheißerbrille – ganz in schwarze Gummipelle gepresst – und muss zeigen was er kann. Männer. Die Pest. Sein Eislaufschwanz ist dicker als der von allen anderen und das muss er zeigen. Und weil wir es nicht können, macht er seine Pirouetten bei uns. Zissssch. Rrrrritsch. Und nochmal. Zissssch. Rrrrrrritsch. Ein Wichser. Ein Kleingeist. Wäre das hier ein See, würde ich ein Loch ins Eis sägen und ihn an einen Traktorreifen gebunden auf dem Seegrund verscharren.
Der Spaßfaktor auf diesem scheiß Eis nähert sich gerade dem Erdkern, da kommt der Pirouettendreher neben mir mit – Rrrrrrrrritsch! – quietschenden Kufen zum Stehen und scheißt sogleich klug: „Sie haben stumpfe Schlittschuhe. Die Kufen müssen geschliffen werden. Das Kind rutscht seitlich weg.“ „Fick dich du Arschgesicht oder ich stopfe dir dein Vollkörpergummianzugpenisersatzding ins Maul und pisse dir danach ins Gesicht“ denke ich und grinse Schlaubi Schlau mit der schiefsten Fratze an, die ich aufbieten kann. Eigentlich muss ich jetzt aufgrund irgendwelcher Konventionen Danke für seinen wertvollen Hinweis sagen, doch ich kann’s nicht. Ich kann nur schief grinsen. Mehr geht heute nicht.
Dennoch vielleicht keine schlechte Idee mit der Schleiferei, also schlurfe ich zur Ausleihe und tausche die geliehenen Kinderschlittschuhe gegen ein paar frisch geschliffene um. Doch das bringt gar nix. Das Kind verbringt noch mehr Zeit mit den Knien auf dem Eis statt aufrecht und ich muss sogar noch mehr darauf achten, nicht gleich mit aufs Maul zu fallen, weil es inzwischen nicht mal mehr die Motivation aufbringen kann, länger als eine halbe Sekunde auf den Beinen zu bleiben. Das bin ich. Das ist mein Leben. Ein Vater bei der Schwerstarbeit. In der Scheiße des Angesichts. Für zwei verdammte Stunden habe ich bezahlt, doch den Unsinn hier werde ich in ein paar Minuten abbrechen. Es bringt nix. Eislaufen ist scheiße. Weiß auch jeder. Und das Kind weiß es jetzt hoffentlich auch.
Rrrrrrrritsch!
„Darf ich mal?“
Oh nein. Schlaubi Schlau spricht uns an. Der dürre Pirouettendreher mit der Scheißbrille. Er kann offenbar nicht mehr mit ansehen wie wir uns abmühen. Wie ich mich abmühe. Und deshalb greift er jetzt ein. Zieht die Sache an sich. Übernimmt die Regie und verbringt die nächsten zehn Minuten damit, mein Kind neben sich her zu ziehen, das doch nur wieder im Sekundentakt hinfällt. Und aufsteht. Und fällt. Und aufsteht.
Schnell wird klar: Er hat sich über- und die Situation unterschätzt. Das gefällt mir. Da wollte er zeigen, dass er das Eislaufen besser vermitteln kann als der dumme Klops von Papa und hängt jetzt in der Dauerschleife seines eigenen Größenwahns fest. Sehr geil.
Ich beschließe, ihn nicht aus dieser Situation zu befreien. Es wäre ganz einfach. Ein schlichtes „Danke für die Mühe, ich glaube, ich weiß jetzt wie es geht“ sagen und das Kind wieder an mich nehmen. Nix is. Leide mal schön, du blöder Honk. Haha. Da schnauft er. Er müht sich ab. Das Kind fällt und fällt. Er schaut ganz schön angestengt. So ein Kind wiegt ja auch was und er fast nix. Physik. Das schlaucht. Und ich schaue zu. Was für ein dummer Idiot.
Die Sache ist enorm zäh. Denn immer wieder fällt das Kind. Und das stresst ihn. Er wird immer verkrampfter. Seine Nerven scheuern sich blank. „Jetzt streng dich doch mal an!“ rutscht ihm raus. Ich grinse nur. „Du musst die Beine anspannen. Gleiten. Laaaaangsam. Nein! Nicht so.“ müht er sich ergebnislos ab. Er ist gereizt und mein Kind hat sichtbar keinen Bock mehr. Ist das eine arme Sau. Fette Fresse und abgekackt. Sowas kommt von sowas. Dumme Männer brauchen genau so eine Lektion. Auch wenn sie es beim nächsten Mal wieder genauso machen werden. Dicke Eier. Selbstüberschätzung. Den Affen markieren. Einen dicken Haufen in die Ecke scheißen wollen und dann doch nur kleine Hasenkugeln rauspressen können.
„Lassen Sie gut sein. Wir wollen gleich Pommes essen gehen.“ rette ich ihn irgendwann doch aus dieser für alle untragbaren Situation, die vor allem auch dem Kind ernsthaft auf die Eier geht. Erleichterung ist gar kein Ausdruck. Ich kann gar nicht so schnell kucken wie der Pirouettenmann weg ist. Und sein dummer Gummianzug glänzt am Horizont.
So what. Eislaufen ist scheiße. Sag ich doch. Kein Talent. Wenigstens verkaufen sie hier Pommes. Was für ein Honk. Glückwunsch.