
Es gibt in der Blogosphäre nur einen akzeptablen Weg, wie man auf ein zugeworfenes Blogstöckchen reagiert, wenn man es nicht gleich ganz ignoriert oder gar nicht erst bemerkt: Man stellt seiner ganzen unendlich eitlen Selbstreferenz einen ganz doll distanzierenden Disclaimer voran, dass man Stöckchen ja eigentlich gar nicht mag und überhaupt total albern findet, aber für diese ganz spezielle Person, die das blöde Ding geworfen hat, nun aber wirklich mal eine Ausnahme machen muss, bevor man damit beginnt, wortreich und blumig von sich selber und seinen nutzlosen Lebensweisheiten zu erzählen, worauf man sich doch – ach bitte wirf doch mal einer auf mich – insgeheim gefreut hat und wofür man sich total gebauchpinselt fühlt, weil endlich mal einer an einen gedacht hat – hat man doch sonst in der Blogosphäre herumgesessen wie der dürre Mathestreber auf der Turnhallenbank, wenn es darum ging, eine Fußballmannschaft zusammenzustellen.
Hugh.
Ach zum Teufel mit dem Ritual. Danke, tikerscherk, für das Stöckchen. Vernetzen ist immer gut und sowieso ist es schön, befreundete Blogger um sich zu wissen. Fuck SEO. Wir machen das aus Bock. Ab und an darf das.Allein, leicht machst du es mir nicht. Mit einigen Fragen plage ich mich wirklich sehr, aber ich versuche, das beste aus mir heraus zu holen, ohne zu offensiv zu seelenstrippen. Jetzt nach dem kurzen Ausflug in die leidige Politbloggerei kommt mir das ganz gelegen.
Egal, los geht’s:
1. Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Oder wünschst du es dir? Warum?
Es gibt wenig, woran ich glaube. Ich glaube an Freundschaft. Ich glaube an Liebe. Beides endet zwangsläufig mit dem Tod, weil das Gehirn dann nicht mehr funktioniert. Was wir sind, hört irgendwann auf. Ohne Energie kein Gedanke. Ohne Energie kein Gefühl. Und die Reste fressen die Würmer. Die brauchen ja auch Energie.
Alles darüber hinaus ist Esoterik und mir fremd.
2. Was verbindest du mit dem Wort „Heimat“?
Heimat ist der Ort, an dem ich mich wohl fühle und an dem meine Wurzeln fest in die Erde reichen.
Das, was mal meine Heimat war, haben andere zu einer grotesken Karikatur pervertiert. Sie haben die Erde gelockert, sie haben sie umgegraben, abgegraben, planiert. Dort wo ich lebe, ist seit einigen Jahren nicht mehr meine Heimat, obgleich ich mich nicht von der Stelle bewegt habe. Das war ein schleichender Prozess. Inzwischen fühle ich mich an der Ostsee zu Hause ohne dort eine Wohnung zu haben.
3. Wenn du noch einmal anfangen könntest, welche Entscheidung würdest du rückgängig machen oder anders treffen?
Keine. Ich lebe nach dem System Trial and Error. Ich versuche etwas und wenn es nicht klappt, versuche ich etwas anderes. Meistens spontan. Impulsgetrieben. Jede Entscheidung, die falsch war, hat mich auf einen anderen Weg gebracht. Deswegen ist meine Biographie ein bunter Haufen Flickwerk, aber mein Dasein spannend. Ich kann irgendwann mal zurückschauen und behaupten, dass ich mich nie gelangweilt habe.
Dennoch: Ich hätte gerne darauf verzichtet, dass ein ehemaliger Freund in seiner Eigenschaft als Banker meine kompletten Ersparnisse verbrennt und dafür achselzuckend die Provision einsteckt. Scheiße passiert, man gewinnt und verliert.
4. Wie würdest du diesen Satz beenden: Pädophile sollten…
… sich von Kindern fernhalten.
5. Und diesen: Sigmar Gabriel sollte…
… endlich einer ehrlichen Arbeit nachgehen.
6. Und zuletzt: Alice Schwarzer sollte…
… leiser sein.
