
Ich habe in meinem Leben auch manchmal klug gehandelt. Selten, aber doch. Als mp3 begann, sich aus der Illegalität heraus zu etablieren, habe ich meine dicke CD-Sammlung aufgelöst, bevor der Preis für Musik-CDs ins Bodenlose fiel. Das war kein Problem. Es gab da diese CD-Börsen in irgendwelchen Turnhallen, vor Kaufland oder in der Mensa der TU. 5 Euro gab es im Schnitt für eine dieser Scheiben. Für Massenware weniger, für Seltenes mehr. Gesehen, probegehört, gekauft. Schauen, kaufen, glücklich sein. Und wer glücklich ist, reklamiert nicht. 800 Euro habe ich gemacht.
Ein Jahr später war eine Musik-CD nichts mehr wert. Zu einem Bekannten, der zu spät erkannt hat, auf welchem zukünftigen Metallschrott er sitzt, und der in Panik seine 300-teilige Sammlung verkaufen wollte, kam ein schnöseliger Prä-Hipster mit zu viel Bart jedoch noch ohne Dutt nach Hause, der sich den Schatz mit aufgesetzter Langeweile durchsah und dann mit der Kälte eines Hedgefonds-Managers 40 Euro für den ganzen Audiomüll bot, den er mit Sicherheit für locker 300 weitervertickt hat.
Die Gunst der guten Timings. Ich hatte rechtzeitig verkauft. Der Bekannte musste verramschen. It is a dirty game. Rechtzeitig den Schnitt machen und die Nachwelt im Regen stehen lassen. So funktioniert Kapitalismus. Ich bin ein guter Schüler. Da sehen Sie mal.
Gleiches wollte ich vor ein paar Jahren mit meiner groß gewordenen DVD-Sammlung machen. Die ersten Videostreaminganbieter gingen gerade an den Start, mehr stümperhaft als brauchbar, aber dennoch ein Zeichen dafür, dass die Zeit der DVDs und BlueRays so zügig vorbei gehen würde wie die der CD.
Ich habe 200 Filme, die zuhause die Regale verstopften, bei Amazon eingestellt. Marketplace. Schnitt 5 Euro. Mal mehr. Mal weniger. Sie kennen das.
Das ging eine Weile gut, dann kippte das. Dann kreuzten die Arschlöcher meinen Weg. Die Verarscher. Die Abzocker.
Der Klassiker dabei war der hier: „Hier ist nix angekommen.“ Wahnsinn, was da alles weggekommen ist. Die Deutsche Post muss in der Zeit ganze Stapel an Päckchen von mir gefressen haben. Ich stellte mir prekäre Post-Subunternehmer vor, mit denen sie die teuren zuverlässigen Beamten ersetzt haben, die vor lauter Hunger an meinen Paketen herumdrückten, um herauszufinden, ob es DVDs sind, die sie aus der Verpackung reißen und veruntreuen könnten. Ach scheiße. Krimineller Verein, diese Post. Geht gar nicht.
Der Großteil der Verkäufe ging gut, sicherlich, verschwunden sind jedoch locker 15%, was mit Blick auf das Porto, das wegen Nichterhalt ersetzt werden musste, neben dem sonderbaren Warenschwund ein schmerzhaftes Verlustgeschäft bedeutete.
Wahrscheinlich waren die meisten Reklamationen Verarsche. So viel kann die Post gar nicht klauen. Ist ja auch ganz einfach. Irgendein Käufer in Reutlingen behauptet einfach, dass die Ware nicht angekommen ist und der arme Idiot von Versender aus Berlin hat keine Möglichkeit zu überprüfen, ob das tatsächlich der Fall ist. Was wollen Sie auch machen? Mit den Bullen da unten in Baden-Württemberg auf dem Dorf einreiten und das Kinderzimmer filzen, ob sich die Saw II-DVD nicht doch vielleicht noch dampfend im DVD-Player vom Sohnemann dreht, der einfach nur für lau ’nen Film von irgendeinem Idioten im Internet abstauben wollte?
Keine Chance. Sie haben keine Chance und die Besteller am anderen Ende der von Amazon Marketplace wissen das auch. Leicht gezockte Ware. Behaupten Sie als Käufer einfach, dass nix ankam und Sie erhalten Kaufpreis nebst Versandkosten zurück und sitzen dazu noch auf dem Film. Ganz einfache Sache. Ein Eldorado für Abzocker.
Varianten sind auch möglich. Ich hatte einmal diese hier: „In den Hüllen waren nicht die Filme drin, die ich bestellt habe.“ schrieb er mir, der Gnom. Gekauft hatte er „True Romance“ und „Night on earth“, zwei Filme, die zu der Zeit gerade nicht auf DVD aufgelegt wurden und entsprechend teuer waren. Bei 30 Euro stand der Kurs für beide. Nun waren sie weg. Ersetzt durch zwei andere Scheiben.
Ich schrieb zurück, dass in der Hülle beim Versand natürlich die beiden richtigen Filme enthalten waren und welche er denn nun stattdessen erhalten habe. Ben Hur und Cassablanca seien drin, schrieb er. Beides Filme, die ich nicht hatte. Nie hatte. Nie gesehen. Nie besessen.
Ich habe ihm das ganze Geld zurückgebucht, weil ich weiß ja: Sie haben keine Chance. Bei Amazon sowieso nicht. Wenn Sie da als Verkäufer rumbocken, schreibt Amazon den Betrag zwangsweise gut, wenn sich der Käufer an den Support wendet, und sperrt Sie als Zugabe gerne mal. Und beweisen können Sie in dieser Preisklasse sowieso nix, weil Sie den Versand für die paar Euro Warenwert natürlich nicht versichern. Keine Chance also. Sie können den Scheiß nur abhaken und abschreiben.
Ben Hur und Cassablanca. Ich schüttel‘ heute noch den Kopf. Na klar, du Arschloch. Glaubwürdiger wäre nur noch „Zwei Supernasen tanken Super“ gewesen. Oder Liebesgrüße aus der Lederhose. Wie kann ich mir das vorstellen? Da sitzt einer bei der Post, ertastet DVDs und tauscht sie gegen Scheißfilme aus? Das soll ich glauben?
Auch wenn ich mit den ganzen DVDs in der Summe immer noch halbwegs gut und vor allem rechtzeitig aus der Nummer rausgekommen bin, ist mir dieser eine Bastard mit seinem scheiß Ben Hur und seinem scheiß Cassablanca stets in Erinnerung geblieben. Ben Hur. Ja klar. Spacko. Verarsch mich doch.