
Berlin. Meine Stadt bietet ein unerschöpfliches Reservoir an Honks. Es hört nie auf. Ein Füllhorn. Ein Perpetuum mobile. Eine nie versiegende Güllepumpe der Idiotie. Ein honkscheißender Esel. Ich könnte diesen Blog meinen Kindern vermachen und dann würden die über die nächsten 50 Jahre wöchentlich über Honks berichten, weil sie nie weniger werden, weil sie immer wiederkommen, immer nachwachsen, und wenn meine Kinder dann irgendwann abtreten, geben sie den Blog an meine Enkel und Urenkel weiter, auf dass sie die Flamme des nie versiegenden Stumpfsinns weitertragen bis sich irgendwann die Erde auftut und diese verdammte Stadt voller Verpeilter und Verstrahlter endlich verschluckt.
Heute wähle ich den Klassiker: Ein Taxi. Wenn Sie einen Honk haben wollen, dann ist unter den Taxifahrern der Hauptstadt die Chance auf einen so groß wie nirgendwo (dicht gefolgt von Lidl, meinem Fitnessstudio und der Berliner S-Bahn).
Ich komme aus dem Baumarkt. Und brauche einen Transport. Mit dem Taxi. Weil ich mich mit dem Waschbecken ver- und meine Kräfte überschätzt habe. Dieses Keramikmonster kann ich nicht mit dem Öffentlichen Nahverkehr nach Hause fahren, da bricht mein Kreuz durch und ich kratze früher ab als ich vorhabe.
Ich zünde die App und es erscheint der Taxifahrer des Grauens.
Und kackt mich schon an bevor ich eingestiegen bin.
„Ah, Kurzstrecke. Da verdien‘ ick ja nüscht. Ick nage am Hungatuch. Verdiensse ja nüscht mehr hia. Allet jeht’n Bach runta. Kurzstreckentarif is nich, weeste schon, oda?“
Meine Nerven. Ein Sabbler. Halte durch, liebe Seele, es ist nur eine Kurzstrecke. Drei, vier Ampeln die Prenzlauer Allee runter und gut.
Als ich im Wagen sitze, sabbelt er weiter.
„Den Bach runta jeht allet.“
„Mmmh…“
„Erich is schuld. Hörste? Erich!“
„Was für ein Erich?“ frage ich müde.
„Na Erich!“
„Erich Weinert?“
„Honnecka!!!“
Oh nein. Nicht schon wieder so ein Stasi-Onkel. Fahren die jetzt alle Taxi, seit das Nachtwächtergewerbe den Mindestlohn bekommen hat? Das Blöde ist: Ich kann nicht aussteigen. Da hinten liegt das Waschbecken des Todes und bis ich das fiese Ding aus dem Wagen gewuchtet habe bin ich zuhause.
„Erich! Hätte Erich nich so ne Scheiße gebaut, gäbs dit allet hier nich. Die ganzen Muschpoken, die ganze Scheiße, deine scheiß App!“
„Meine App?“ frage ich in der Dummheit nach und wünsche mir zum ersten Mal eine gnädige Ohnmacht. Oder besser gleich einen Schlaganfall.
„Ja, diese scheiß App, is doch allet scheiße mit der neumodischen Scheiße. Früher habta anjerufen. Jeht doch auch. Versteh ick nich. Äpp Äpp Äpp, imma Äpp, ick fühl‘ ma veräppelt hahahaha.“
Ein Hirnschlag wäre auch gut. Irgendeine Synapse läuft Amok und fabriziert einen Totalausfall der Systeme. Dunkelheit. Stille. Wie schön das wäre.
„Mir egal. Ick wähl die Braunen. Die aus Köpenick.“
Na klar, das auch noch. Ich verstehe schon. In Köpenick steht die Bundeszentrale der NPD. Ein Nazi. Na klar. Warum hat sich dieses Land so affig mit den Handfeuerwaffen? Ich will mich einfach nur erschießen und kann nicht. Scheiß Pazifisten.
„Und dann die Russen. Die scheiß Russen. Nur Russen überall. Wie Besatzer. Wie damals die Rote Armee. Genau wie damals.“
Ich wünsche mir einen Unfall. So richtig mit Lastwagen. Schwertransporter. Mit Betonteilen und Stahlträgern. Auf uns drauf. Damit es endlich vorbei ist. Doch die liebe Seele findet keine Ruh‘:
„Türken! Nen Türken kannze bestellen. Als Taxifahrer. Nen Türken. Wennde willz. Nur keen Deutschn’n.“
„Wie geht das denn?“ Ich lerne nicht, mein Maul zu halten, sondern stelle tatsächlich wieder eine Frage.
„Die sin ja clever, die Türken. Die bestellen keene Türken sondern Taxifahrer, die türkisch sprechen. Kannze einstellen. In deiner scheiß App. Ha! Dit is alles so eine Scheiße, diese janze Multikultikacke, diese janzen Affen, die se da getz ins Land holn’n…“
Ich blende mich aus. Wir sind eh da. Da hinten rechts wohne ich. Aus irgendeinem Grund treffe ich in letzter Zeit wieder häufiger auf Rassisten. Sie kommen aus ihren Löchern. Ganz offen. Egal wo. Sie suchen und sie finden mich. Immer wieder. Honks. Nazi-Honks. Kalt wird’s werden. Ganz kalt. Glückwunsch.