
Das Schöne an den Honks ist: Die Geschichten gehen nie aus. Es kommt immer wieder ein neuer. Und er ist im Zweifel noch blöder als sein Vorgänger:
„… Generalverdacht …“
Mittagspause. Frankfurter Allee. Ich habe Hunger und stehe an der Kasse von real. Doch nichts geht voran, wie immer an der Kasse, an der ich stehe. Wenn Sie die Auswahl haben zwischen mehreren Kassen und an einer von denen stehe ich, dann nehmen Sie auf keinen Fall diese. Denn dort passiert viel, nur voran geht es nicht. Es gibt Centzähler, ungedeckte EC-Karten in Reihe, kaputte Barcodes, leere Kassenrollen, Werbeflyerleser, die den Preis irgendeines ranzigen Spitzendeckchens aus der Ramschecke in Frage stellen, vollkommen verblödete Umtauscher mit seit Monaten ausgelatschten und sowieso vom Umtausch ausgeschlossenen Crocks vom Grabbeltisch, die sie wieder los werden wollen, und Storno bis zum Abwinken.
Aber zur Choreographie, die verhindern soll, dass ich pünktlich das nächste sinnlose Meeting zu irgendeinem sinnlosen Thema unter Beteiligung sinnloser Funktionsträger erreiche, gehört heute auch ein Empörter.
„GENERALVERDACHT! SIE STELLEN MICH UNTER GENERALVERDACHT!“
Oha. Was will der Honk? Es klingt brisant.
„STAAAAAASI! GENERALVERDACHT!“
„Ich habe Sie nur gebeten, Ihre Tasche anzuheben.“
„DAS IST GE-NE-RAL-VERDACHT! WO SIND WIR DENN HIER?“
Oh nein. Tasche anheben? Das ist er? Der Grund für den Alarm?
„Heben Sie doch einfach kurz die Tasche an bitte.“
„ICH LASS MICH NICHT VON IHNEN UNTER GENERALVERDACHT STELLEN!! STASI!!“
Und so weiter. Ich erwäge den Wechsel an eine andere Kasse, aber die Omadichte ist hoch heute. Gab es Rente heute früh? Keine Ahnung, ob heute Auszahlungstag ist oder warum die alle ausgerechnet jetzt im Moment zu diesem Zeitpunkt aktuell gerade einkaufen müssen. Alle sind sie da, ein ganzer versammelter Seniorenstift, verteilt auf alle Schlangen. Omas über Omas. Und sie haben alle schon die prallgefüllten Münzfächer ihrer Portemonnaies am Start, um tonnenweise Cents zu zählen. Oder sie gleich komplett auf dem Kassenscanner auszuleeren und abzählen zu lassen. Nein. Hier ist heute nichts zu gewinnen. Wie immer eigentlich.
Früher habe ich mal Kassen gewechselt, wenn so etwas war, also ein Honk, der mit einer Grundsatzdiskussion den ganzen Betrieb aufgehalten und in Serie meine Nerven zerstört hat. Das bringt aber nichts. Es gibt eine Folge von „King of Queens“, in der Dougs Kumpel Ritchie immer wieder die Kassenschlangen wechselt, aber nie so richtig vorankommt, weil immer irgendwas dafür sorgt, dass genau in der Schlange, in der er sich befindet, nichts geht. Kennen Sie die Szene? Das ist keine Fiktion, das ist mein Leben, sie haben es verfilmt. Denn an meiner Kasse geht nichts inklusive der Honk, der hier heute immer noch diskutiert. Würde ich wechseln, käme dort ein neuer. Vielleicht passt dem dann nicht, dass der Flachmann Wilthener Goldkrone alle ist und er muss eine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen, warum Landwirth’s Wodka keine Option ist. Oh Möbius, sweet Möbius.
GE-NE-RAL-VER-FICKDICH-DACHT. Aber hallo! Wer noch nie einen astreinen Vollhonk erlebt hat, hier ist einer. Ein Prachtexemplar.
Doch Mr. Ich-nerve-meine-Mitmenschen-gerne-mit-sinnlosem-Gebrüll-oder-habe-was-geklaut-und-werfe-eine-ziemlich-effektive-Nebelkerze kommt offenbar so langsam zum Ende, denn seine Stimme senkt sich von unerträglich auf unanständig, was ein Zeichen sein könnte, dass es vielleicht gleich weiter geht.
Zuletzt rotzt er noch ein gepflegtes „Fotze“ in Richtung Kasse und verschwindet unter wildem Gestikulieren. Ein Empörter. Bräuchte Twitter ein Testimonial, wäre er es.
„Meine Güte, der wievielte war das heute?“ frage ich die Kassenkraft, deren Job ich nicht machen könnte ohne bereits nach einer Stunde irgendwem den Hals umgedreht zu haben. „Erst der dritte. Heute ist ein ruhiger Tag.“ Puh. Drei von der Sorte. Ruhiger Tag. Willkommen auf der Frankfurter Allee.
Ho Ho Honk in my brain. Und der nächste wird kommen, der nächste Honk, der unvermeidliche. Denn sie sterben nie aus, es gibt immer neue. Glückwunsch.