
Es ist eine der Situationen, die mich ratlos zurück lässt:
Fitnessstudio. Sonntag. 8:59 Uhr und 30 Sekunden.
„Guten Tag.“
„Guten Morgen, es ist aber noch nicht 9.“
„Aber gleich. Und auf meiner Uhr jetzt schon.“
Währenddessen bimmeln draußen die christlichen Glocken das unchristliche Berliner Volk aus dem Bett.
„Nein, es nicht noch nicht 9.“
Ich strecke gleich zu Beginn der aufziehenden Auseinandersetzung die Waffen, mir fehlt immer mehr die Kraft, dieser Form offensiver Dummheit entgegen zu treten, es passiert einfach zu oft und es sind einfach zu viele. Pöbelt man einen in Grund und Boden, kommen wenig später drei nach. Es bringt nix.
„Ja, gut, kein Problem, ich warte gerne bis 9, kein Problem.“ und drehe mich um, um wieder vor die Tür zu gehen.
„Nicht nötig, jetzt sind Sie ja schon drin. Außerdem ist es jetzt 9, Sie können trainieren jetzt.“
Dialoge wie diese machen mich völlig ratlos. Was ist das? Ist diese Lust, Mitmenschen sinnlos auflaufen zu lassen, genetisch? Können manche gar nicht anders oder geben sie einfach nur den Druck, den sie selber von oben bekommen, an den nächstbesten Vollhorst weiter, der ihnen gerade über den Weg läuft und über dessen Wohl und Wehe sie entscheiden können? Zuletzt die Frage: Muss das sein? Bringt das was? Wem nützt es?
Vielleicht hat man aber auch nur ein paar Sachbearbeiter vom Bezirksamt Pankow in mein Fitnessstudio versetzt, zusammen mit ihren ewiggleichen Standardsprüchen „Ich bin nicht zuständig“ und „Es ist noch eine halbe Minute bis zur Sprechstunde für den Pöbel, warten Sie draußen!“ – wer weiß das schon?
8:59 Uhr und 30 Sekunden.
Mithin noch nicht 9.
Kleingeister hängen sich an so etwas auf und demonstrieren ihr winziges Quantum Macht, das sie von jemand Höherem verliehen bekommen haben. Das war schon vor hundert Jahren unter dem Kaiser so und das wird noch in hundert Jahren so sein, man muss das wohl hinnehmen, lernen, damit zu leben. Denn sie werden nicht weniger, man kann sie nicht besiegen und jede Situation, in der man einen solchen Kleingeist nicht in Grund und Boden brüllt und ihm damit gibt, was er will, ist ein Sieg gegen sich selber und man kommt dem Zen ein bisschen näher. Schwer genug.