
Am Wochenende ist in der Taberna de Bellas Artes in Wilmersdorf nichts zu machen ohne Reservierung – ein gutes Zeichen. Ich habe reserviert – eine gute Idee. Und dann habe ich mich quer durch die reichhaltige Tapaskarte gefressen anstatt ein Hauptgericht zu bestellen und das war die beste Idee.
Der charmant authentisch spanische Service tischt ein Schälchen nach dem anderen auf, ich bestelle nach, kann nicht genug bekommen von den kleinen Fiesheiten, bin eigentlich schon fast statt, bestelle aber nochmal was, immer noch ein Schälchen, die frittierten Sardellen hatte ich noch nicht, lecker, und was ist das hier, Lammwürstchen, ach die passen noch, das geht schon, morgen wieder eine Runde länger um den Block laufen, geht schon, muss schon, boar, wenn ich jetzt noch den marinierten Ziegenkäse…, ach was kost heute die Welt, ich ess den auch noch, heute ist ein schöner Abend, die Taberna gemütlich, die Schweinchen-Fresken lachen mich von der Decke an und es geht mir gut, also esse ich weiter bis ich fast platze und bin aber zuletzt doch nicht so blöd-dumpf-satt wie sonst gerne mal, wenn ich es zu gut meine, sondern rolle angenehm kugelrund fettgefressen die Tür hinaus und freue mich, dass sowohl der außergewöhnlich gute Espresso als auch der sehr gute Rum den Abend so schön abgerundet haben.
Sicherlich, denke ich vom unverschämt süffigen Rotwein aus dem Gleichgewicht gebracht auf meinem Weg zur U-Bahn, die Schnöseldichte ist hoch hier, aber dafür kann ja die Taberna nichts, gutes Essen zieht eben immer auch zwangsläufig die Schnösel an, aber ich finde das deswegen gut, weil ich dann etwas zum Lachen habe, wenn der Klugscheißer von einem der Nebentische die charmante, aber für eigentlich jeden sichtbar gut ausgelastete Freundliche vom Service mit einer ausufernden Predigt über die spanische Inquisition im Kontext des maurischen Rückzugs von der iberischen Halbinsel foltert, nachdem er sich beschwert hat, dass es ein Tapasgericht, das er mal im Urlaub in einem spanischen Kuhdorf auf irgendeinem Berg gegessen hat, hier nicht gibt und sich zuletzt enttäuscht über die Tatsache ereifert, dass die Freundliche, die er gerade von der Arbeit abhält, nicht katholisch ist. Ein Großmaul. Ein Sabbelsack. Ein Aufschneider. Ein Protzer. Ein Volldepp. Und seine kuhgesichtige Frau bestellt ein Kartoffelomelette und merkt erst beim Servieren, dass da tatsächlich Eier drin sind, die sie aber nicht verträgt respektive in dieser Form nicht mag und das Bestellte daher gerne nicht berechnet sehen würde. Meine Güte, Stand Up Comedy-Slam mit unfreiwilligen Teilnehmern, ihr habt euch verdient, ihr beiden, denke ich und freue mich.
Ich vermisse aber auch etwas hier. Ja, leider. Eine Kleinigkeit nur: Wenn man eine zweistellige Anzahl an Tapas bestellt, braucht man als Kunde definitiv einen Zettel und einen Stift, weil man sich im Zuge der fortschreitenden Senilität ab 30 sich nicht mehr alles merken kann, was man bestellen will. Den gibt es hier nicht. Doch zum Glück gibt es jetzt Smartphones, auf denen man die ausladende Zahl an Tapaswünschen mit den Wurstfingern auf den ewig zu kleinen Tastaturen notieren kann, aber das geht auch anders, besser, nämlich bequemer: Mit Nummern an den Tapas. Und Zettel und Stift. Wie früher in der Steinzeit. Oder in anderen Tapasbars.
Und ich kann auch deswegen leider nicht die rhetorischen Purzelbäume schlagen, die ich gerne würde, weil manche Tapas schlicht nicht so ganz ihre knapp 5 Euro wert sind, sorry, die meisten schon, ehrlich, vor allem die Fleischgerichte, aber die frittierten Tintenfische, das kleine geschmorte Hähnchenragout oder die Garnelen im Strudel gab es in meinem Leben schon deutlich raffinierter und weniger profan, sorry. Und bei den Kartoffelecken ist es nur die zweifellos selbergemachte aber immer zu wenige Cheddarsoße, die ein wenig glänzt, die aber noch mehr glänzen würde, wenn sie warm serviert würde.
Aber eines ist bemerkenswert: Ich habe die bisher außergewöhnlichste Kaffeemaschine meines Lebens gesehen.

Es ist nicht R2-D2 in Gold/Bronze/Messing/Wasweißich. Es macht Kaffee. Und wie.
Und so bleibt ein schöner Ort, an dem man einen schönen Abend verbringen kann, den auch kein Schnösel zu versauen in der Lage ist. Empfehlung.
Taberna de Bellas Artes
Pfalzburger Strasse 72a
Wilmersdorf
http://www.bellas-artes.de/
Es ist eine alte Qype-Rezension, anlässlich eines erneuten Besuchs wiederaufbereitet.