
Wenn ein Blogger ein Buch schreibt, dann gilt für die Blogosphäre die eiserne Regel: Es wird nicht negativ rezensiert und schon gar nicht verrissen. Sobald das Buch herauskommt und stolz vorgestellt wird, können Sie die Zeit messen: Schon nach zwei Tagen liegen die ersten begeisterten Rezensionen gut gelaunter Follower vor, meist im Tonfall einer Laudatio für einen sinnlosen Provinzbuchpreis der örtlichen Caritas oder dem unserer Trauerfigur von Chef im Borgwürfel, wenn die Jahresboni verteilt werden und die üblichen Arschlöcher so überrascht tun wie der Mathe-Streber einer beliebigen Schulklasse, wenn er wieder seine Prädikatszensur bekommt.
Rezensionen von Bloggern über Bücher von anderen Bloggern sind so wenig überraschend, dass ich sie nur noch grob überfliege, um ein ungefähres Bild vom Inhalt zu bekommen, denn sensationell gut sind sie ja alle. Also die Bücher. Von den Bloggern. Schreiben zumindest alle. So weit so fade.
Kollegiale Rezensionen in der Blogosphäre sind damit kaum erhellender als Klappentexte – nur ohne das billige Rückseiten-Schlagwortgebrüll irgendwelcher Promis oder tütenbrüstiger Printmagazine („Sensationelles Debüt!“ «Brigitte», „Ein diebisches Lesevergnügen!“ «Apotheken Umschau», „Des Wahnsinns fette Beute!“ «Michael ‚Bully‘ Herbig»).
Ich werde diese Routine brechen und das Buch eines Bloggers verreißen. Ja. Miese Tour. Kollegenschwein. Nestbeschmutzer. Arscharsch. Verstößt gegen die Regeln. Weiß ich. Doch ich muss. Denn es war schlecht.
Es ist das Buch Drakula gegen Dracula von Andre Lux.
Ich wähle als äußere Form das Managersandwich (Lob-Kritik-Lob). Ich kann nichts anderes. Ich muss im Borgwürfel manchmal irgendwelchen dahergelaufenen Azubis ein Feedback geben und wenn ich das nicht nach dieser Wattebäuschchen-Methode mache, brechen die in Tränen aus und rennen weg. Also muss ich mit großer Anstrengung so tun als wären die gar nicht so blöd wie sie sind, sondern irgendwie ganz okay, so als Mensch, sonst hängt mir dieser dämliche Quälgeist von Auszubildendenvertreterin im Nacken und faselt was von seelischer Misshandlung oder so.
So. Lob. Das Managersandwich beginnt mit Lob. Ich mag ja den Blog des Autors, Egon Forever!. Clevere, lakonische, um die Ecke witzelnde Tiefsinnigkeit, die auf aberissenem Karopapier daherkommt, na klar, das ist so gewollt vintage wie das scheiß Hipstercafé bei mir umme Ecke, das mit dem Bunsenbrenner vorsätzlich den rustikalen Eichentisch ankokelt, damit der Mist so authentisch wie früher aussieht als es hier noch Eckkneipen gab. Der Unterschied ist: Egon Forever! ist zwar gewollt vintage, aber trotzdem cool. Schwöre. Egon Forever! ist sehr cool.
Gar nicht cool hingegen ist dieses Buch. Holzschnittartige Charaktere, eindimensional, schablonenhaft, keine Figur in Sicht, die ich nicht ein paar Seiten später wieder vergessen hätte, nichtssagende Protagonisten, fade Kulisse, trotz viel Blut eine entnervend angestaubte Story, die ums Verrecken nicht mitreißen mag.
Die Handlung ist selbst für einen Splatterroman zu unglaubhaft, um einfach so durchgehen zu können. Da baut jemand einen Unfall, bei dem seine Freundin auf dem Beifahrersitz stirbt, er hat sogar einen Knochen von ihr in der Hand, der restliche Körper ist Matsch und kurz nach dem Unfall geht der Unfallfahrer zu ungerührt um nachvollziehbar zu sein mit seinem Mörder an den Ort der Hinrichtung. Nein, das ist nicht mehr abgeklärt, das ist blöd. Es ist einfach Unsinn. Da schalte ich ab und will es nur noch hinter mich bringen.
Die Geschichte soll wohl absurd und überdreht daherkommen und ein Klappentextschreiber würde sie wohl auch genau so beschreiben („Herrlich absurd! Köstlich überdreht!“ «Emma»), doch das Problem ist: Das ist sie gar nicht. Keine Volte. Keine Überraschung. Maximal müde Versuche der Überzeichnung, aber weit weg von Sprachkunst wie Matt Ruffs „Fool on the hill“. Es ist nicht mal ein bisschen witzig. Ich habe nicht gelacht, sondern hatte nur Mitleid beim Lesen. Mit mir.
