Zrrrrrrrckblabrmpf!

Sie sehen eine typische Szene in der Berliner S-Bahn morgens um acht zum Berufsverkehr. Vorausgesetzt natürlich, dass Sie noch reinkommen, denn die Bahnen sind voll bis nichts mehr geht. Gäbe es Gepäckfächer, könnte man die Menschen auch noch dort reinstapeln, aber die gibt es ja nicht.

Na? Haben Sie sich auf dem Bahnsteig ausgerechnet so positioniert, dass Sie genau zwischen zwei Wagen stehen wenn der Zug hält? Und jetzt bildet sich die Menschentraube des Todes an der nächsten Tür, von der Sie wieder viel zu weit entfernt sind? Warten Sie doch auf den nächsten Zug. 8:10. 8:20. Ist doch egal wann Sie zur Arbeit kommen. Haben Sie schon Ihr Abo für nächstes Jahr verlängert? Wieso fahren Sie eigentlich immer noch kein Auto?

Oder anders: Sie sind bereits in der Bahn, haben aber vergessen, sich strategisch günstig an der Tür zu positionieren und stehen jetzt irgendwo im Gang eingekeilt zwischen einem Lichtenberger Gerüstbauer und einem Prenzlpapa mit vor die Brust geschnalltem Brüllwürfel während draußen die Station erscheint, an der Ihre Arbeitsstelle liegt? Ach kommen Sie, fahren Sie doch noch ein Stückchen mit uns mit, jetzt wo wir alle so kuschelig beieinander stehen und uns gegenseitig wärmen. Schauen Sie, gleich geht es weiter. Da, Oranienburger Straße. Gleich kommt Friedrichstraße. Schön, nicht? Viel besser als arbeiten, finden Sie nicht auch? Spaß beiseite: Versuchen Sie an der Station Yorckstraße aus dieser Geisterbahn rauszukommen und zurück in die Gegenrichtung zu fahren, das könnte klappen. Krallen Sie sich dabei auf jeden Fall an der Tür fest und lassen sich nicht wieder in den Gang schieben. Sonst wiederholen Sie das Spiel eine halbe Stunde später in Schönholz.

Hey, jetzt schauen Sie nicht so verkniffen, Berlin kann nichts, wussten Sie das nicht bereits als Sie hergezogen sind? Berlin kann nichts, das muss man wissen, wenn man hier wohnt. Nur dieses Wissen erzeugt diesen sagenhaften Gleichmut, der verhindert, dass sich der Fahrgastpöbel in blinder Raserei gegenseitig auf die Gleise wirft und die letzten auf den Bahnsteigen verbliebenen Abfertiger an den maroden Signalmasten aufknüpft. Berlin kann nichts, deswegen kann Berlin auch keine S-Bahn und deswegen funktioniert die S-Bahn auch nicht. Einfache Kausalkette. So ist das. Und das ist jetzt auch Ihre Stadt. Ballyho.

Und ob ich das noch toppen kann: Wegen des großen Erfolgs verlängern wir das Trauerspiel bis 2023.

Und weil wir hier in Berlin noch viel weniger können als sowieso schon, haben wir die von uns im Senat durchgedrückte Ausschreibung so lange vergurkt bis nur noch einer übrig war und es ist der, der es immer ist: Die Deutsche Bahn. Konfetti für alle!

Ist das nicht toll? Wir tun nicht einmal mehr so als würden wir irgendetwas an der Situation ändern wollen, sondern spielen ein bisschen blöd rum, werfen ein paar Nebelkerzen, kreisen um uns selbst und lassen zuletzt einfach alles wie es ist. Soll der Pöbel doch an der Bahnsteigkante frieren. Oder Kuchen essen. Ballyho!

