Ick un indisch

Irgendwo im kulinarischen Dunst zwischen Treptow und Kreuzberg gibt es einen Inder, da sitzt nie einer drin. Nie. Den Inder gibt es da seit Jahren und er bietet jeden Mittag tapfer ein Mittagsgericht an, aber da sitzt nie einer. Keiner geht da hin. Zumindest sah ich da nie jemanden. Seit Jahren. Trotzdem macht der jeden Tag wieder auf. Was ist da los?

Manchmal packt mich der Wahnsinn. Ich muss dann da rein in solche Läden. Um die Ecke gibt es Pizza, die Hütte ist voll, scheint gut zu sein, aber ich will zum Inder. Weil da nie jemand ist. Ich will es wissen. Ich muss da wirklich rein. Was machen die da drin?

Na los doch, jetzt geb‘ ich mir den Mist, denke ich, und da kommt auch schon der Eisbergsalat.

Ich wusste, dass er kommt und hier ist er auch schon. Stilecht mit einem geschmacklosen Tomatenschnitz und Hengstenberg Weißweinessig. Ich weiß, dass es Hengstenberg ist, denn ich putze damit meine Badewanne, wenn der Oxit Cilit Bang Mega Total Harpoone FlicFlac Booster PowerPro Double Crunch mit SchimmelEx-Funktion, den es immer bei Lidl gibt, alle ist.

Ich bekomme vorab eine Suppe, eine Currysuppe – natürlich – mit irgendwelchen Klumpen, die sich wie Mehl zum Eindicken anfühlen. Oder wie Brotkrumen, Crème fraîche-Nester, Grippeauswurf, Nasenkotelett, vollgesogene Tampons, was weiß ich denn, aber das ist es natürlich nicht, es schmeckt anders, schon wie was zu Essen irgendwie, zumindest versuche ich mir das einzureden. Die Cola ohne Kohlensäure (dafür mit Eis) hilft beim Runterspülen der kruden Gedanken. Ein paar verwegene Blubberbläschen halten ganz unten links im Glas noch die letztlich unhaltbare Stellung, aber deren Ende ist absehbar. Leitungswasser wäre frischer gewesen, aber wer möchte schon wirklich wissen, was dann kommt, wenn man es bestellt.

Warum muss indisch so oft aussehen wie Dünnes morgens nach einer Nacht voller Jägermeister, Pfeffi und dem prekären Schnitzeldöner nach Mitternacht (weil der Drehspieß immer schon leergefressen ist)? Ein Lammcurry ist es. Die Karte bietet irgendwas um die 3.000 Gerichte auf, ich habe wahllos eines aus der Mitte herausgegriffen und es steht nach vier Minuten auf dem Tisch. Ich habe kurz eine Mikrowelle in der Küche bingen gehört. Respekt. In vier Minuten aufgetaut. Dafür schmeckt es scheiße. Das Fleisch ist zäh. Sehnig. Knorpelig. Das ganze Machwerk ist nicht scharf. Ich habe keine Ahnung was das soll.

Wahrscheinlich war es das einzige Lammcurry, das seit Jahren unten in der Truhe darauf wartet, dem Gewerbeaufsichtsamt als Beweis der Betriebsamkeit vorgeführt zu werden.

Und jetzt habe ich es gegessen.

Jetzt müssen sie ein neues machen.

Die Matrone in ihrer speckigen Schürze lächelt verwegen, als die Hälfte zurück geht und ich endlich zahlen möchte. Ich frage nicht nach einem Espresso, denn ein Red Bull vom Späti nebenan tut es auch. Das ist ein krasser Laden, er macht krasse Sachen und ich bin heute wieder schlauer geworden. Warum hier keiner sitzt, wird mir bewusst, als ich eine Fuhre Crème fraîche mit einem kleinen Knorpelstück zurück ans Tageslicht rülpse und der Magen eine Runde Saures spendiert.

Pay peanuts, get monkeys. So ist das hier. Es ist wieder soweit. Unsinn gefressen. Für Unsinn bezahlt. Und den Namen des Lokals vergessen. Hindu Tempel. Ganesha. Mubai Express. Taj Mahal. Irgendsoetwas aus der überschaubaren Namenstombola für blöde indische Restaurants. Ballyho.

Was bleibt?

Reis.

Am Ende bleibt Reis.


Festgemauert in den 90ern steht der Schlumpf im Siff erstarrt