Peking Ente an kontaminiertem Ort

Hui. Hier stand mal die Reichskanzlei vom blöden Adolf. Sieht man gar nichts mehr, oder? Das ist Absicht. Haben sie alles abgetragen und Wohnhäuser hingestellt. In Mitte. Wohnhäuser. Zum Mieten. Absurd, nicht? Natürlich war das vor 1989. Heute baut doch niemand in Mitte was zu mieten. Haha. Allein der Gedanke…

Ich esse Chinesisch an diesem Ort. Und sicher, es ist ein verdammt hässliches Gebäude inzwischen (boar ist das hässlich, eigentlich ist die ganze Umgebung hässlich, absolut furchtbar sogar, sie machen hier nix, das sieht man), doch hier chinesisch zu essen ist cool, der völlig bekloppte Gedanke, am Ort von Adolf Hitlers untergegangenen Neuen Reichskanzlei eine Peking Ente zu verschlucken, ist so abgedreht, dass es mir gleich doppelt gut schmeckt.

Das, was sie hier servieren, ist nicht nur gut, sondern auch noch authentisch. Und wir wollen ein chinesisches Restaurant immer authentisch. Kein Vietnamese. Kein Kambodschaner. China. Auch wenn ich gar nicht so richtig beurteilen kann, was authentisch ist und was nicht, denn nach China habe ich es nie geschafft. Jedoch merke ich, wenn es so schmeckt wie selten sonst, nicht so wie in all denn zwei Millionen Chinabutzen der Stadt, die in allen ihren Geschmacksfacetten austauschbar sind und auf jeden Fall den gleichen Großhändler haben, der immer diese freundlichen Türsteherfressen den monatlichen Beitrag für seine Sozialkasse abholen lässt. Ich esse zu Mittag in solchen Buden, ich kann sie nicht mehr sehen.

Ich bin öfter hier in der Voßstraße Ecke Wilhelmstraße. Und gegessen habe ich bisher folgendes:

Die Peking Ente (oft).
Die Auberginen mit dem Knoblauch.
Die Dim Sum.
Das gekochte und dann gebackene Lamm.
Das Gung Bao-Hühnchen.

Alles sensationell. Alles. Ohne Ausnahme. Begeisternd. Absolut gut. Keine Abstriche. Ganz groß.

Die Einrichtung ist dankenswerterweise nicht so überladen kitschig geraten wie es mir gerne immer wieder quer durch die Republik die Tränen in die Augen treibt – nein, nix, keine bunten Drachen, keine rot-gelben Lampions, keine grünen zackigen Zierleisten, kein Firlefanz, kein Folkloretand. Nix. Recht nüchtern, das Ganze, aber mit Stil. Sozialistischer Realismus in der Innenarchitektur könnte man das nennen. Nice. Inzwischen mag ich das wieder.

Nun mach ich in solchen Lokalen, die vorgeben, authentisch zu sein, gerne mal den Test und bestelle diese Nudeln, diese fiesen gebratenen Nudeln, die man auch am U-Bahnhof aus prekären alten Blechpfannen bekommt und die gerne stundenlang vor sich hinmodern, bis sich ein Besoffener erbarmt und den Scheiß für 2,50 isst, danach vor lauter Glutamat fünf Liter Wasser Bier hinterherkippt und dann doch immer noch einen Brand hat wie sonst nur morgens.

Kurz: Auch diese verdammten Nudeln sind hier gut.

Dennoch, wenn Sie mich nach einer Empfehlung fragen: Nehmen Sie die Peking Ente. Das Lokal heißt nicht nur so, sondern hat sich auch auf das Gericht spezialisiert. In anderen Lokalen müssen Sie die Peking Ente bis zum Vorabend vorbestellen, denn ihre Zubereitung braucht viel Geduld und vor allem Zeit. Hier müssen Sie das nicht, denn der Durchsatz ist offenbar so hoch, dass sie hier auf Vorrat produzieren können, will sagen: Die Dinger kommen so oder so weg. Weil sie gut sind.

So lasset es schlechte Essensbilder regnen:

Ich habe da eigentlich nur einen Wunsch, aber den mit extra Zucker obendrauf: Möge das Lokal bleiben wie es ist. Viele machen in so einer Situation den Fehler, dass sie noch mehr verdienen wollen und sparen an den Zutaten und/oder schrauben den Preis für das Essen in obszöne Höhen. Ich weiß, wir sind hier im Regierungsviertel, aber vielleicht bleiben die Dinge auch mal wie sie sind. Gut und günstig.


Peking Ente
Voßstraße 1
Mitte
http://www.peking-ente-berlin.de

Geschichtliches

Bürgerinitiative Wilhelmstraße