Januarblues

Depri

Blues. Der Januar endet grau und nass in dieser dreckigen, harten Stadt – in der Bahn schlägt mit Wucht die blanke Depression aller um sich, missmutig, entnervt von sich selbst und ihrer Umwelt, den Umständen, dem Wetter, leere Gesichter, verhärmte Gesichter, gezeichnete Gesichter und ein zweckoptimistischer Gitarrenspieler, der Musik machen möchte, sich jedoch anders entscheidet und stumm den Wagen verlässt, kein Kind lacht, heute ist nicht der Tag dafür, selbst der Straßenzeitungsverkäufer traut sich heute nicht zu seinem Volk zu sprechen und verzichtet lieber auf seine tägliche Extraportion Hass, Ekel und abgewandte Gesichter, die kalt kahl grau aus dem zerkratzten Fenster auf neblige graue Bahnanlagen und rosa angemalte Plattenbauten blicken, auf dem Weg von dem was sich Arbeit nennt oder auf dem Weg dorthin, die einen müde vom gute Laune/Rolle spielen, die anderen versuchen, nicht daran zu denken, dass ihnen gleiches gleich bevorsteht, irgendwo bei Kik, Kaufland, in einem der vielen Büros hinter Glasfassaden oder hinter einer Theke, resigniert und stumm schluckend da, wo immer andere auftrumpfen, sich durchsetzen, Konkurrenten besiegen, und jene, die Besiegten, sitzen nach dem ganzen Kampf/Krampf später wieder hier im Wagen, in Gegenrichtung, ihre eigenen Niederlagen jeden Tag stumm mit nach Hause nehmend, beruhigt von schlimmeren Niederlagen, die andere einstecken müssen, die da draußen, die aus dem System gefallen sind und um Groschen bitten, kalt, zu kalt, kalt geworden, morgen beginnt das Spiel/Schauspiel von neuem, Woche für Woche, die Rolle sitzt, Monat für Monat, auf dass am Monatsanfang bezahlt werden kann was man schuldig ist, Jahr für Jahr, Winter in Berlin, Sichtbeton trifft Eiswind, Sichtbeton in den Gesichtern, Eiswind in allen Ritzen, schneidend, beißend, abweisend, zuhause ist Frieden, draußen ist feindlich, bis dann, irgendwann, doch mal, Sonnenlicht zwischen den Wolken, Wohnzimmer, Ofen, Wärme, Klänge, Düfte, Gastfreundschaft, freundliche Gesichter, gut essen, Kraft tanken. Lachen. Doch noch einmal Ja sagen.