7. Wenn du an einen Toten denkst, welche seiner Wünsche erscheinen dir wichtiger: die Erfüllten oder die Unerfüllten (angelehnt an Max Frisch)
Max Frisch ist der Albtraum meines Deutschunterrichts. Ich habe ihn und seine für immer verfluchten Werke nie wieder angefasst, nachdem ich „Homo Faber“ am Tag nach der Abschlussprüfung feierlich in die Pausenhofmülltonne geschmissen habe (zusammen mit Schillers Wallenstein und dem verfickten Ökofaschistenbuch „Die Wolke“). Trauma. Sorry.
Generell – auch wenn das jetzt sicher nicht den Kern der Frage trifft – finde ich unerfüllte Wünsche schade. Stelle dir vor, jemand wünscht sich Liebe. Oder Freundschaft. Wäre es nicht schade, wenn er stirbt und dies blieb ihm zu Lebzeiten versagt?
8. Stimmt der Satz: Jeder ist seines Glückes Schmied?
Zum Teil. Was die persönliche Entwicklung angeht, so hat es jeder selbst in der Hand, ein guter Mensch zu sein oder ein Arschloch. Ich glaube nicht, dass das vorbestimmt ist. Was das Geld angeht, das – lügen wir uns nicht in die Tasche – einen Teil (!) zum persönlichen Glück beiträgt, so stimmt der Spruch nicht. Die ganz unten arbeiten härter als die ganz oben und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Und oben wird vererbt. Mit Leistung hat das nichts mehr zu tun. Also kommen einige zu Glück durch Geburt. Ich finde das scheiße.
9. Was bedeutet für dich Gerechtigkeit?
Ein hohles Buzzword. Ausgelutscht und fad. Es gibt Gerechtigkeit nur im Tod. Der trifft tatsächlich alle, sogar Warren Buffett und Josef Ackermann, auch wenn die wahrscheinlich nicht realisieren, dass auch sie sterben werden.
Wir werden in der Welt der Lebenden nie vollkommene Gerechtigkeit schaffen können. Wir können nur die schlimmsten Auswüchse bekämpfen. Selbst das ist schwer genug.
10. Wie beurteilst du die Rolle der Kirche in unserer Gesellschaft? Und wie die der Gewerkschaften?
Das eine war immer schon überflüssig, das andere hat sich überflüssig gemacht.
11. Wenn du ein Buch wärest, was für ein Buch wärest du dann?
Matt Ruff. Fool on the hill. Ein Buch – viele Parallelhandlungen. Sich selbst nie zu ernst nehmend. Ich will eigentlich Ragnarök, der bohemische Verteidigungsminister, sein, bin aber wahrscheinlich doch nur Prediger, der bohemische Minister für Moralfragen. Oder Puck, der verliebte Kobold. Vielleicht auch nur Luther, der Hund, auf der Suche nach seinem eigenen kleinen Himmel.
Jetzt muss ich 11 neue Fragen an 11 Leute weiterwerfen, aber ich bin heute ganz schön clever, denn ich bewerfe welche, die mit ziemlicher Sicherheit gar nicht mitmachen werden:
Und als Bonus, weil ich die 11 schon voll habe: Chris Kurbjuhn. Vielleicht schreibt er ja mal was anderes als immer nur Splitterbrötchen. Sorry, mate, die sind gut, keine Frage, ich bin ein großer Freund davon, aber mal was anderes wäre auch nice.
Und weil das noch nicht reicht und weil ich sie und ihren Blog so mag: Alex, die eloquenteste Kassenkraft von allen.
Wer sich jetzt auf der Turnhallenbank wähnt und auch gerne möchte, der soll bitte auf jeden Fall auch mitspielen, denn meine Auswahl ist so willkürlich wie wahllos.
Und wer keinen Blog aber trotzdem Bock hat, den lade ich ein, die Fragen in der Kommentarleiste zu beantworten. Gerne anonym, wie immer. Nur Mut.
Hier die Fragen:
1. Ukraine. Russland. EU. Wer hat eigentlich Recht?
2. Olympia? Kuckst du?
3. Edathy. Verschwörung, Dummheit oder was ganz anderes?
4. Bedingungsloses Grundeinkommen. Sinnvoll?
5. Europawahl. Wählen gehen?
6. Bloggen. Bringt das noch was?
7. Was würdest du arbeiten, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre?
8. Was wollen wir trinken?
9. Wo wollen wir das trinken?
10. Was singen wir dazu?
11. Und wen laden wir noch ein?
Har Har.