Bayernmichel

Die süddeutsche Totalübernahme von Prenzlauer Berg hat unbestreitbare Vorteile – zumindest in kulinarischer Hinsicht. So eröffneten in den letzten Jahren einige schwäbische, bayerische und hessische (!) Restaurants, aber auch ausgewiesen schwäbische Bäckereien buhlen hier um Anklang bei ihren ausgewanderten und an diesem Ort konzentriert niedergelassenen Landsleuten. Multikulti geht hier in der Stadt eben immer auch durch den Magen. Oder meinetwegen zuerst ausschließlich durch den Magen. Annäherung durch Fressen. Döner. Gyros. Maultaschen. Mein Berlin. Wir absorbieren, aber vor allem wir fressen alles. Ich finde das gut, vor allem wenn die kulinarischen Beiträge so oft mustergültig und auf landestypische Art auf den Tisch gebracht werden ohne dabei anbiedernd oder gar plakativ folkloristisch zu sein.

Diese ganzen Refugees aus den südlichen Bundesländern importieren nebenbei ihre ganzen örtlichen Konfliktlinien. So hören Sie immer häufiger an den Nebentischen Prenzlauer Bergs Diskussionen über Schwaben und Badener. Franken und Bayern. Mainzer und Wiesbadener. Niedertalfingern und Obertalfingern. Es gibt offenbar nicht wenige ethnische Vorbehalte im Kreise der aus diesen Regionen Geflüchteten. So ist das. Da braucht es Fingerspitzengefühl. Und Nachsicht. Es wird Generationen brauchen bis die alten Wunden verheilt sind. Aber wir schaffen das.

Zurück zum Thema. Da Berlin kulinarisch wenig Eigenes aufbieten kann, das mich nicht sofort mit einer App nach dem nächsten Klo suchen lässt, müssen wir hier sowohl Fachwissen als auch Können eben importieren. Machen wir gern. Wir gehen da hin. Finden wir gut.

So wie den Bayernmichel in der Bornholmer Straße.

Okay, die Inneneinrichtung. Na gut, Geschmack. Was ist schon Geschmack? Auch nur relativ.

Und volkstümlicher Mummenschanz in einer Nische. Der ist auch relativ.

Bodenständig und erfreulich unaufgeregt dagegen bietet der Bayernmichel seine Klassiker der bayerischen Küche an und dies sehr ordentlich und in großen Portionen, die vom irritierend berlinernden, dafür aber überraschend freundlichen Personal (irgendwie mag es immer noch nicht zusammenpassen) aufgeboten werden und dazu noch – in Prenzlauer Berg nicht mehr ganz selbstverständlich – preislich auf dem Boden geblieben sind.

Die Terrasse draußen ist gut gemeint, vor allem im Sommer wegen des Schattens, ist an der belebten Bornholmer Straße mit ihrem notorisch motorisierten Dauerlärm, der durch die Hecken nur unzureichend gedämpft wird, jedoch nur zu empfehlen, wenn Sie wollen, dass Ihre Begleitung für die Dauer des Aufenthalts die Fresse hält – also ideal für ein Essen mit Arbeitskollegen, der Schwiegermutter oder dem Partner, den Sie nicht mehr ertragen und bald abservieren werden.

Was gab es eigentlich? Na klar. Fleischcontent. Eine Haxe = mindestens zwei Wochen weniger Lebenszeit. Doch die war die Sache wert.

Nein, kein schlechtes Wort über den Bayernmichel aus Prenzlauer Berg. Nicht hier. Nicht heute. Sie müssen mir nicht alles glauben, das jedoch vielleicht schon: Sie essen dort gut.


Zum Bayernmichel
Bornholmer Straße 87
Prenzlauer Berg
http://www.bayernmichel.de


Sie kennen das ja: Keine Vergünstigungen, keine Geschenke, kein Freibier für diese Hymne.