Die Tonne der Verdammnis

Bitte sehr, das ist die Tonne der Verdammnis. Auf der Mittelpromenade der Schönhauser Allee. Unter der U-Bahn, die hier ausnahmsweise oben auf dem Viadukt fährt.

Es ist ein Ort, an dem schon viele pleite gegangen sind, hier am vergessenen südlichen Ausgang des U-Bahnhofs Schönhauser Allee, an dem vorher Minipizza verkauft wurde, davor Kippen/Suff, Omas Kartoffelpuffer und irgendwann auch mal Döner. Hähnchen auch. Und zuletzt Falafel. Vom Falafel King. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wer hier schon alles sein Glück gesucht und ganz sicher nicht gefunden hat. Wer hier aufmacht, hat sich vorher nicht angeschaut, was das hier ist: Die Rückseite von Prenzlauer Berg. Mitten in Prenzlauer Berg. Hier stirbt alles.

An einem Ort wie diesem wird das ewige Gastromantra so deutlich wie nirgendwo: Lage. Lage. Lage. Doch die ist hier nicht, denn was hier komplett fehlt, ist Laufkundschaft. Und wenn es keine Laufkundschaft gibt, kann man so gute Waren zu so günstigen Preisen verkaufen wie man will, das wird nix. Hier kommt einfach kaum jemand vorbei, außer mal ein Tourist mit Stadtplan (ja so etwas gibt es noch, hab ich gesehen, kürzlich sogar, wohl ein Hipster), der sich verlaufen hat, ein paar Versprengte vom Kino, die falsch abgebogen sind (selten), oder mal ein Anwohner, der gerade mal ausnahmsweise nicht einkaufen muss (icke) und blöd in der Gegend rumlatscht (auch icke), aber sonst ist hier nicht viel. 95% der Laufkundschaft vom U-Bahnhof wählt den Weg nach Norden, zu den Allee Arcaden. Egal was Sie dort verkaufen, es boomt. Dort geht alles und sei es auch noch so abwegig.

Hier dagegen ist Endstation, hinter dem Ding sitzen nur ab und zu ein paar Penner und trinken Kräuterlikör aus kleinen Flaschen, weil man sie von hier bestimmt nicht vertreibt. Denn hier ist nix.

Momentan ist sie zu, die Tonne. Zeit für was neues. Vielleicht verkauft mal jemand Eierkuchen. Oder Kekspizza. Mal wieder Döner. Backwaren. Oder ganz verwegen: Bagel. Mit Lachs. Und Dill. Oder so. Also das, was es schon an hunderttausend anderen Ecken der Stadt gibt, an Orten mit mehr Laufkundschaft.

Ich für meinen Teil würde es mit Bio-Grillhähnchen versuchen. Das fehlt im Bezirk. Diese Lücke hat noch keiner geschlossen. Es gibt überall nur diese fiesen Retortendinger mit ihrem hochgejazzten Fleisch und diesem dicken wabbeligen Speckrand neben der Brust. Und weil der Scheiß von alleine nie so recht schmecken will, badet man es in allen Buden dieser Stadt in Fett, endlos viel Fett und der Kunde bildet sich ein, er habe ein saftiges Hähnchen vor sich, dabei frisst er nur Öl in Fleischfasern. Die Haut reibt man dazu gerne mit ordentlich Geschmacksverstärker und ein wenig Pfeffer nebst Paprika ein und das war es dann auch. Verwegene nehmen noch etwas Petersilie oder Koriander dazu und nennen das dann Kräutermarinade, was am Ergebnis auch nichts ändert. Dann lieber KFC.

Bio-Grillhähnchen. Das könnte gehen. Dazu Mund-zu-Mund-Propaganda. Ohne die kommt sicher keiner an solch einen Ort. Was es dazu braucht, sind ein paar Scheine an ein paar Hipster für das Erstellen und Sharen von Empfehlungen in allen einschlägigen Bewertungsportalen, ein cooles Video, das viral geht, hinter der Theke ein paar arrogante Landpomeranzen mit viel Blech im Gesicht und ein paar Flyer in den einschlägigen Kindercafés. Und dick Bio über den Laden schreiben. Ohne geht hier gar nichts, nicht mal bei der geilen asozialen Ketwurst weiter nördlich.

Businessplan anyone?