Altersheim reloaded: Am Tegeler See

Tegel.

Alt-Tegel.

Altersheim Tegel.

Alt. Älter. Methusalem. Tegel.

Der Ortsteil ist Samstagmorgens scheintot. Nicht mal Rentner schleichen herum, anders als ab 10 schon, wenn die ersten gruseligen 70er-Jahre-Cafés öffnen und der Kaffee HAG zur Eierschecke serviert wird.

Um diese Uhrzeit hier zu sein, hat gravierende Vorteile.

Keine Menschen. Vor allem keine Rentner. Nicht mal Tauben. Die kommen dann später, wenn die Omas mit ihren Jutebeuteln voller altem Brot anrücken. Und mit dem Rest Boden von der Eierschecke.

Nix los hier. Es ist schön ruhig.

Es ist überhaupt schön hier.

Es gibt auch eine britische Telefonzelle.

Kurios. Wahrscheinlich ist das die letzte Telefonzelle von ganz Berlin und sie ist nicht mal gelb. Oder magenta. Und hat sogar ihr Glas noch. Wie kann das sein?

Und natürlich gibt es eine Promenade um die Telefonzelle herum.

Sie heißt Greenwich-Promenade.

Nach dem Partnerortsteil von Tegel.

Partnerstadt kann man ja nicht sagen.

Weil Tegel gar keine Stadt ist. Sondern ein Freiluft-Alters… ja doch!

Greenwich.

Hat auch die rote Telefonzelle gestiftet.

So schließt sich der Kreis. Waren hier in Tegel die Briten früher? Ich habe keine Ahnung. Bin nicht aus Tegel. Und altes Brot hab‘ ich auch nicht. Und noch geht es ohne Windeln.

Als Innenstadtbewohner muss ich öfter mal grinsen. Zum Beispiel hier. Vor dem Betreten der Promenade fordert man die Bürger zum Nachdenken auf.

Hier hilft das wahrscheinlich auch.

In Mitte hätte man das Schild schon geklaut.

Um es in eine Cocktailbar zu hängen.

Der Ironie wegen.

Weil ironisch sein wichtig ist in Mitte.

Ha.

Man kann hier in Tegel auch Boote mieten.

Die man in Mitte nicht klauen würde.

Weil die nicht in eine Kneipe passen.

Und auch nicht ironisch sind.

Dahinter ist Minigolf.

60er-Jahre-Minigolf.

Staubig.

Vermoost.

Alt.

Unironisch.

Ganz ohne Schwarzlicht.

Ich mag es hier.

Heile.

Welt.

Kalter.

Krieg.

Und wenn ich mal alt bin und natürlich in Alt-Tegel wohne, werde ich hier am schönen Tegeler See die Enten füttern – mit dem alten Brot, das ich vom alten Buffet des Altersheims in meinem alten dreckigen Jutebeutel habe mitgehen lassen. Und mein einziges Problem werden die drecks Schwäne sein, die den Enten wieder einmal das ganze verdammte Brot klauen, das ich ihnen liebevoll zugeworfen habe, damit sie es bekommen und nicht die Schwäne, diese Nazis.

Das wird mich dann so aufregen, dass das Blutdruckmeßgerät an meinem Oberarm Amok läuft, worauf die Blutdruckmeldezentrale wieder diese dicke russische Pflegerin schickt, die mir das Brot wegnimmt und mich auf einem Arm zurück auf mein Zimmer trägt, auf dem ich dann mit mir selbst Rommé spiele, weil seit der Sache mit dem Crystal im Kaffee von Jabba, unserer ehemaligen Frauenbeauftragten aus dem längst pleite gegangenen Borgwürfel, die auch hier wohnt, keiner mehr mit mir spielen möchte. Wartet, wartet nur ein Weilchen, bald ist es soweit und ich bin auch hier. Freut euch schon.