
Die Frage nach dem hoffnungslosesten Ort der Hauptstadt ist bis auf Weiteres beantwortet. Es ist das Asia-Wok-Armageddon-Büdchen am S-Bahnhof Treptower Park.
Schon der Eingang wird beherrscht von einer bizarren Dunstwolke – einerseits erdrückend schwer und fettlastig, andererseits so filigran, dass sie sich schon vor Betreten des Lokals unlösbar an Jacke, Hose und sogar Schuhen festsetzt und mit Gewebe, Leder, Haut sowie Haaren eine nur noch mit Terpentin lösbare Legierung bildet.
Das Ding war früher in einer Art Geräteschuppen untergebracht, der entweder noch aus Zeiten der Einwanderung der Hugenotten stammte oder als Kriegbeute beim Einmarsch der Wehrmacht aus einer ukrainischen Datschenkolonie geraubt wurde. Man hat die Baracke nun eingerissen oder irgendein Hipster hat sie sich in den Garten gestellt – Vintage! – und jetzt steht da ein Neubau in gewohnt abstoßender Klotzoptik zum Davonrennen.
Die Inneneinrichtung scheint mir hingegen noch die alte zu sein wie zu Barackenzeiten. Sie muss den Vergleich mit der Suppenküche der Polytechnischen Oberschule Berlin-Lichtenberg 1959 nicht scheuen. Es ist wahrscheinlich auch genau diese.
Es fällt auf, dass dem Entfernen des zwangsläufigen Fettfilms auf der Abzugshaube und in allen teils bereits schwarz eingefärbten Ecken wenig Zeit gewidmet wird. Ein leichtes Schütteln gepaart mit der Angst, etwas anzufassen begleitet mich während des ganzen Besuchs. Für 2,50 für die fiesen Nudeln mit Huhn kommt das Vergnügen an diesem Ort billiger als Geisterbahn auf der Kirmes oder Saw XVIII im Kino.
Kulinarisch hat man es geschafft, den ohnehin unterirdischen Qualitätsstandard aller fiesen U-Bahnhof-Glutamathöllen Berlins noch zu unterbieten. Die bemitleidenswerte mausgraue Masse aus Fett, Glutamat, Dosensprossen und Industriehähnchen bildet schon direkt hinter dem Gaumen einen trockenen, aber dennoch zähen Klumpen, so dass ich mir gerne eine Klempnerspirale in den Hals gedreht hätte, hätte ich eine zur Hand gehabt.
Das Publikum besteht aus dem sonst vor dem S-Bahnhof ziel- und planlos herumlungernden Bieradel, der hier das halbstündliche Sternburg erwirbt. Ein wenig kaufmännisches Flair blitzt nur dann auf, wenn einer der im Umkreis des Treptower Parks wirkenden Dealer hier isst.
Ja, nach dem ersten Aufstoßen chemie-brackig-salziger Lava bin ich sicher: Die Frage nach dem hoffnungslosesten Ort der Hauptstadt ist bis auf Weiteres beantwortet.