Endstation Schöneweide

Ick will Geisterbahn.

Kein Problem. Mutte nich ma zahln für.

Guten Tag. Einmal Schöneweide und bitte auf jeden Fall zurück, sage ich zur imaginären Fahrkartenverkaufsfachverkäuferin.

Geile Fliesenoptik. Wie auf einem 70er-Jahre Scheißhaus am Eingang zur Vorhölle.

Das ist einer der seltenen Orte, an denen Edding-Tags tatsächlich die Ansicht verbessern.

Nein, das ist kein Knast. Das ist der Bahnhof Schöneweide. Besonders beachtenswert ist die eigenwillige und vor allem so sichere Kabelkonstruktion. Wenn ein Nazi hier in die Ecke kotzt, hebt das noch den Aufenthaltswert. 

Die Lampen hat der sowjetische Stadtkommandant wahrscheinlich noch persönlich angebracht. Neuester Chic aus Novosibirsk. 1946. 

Der Grind. Der Grind. Der himmlische Grind.

Hier sollte man den Abfall daneben werfen, denn die Umgebung sieht mehr nach Abfalleimer aus als der Abfalleimer selbst. Bizarr, bizarr und nochmal bizarr: Dieser Abfalleimer wirkt hier sogar schick, quasi als Eineiiger unter den Kastraten.

Hätte heute nicht die Sonne geschienen, hätte ich mir hier unten in Gegenwart der ewigen Guanostalagmiten der Tauben eine Kugel in den Kopf gejagt. Hier ist der Ort für sowas.

Guanoproduzent meldet sich zum Dienst. Heute Überproduktion.

Sein Kumpel, der faule Sack, scheißt viel weniger, dafür aber immerhin auf das Herz Asiens. 

Endzeit. Das ist kein Flüchtlingscamp im nuklearen Winter, das ist nur Schöneweides Geisterbahn-Bahnhof. 

Hier-zu-verweilen-Verdammte haben ihre Mahnungen an die Welt hinterlassen.

Scheiß auf Informationen. Die sind hier überflüssig, die S-Bahn fährt eh wie sie will. Man kann sich dafür prima selber fotografieren.

Mehr vorhandenes Glas als fehlendes. Man könnte fast wieder Mut schöpfen. 

Man könnte sich aber auch endlich von diesem fürchterlichen Ort verpissen.

Tschüss. Selten hab ich mich so auf eine S-Bahn gefreut. Zum Abschied kotzt ein schöneweider Nazikind sein Smells-Like-Sternburger mit Looks-Like-Dönerbrocken auf die rissigen Platten und sein Kumpel pisst erst mal in hohem Bogen auf die Bahnsteig-Sitzbank. Dunkeldeutschland. Dunkelbahnsteig. Dunkelsitzbank. Deswegen setze ich mich auf sowas nie hin, zumindest nicht hier, denke ich noch, während die S-Bahn abfährt und mich endlich von hier fortbringt.