Was? Verantwortliche? Die gibt es nicht, die gibt es nie, wissen Sie doch. Irgendwer hat irgendwas beschlossen, was dazu geführt hat, dass eines der wichtigsten Verkehrsmittel der Stadt nicht mehr funktioniert, aber das lässt sich jetzt nicht mehr rekonstruieren, bedaure, Sie können niemanden mehr verantwortlich machen, weil niemand mehr Verantwortung übernimmt. Wowereit? Der kann doch nix dafür, der wusste das alles doch gar nicht. Und selbst wenn: Soll der etwa neue Züge zusammenbauen? Hallo? Sehen Sie, na also. Was? Müller? Der Verkehrssenator und künftige Regent? Was bitte hat der jetzt damit zu tun? Soll sich der etwa ins Führerhaus setzen? Als Senator? Hallo? Na also, sehen Sie. Was? Die Deutsche Bahn? Das ist doch ein Konzern, da gibt es grundsätzlich keine Verantwortlichen für gar nichts, meine Güte, Sie sind aber auch stinkend naiv. Bally… was?

23 – 74 – 90 – 2110. Hoffen Sie noch auf Fortschritt, auf ein Happy End dort an Ihrer Bahnsteigkante, Sie trauriger Clown? Hören Sie auf damit, denn das Idiotenspiel wird immer so weiter gehen. Zu wenige Fahrzeuge. Zu kurze Fahrzeuge. Zu alte Fahrzeuge. Zu kaputte Fahrzeuge. Und immer zu wenig Personal. Sparen bis es quietscht. Zugschaden. Weichenstörung. Signalstörung. Feuerwehreinsatz. SEV SEV Olé. Und in der Leitstelle sitzt ein dressierter Orang Utan, der mit einem Rouletterad und einer Kugel immer wieder neue Ausreden auf den schicken neuen Digitalanzeigern erscheinen lässt, warum wieder irgendwas nicht funktioniert oder irgendwas kaputt ist und ausfällt, auf dem Ring, auf der Stadtbahn, im Nord-Süd-Tunnel. Abwechslung muss sein. Immer nur Verzögerungen im Betriebsablauf ist doch langweilig. Und überhaupt: Leider muss die S2 nach Blankenfelde entfallen. Es befindet sich ein dreiköpfiger Affe hinter dem Zug im Gleisbett. Die nächste S-Bahn der Linie 2 kommt in 30 Minuten. Wir bitten um Verständnis. Da hinten am Humboldthain ist ein Puff. Gehen Sie ficken. Ballyho deine Mudder.

Tokio. Metro. Zusammengequetschte Menschen auf engem Raum. Zu solchen Zuständen wollen wir nicht hin, denn die haben wir schon, morgens um acht im Berufsverkehr. Ostkreuz. Friedrichstraße. Alexanderplatz. Da geht noch was. Bald stellen wir auch hier in Berlin Langzeitarbeitslose als Drücker ein, die drücken euch in die verdammten Wagen bis ihr quiekt. Nur so bekommen wir noch mehr Menschen auf noch weniger Raum untergebracht. Sparzwang. Weniger Raum, weniger Fahrzeuge, dafür bezahlen Sie jedes Jahr ein wenig mehr für Ihre Tickets. Haha. So doof wie Sie möchte ich nie werden.

Ich lebe in einer Schlumpfstadt. Hier geht gar nichts. Seit Jahren kuschele ich mich im Berufsverkehr in Achselhöhlen, ertrage den Maulgünther der ewigen Biersäufer zehn Zentimeter vor meiner Nase und nehme die Radfahrer hin, die sich und ihre Fußgängermähmaschine ums Verrecken noch mit in die kackevolle Bahn quetschen müssen. In dieser Schlumpfstadt geht nichts und schon gar nicht etwas voran. Die Deutsche Bahn bleibt Betreiber der Berliner S-Bahn. So viel steht fest. Bombenfest. Hooray. The bungle continues. Praise the Schlumpf.

Zrrrrrrrckblabrmpf! brüllt es aus den Lautsprechern. Zurückbleiben soll das heißen, was sowieso keiner versteht, der nicht sowieso hier lebt und diesen Witz goutieren kann. Zrrrrrrrckblabrmpf! Very nice, Buddybär. Die Bahn ist voll. Ich kann eh nicht mehr rein. Die nächste Bahn kommt in zehn Minuten. Zrrrrrrrckblabrmpf! Ich muss zurückbleiben. Feine und absolut unbeabsichtigte Ironie. Und mehr als feine Ironie bleibt auch nicht mehr, wenn der Eiswind in den Kragen pfeift und die Bahn, mit der Sie pünktlich zur Arbeit gekommen wären, langsam aus Ihrem Sichtfeld verschwindet.