Der Kaisers Supermarkt in der Pappelallee hat eine der besten Frischtheken Berlins. Sagt die Morgenpost. Und sage ich auch.

Bis zur Renovierung kam er immer etwas schmuddelig daher, unsortiert, müllig, kramig und sinnloserweise abgesperrt von einer doppelten Drehkreuz-Grenzanlage, deren Überwindung mit Einkaufswagen eine gewisse Geschicklichkeit einforderte, was nach sechs Pils in der Murmel auf dem Weg vom Samstagnachmittagsbier in der letzten schimmligen Eckkneipe Prenzlauer Bergs nach Hause schon mal schwierig werden konnte.
Vor den Stufen der Eingangstür saßen die Reste des letzten Trinkergeschwaders Prenzlauer Bergs – Kampfbatallion Helmholtzplatz – herum, deren Stütze bereits Mitte des Monats komplett versoffen und deren Kreditrahmen auf dem Deckel der letzten schimmligen Eckkneipe Prenzlauer Bergs, in der ich aus irgendwelchen Gründen immer noch nicht anschreiben darf, auch schon lange ausgeschöpft war. Wenn sie je einen hatten.
War das so und waren sie wieder pleite, mussten sie leider auf die sichtlich gut situierten Kunden des Kaisers zurückgreifen, die ihrerseits untauglich versuchten, einen Umweg zu laufen und verkrampft wegschauten, aber doch immer wieder – EEEEEH HASSEMANGROSCHNODASOWÄÄH???? – abgefangen wurden.
Ein Bild zum auf Leinwand malen: Verdatterte Biopapas aus einer Provinz ohne Arbeitslose sahen sich mit der nackten hässlichen Armut Deutschlands prekärer Hauptstadt konfrontiert. Mit einem Gesichtsausdruck, als planten sie jetzt schon die Flucht aus dem Fenster der Personaltoilette oder durch den Lüftungsschacht, auf dass sie nicht noch einmal hier am Furunkel des Elends, mit dem man in Prenzlauer Berg nur noch an ganz wenigen Ecken konfrontiert wird, vorbeilaufen müssen.
Zu allem Überfluss öffnete dann vor dem Eingang auch noch eine wie Arsch auf Eimer passende schmuddelige Chinabutze in einem Baucontainer ihre Blechpforten und warf ihre fürchterliche Chinapfanne für 3,50 auf den wenig interessierten Markt.

Der Tiefpunkt schien also erreicht, da erkannte ein Berufener die Zeichen der Zeit, lichtete die Regalreihen und installierte eine reichhaltige in grün-weißen Farben gehaltene Bioecke, es wurde übersichtlicher, sauberer und der Drehkreuz-Todesstreifen für den Zugang zu den heiligen Hallen entfiel ersatzlos – ebenso wie die ranzige Chinabutze, von deren Fettdunst die Blätter der benachbarten Bäume bereits im Frühsommer schon braun wurden und abfielen.
Und die Trinker verschwanden vom Eingang und verkrochen sich beleidigt in die hintere Steinsitzecke vor den totgepissten Sträuchern, was öffentliches Straßenland ist und von wo man sie nicht vertreiben kann.
Aus dieser Ecke krakeelen sie seitdem in eruptiven Anfällen den Dörrobst einkaufenden Biomüttern mit ihren gefederten Kinderwägen Schimpftiraden proletarisch-vulgärer Art hinterher. Das muss man nicht gut finden, doch ist es ein letzter Abgesang derer, die hier mittlerweile aus allen Konventionen fallen und der allumfassenden Aufwertung einer Gegend, zu der sie nicht mehr passen, nur noch verbale Aggression entgegensetzen können.
Ich bin trotzdem immer wieder klammheimlich froh, wenn ich sie sehe, die obszönen Trinker, wenn sie noch da sind und trinken, denn so lange ist es eben doch noch nicht Pforzheim-Buckenberg hier mit lauter aalglatten politisch korrekt gegenderten Androiden, sondern tatsächlich immer noch Berlin mit seinen Kaputten und Gefallenen. Ein wenig zumindest. Eine Prise dreckiger Wedding im feinen Happy Hippoland. Ich brauch das.
Man kann ja so wenig tun, außer ihnen ab und zu mal nen Sechserträger Becks in die Hand zu drücken, damit es nicht immer die ungesunde Sternburgpisse sein muss.
Und im Winter den Kältebus zu rufen, wenn wieder einer in seiner eigenen Kotze eingepennt ist.
…weil es sonst keiner macht hier.