
Ein Lokal auf dem oberen Scheitelpunkt eines Hypes beginnt in der Regel baldmöglichst damit, eklig zu werden. Nicht vom Essen her, diese offene Flanke leistet man sich nicht. Aber von der Aura. Und vom Publikum. Und vom ganzen Gehabe her. Irgendwann kippt es und ich will dort nicht mehr hin.
Frau Mittenmang. Jeden Tag eine neue Speisekarte – ein tolles Konzept. Kochen können sie dort. Meistens sehr gut sogar. Es ist selten, dass ein Lokal in dieser Ecke den handwerklichen Standard über Jahre halten kann. Soviel zum Guten: Hier gelingt es.
Das zieht natürlich die Schnösel an. Der Hype begann seinerzeit mit einem Bericht im ZDF-Heute-Journal über das heraufziehende Rauchverbot. Der Staatssender hat es sich nicht nehmen lassen, ein paar intellektuell aussehende Mittvierziger hinter ihrem Weißweinglas im Gastraum und einen bleichen Lungenkrebskandidaten mit Furchen im Gesicht vor der Tür zu interviewen, um das Gesetzesvorhaben mit Volkes Stimme zu flankieren. Dabei hat man das Schild mit dem markanten Namen über dem Eingang wie zufällig prominent mit der Kamera eingefangen und seitdem ist die Bude jeden Abend voll. Jeder, der gesehen werden will, geht hier essen – in Erwartung, dass bald wieder eine Kamera den Raum abfilmt oder Udo Walz vorbeikommt. Oder wenigstens Bezirkskasper Wolfgang Thierse.
Die Konsequenz des Hypes ist die übliche Prenzlauer Berg-Spirale: Die Preise steigen. Noch mehr Schnösel kommen. Dann steigen die Preise noch weiter, was noch mehr Schnösel anzieht, wonach die Preise noch einmal anziehen. Auf einen vorläufigen Höhepunkt:

Und jetzt steige ich aus, das zahle ich nicht, zumindest nicht außerhalb der Sterneküche und eine solche ist das Frau Mittenmang nicht, fehlt es doch dafür an fast allen Voraussetzungen. Nochmal: Gutes Essen ist es, meistens zumindest. Bodenständig, nicht zu experimentell. Und auf jeden Fall gute Ware. Aber letztlich doch nur gute deutsche Küche auf leicht angehobenen Niveau, die in einem vorsätzlich gammlig gehaltenen Hipsterlokal auf alten Möbeln für zu viel Geld an die blasierte Prenzlauer Berg-Schickeria gebracht wird, damit die auch hier ihr fades Spiel „Sehen und Gesehen werden“ spielen kann.
Also gilt in der Gesamtschau auch hier wieder: Don’t believe the hype.
Doch das macht alles nichts, denn der Laden brummt trotzdem. Immer noch. Auch unter der Woche ist er voll bis zum letzten Platz. Alle sind da. Außer mir inzwischen. Denn ich mag nicht mehr mitgehen. Fold. Wenn ich auf diesem Preisniveau essen will, gehe ich zu Tim Raue oder zu Kleebergs Vau am Gendarmenmarkt, meinetwegen auch ins Dos Palillos in der Weinmeisterstraße.
Von meinem letzten Besuch bei Frau Mittenmang wird mir nicht das Essen, sondern ein aufschlussreicher Dialog in Erinnerung bleiben, der deutlich aufzeigt, wie sehr der Laden gekippt ist. Als ich gerade aß, sprach mich die Kodderschnauze an, die sie hier zur Abschreckung derer angestellt haben, die auf vernünftige Umgangsformen im Hochpreissegment Wert legen:
„Hey, könnt ihr euch bitte da hinten hinsetzen? Es sind gerade Stammgäste gekommen und die sitzen immer hier.“
„Nein, die Stammgäste warten bis wir fertig sind.“
„Die sitzen aber immer hier.“
„Das stört mich nicht, dann sitzen die Stammgäste jetzt eben so lange woanders, bis wir aufgegessen haben.“
„Na gut. Dann muss ich das denen so sagen.“
„Ich bitte darum.“
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es hätte mich bei einer Rechnung von 140 Euro für zwei Personen nicht geärgert. Natürlich hat es das. Doch so ist es eben, wenn ein Ort zu viel Hype inhaliert hat und abhebt. Er wird arschig. Weil er es kann. Denn bleibt einer weg, den man verprellt hat, kommen neue, die wahrscheinlich sogar darauf abfahren, von gelangweilten Gören ohne Kinderstube gedemütigt zu werden.
Deshalb ein vorläufiges Auf Wiedersehen, Frau Mittenmang, jetzt ist wirklich gut. Wenn ihr mit 25 € für ein banales Stück Fleisch mit Kartoffeln und 14 €-Suppen an der preislichen Grenze zur Spitzengastronomie kratzt während der Service ein Fingerspitzengefühl an den Tag legt, das in keiner mir bekannten Currybutze geduldet werden würde, dann passt das nicht nur nicht zusammen, sondern bis auf Weiteres nicht mehr mit mir.
Frau Mittenmang
Rodenbergstraße 37
Prenzlauer Berg
http://www.fraumittenmang.de/