Dazu kommt die enttäuschend einfache Sprache. Das ganze Buch liest sich wie ein zu lang geratener Versuch, im Deutsch-Grundkurs von einer 5 auf eine 4 zu kommen, um doch noch versetzt zu werden. Keine Raffinesse, keine spürbare Lust an der Sprache, nichts Spielerisches hängt dem Roman an, nicht die Spur der wortgewaltigen Leidenschaft wie sie andere literarische Blogger drauf haben und nicht zuletzt kein Hauch der wortwitzigen Cleverness, die ich aus den Comics von Herrn Lux kenne und sehr mag. Trotz der quälend simplen Sprache taugt es nicht einmal als Kinderbuch und das nicht nur der unglaublichen Langeweile, sondern auch der gewollt-obszönen Wortwahl wegen, die doch nur aufgesetzt wirkt. Ficken. Arsch. Kacka. Irvine Welsh würde abwinken. So geht’s nicht.
Die dunkle Straße lag vor ihm. Doch bereits seit Stunden konnte Rüdiger Fitzgerald nicht mehr erkennen als seine fahlen Scheinwerfer, welche immer blasser zu werden schienen.
Mit diesen Worten, die klingen wie aus einem Schulaufsatz über den Klassenausflug der Mittelstufe der POS „Alfred Kurella“ nach Osterode/Harz, fängt das Buch an. Schwacher Opener, schwache Story, schwacher Wortwitz, ganz schwaches Buch. Und bereits seit Stunden konnte Mike Stevenson nicht mehr erkennen als die müden Sätze, welche immer blasser zu werden schienen. Das Beste an dem Werk ist, dass es kurz ist und in der eBook-Version nur 4,99 € kostet. Quasi ein Doppel-Döner mit Feta vom U-Bahnhof. Günstig und schnell verdrückt, wenn auch nicht lecker.
Nein, bedaure. Kein gutes Buch. Talente sind allzu oft nicht gleichmäßig verteilt. Ich kann zum Beispiel keinen Tango. Oder einen Salto auf einem dieser Gummiseile, die bärtige Hipster (mit Dutt, immer mit Dutt) auf dem Falkplatz zwischen unschuldige Bäume spannen. Kann ich halt nicht. Also mach‘ ich’s auch nicht. Und Herr Lux sollte die Finger von Büchern lassen und bei den Comics bleiben. Das kann er. Das kann er richtig gut (Sie sehen: Noch ein Lob zuletzt und sanft schwebte der Meister der Mitarbeitermotivation aus dem Konferenzraum, um sich auf der Kloschüssel der Betriebstoilette, deren Brille schon vor Jahren einen ihrer beiden Gumminupsis verloren hatte, einen runterzuholen).
So. Und nu? Noch ein paar Links. Read this:
moep0r: Review: Drakula gegen Dracula (Andre Lux, 2015)
bierschinken.net: Andre Lux: Drakula gegen Dracula
Von mir abweichende Meinungen.
Vom räudigen Leben, der Wucht & dem Nimbus: Wenn das Herz zusammenkracht
Vom Infarkt. Und vor drei Tagen starb jemand an Krebs, dem die Freude über das Leben aus jeder Pore schien und der mich mit seinem Lachen immer angesteckt hat. Der Tod ist ein Arsch, aber notwendig. Denn könnte man ihn bezahlen auf dass er fort bliebe, würden die Reichen es tun. Und das gönne ich ihnen nicht.
zeilensturm: Als die Drogistin tot war
Vorübergehend geschlossen.
Fotoshopped.de: Open Air-Ausstellung “Fat Ladies” in Berlin
Fett. Aber geil.
Tanos Katzentisch: Stromae | Warum singst Du solche Lieder …
Tano | Was du so ausgräbst …
Elmshorn für Anfänger: Und es gibt sie doch: Krähenangriffe in Schleswig-Holstein
Drecks Krähen…
Jaellekatz: Seid gut zu Vögeln
Bin ich. (scnr)
Graphitti-Blog: Neugeborene
Ja, so is dat mit die Zwerge. Immer.
Fachschaftsinitiative Gender Studies: Statement zum Ausschluss von R.
Ich finde es nicht in Ordnung, diese armen Krämerseelen mit so einer vollkommen überspitzten Satire aufs Korn zu nehmen. Sie sind unter so vielen Aspekten gehandicapt, dass es ein schöner Zug wäre, sie in ihrem selbstgewählten gesellschaftlichen Exil ungestört und ohne Häme an sich selbst rumspielen zu lassen. Wegen mir gerne auch von meinen Steuern. Betreutes Studieren. Muss es auch geben. (via Genderama)
Und zuletzt das Rezept. Trocknen Sie doch mal Tomaten:
Berliner Küche: Ofengetrocknete Tomaten mit Knoblauchöl und Rosmarin