Väter können ja nix

Väter Omas

Omas und ich haben ein Ding laufen. Wir kommen nicht zusammen. Wir mögen uns nicht. Wir beäugen uns. Kritisch. Distanziert. Feindselig. Ich, weil ich weiß, dass gleich was kommt. Die Omas, weil sie wissen, dass ich als Vater nix kann.

Omas putzen meinem Kind die Nase, wenn ich nicht eine Sekunde nach Rotzefluss ein Taschentuch zücke, Omas erzählen mir wahlweise, dass ich mein Kind hinlegen oder hochnehmen muss, wenn es brüllt – je nachdem, was ich davon gerade nicht mache – und sie schenken meinem Kind ungewollt und natürlich ohne zu fragen uralte Gummibärchen aus uralten Jutebeuteln, weil sie denken, dass das Kind bei dem Vater so etwas Gutes nicht bekommt.

Sie sind mein Fluch, sie finden mich überall und sie geben mir an jeder Stelle ungefragt Ratschläge und wertvolle Hinweise, wie ich als Vater besser werden kann oder greifen gleich selbsttätig ein, um Schlimmeres zu verhindern. Das muss nämlich sein. Denn Väter können es nicht. Weiß ja jeder. Man muss denen unter die Arme greifen. Wie Kindern. Die können ja auch nix. Und wenn dann zwei Kinder zusammen unterwegs sind, das echte Kind und der Mann, dann muss man eingreifen. Nothilfe quasi. Die Oma rettet in diesem Moment nichts weniger als Menschenleben.

Tegel. Freiluft-Altersheim. Ich. Kind. Es ist kalt. Vom Auto zum Gebäude, in das ich will, sind es fünfzig Meter. Das Kind hat fünf Schichten Kleidung an, dazu Mütze, Schal, Wind- und Wettercreme, nur die Handschuhe baumeln ungenutzt an der Jacke. Es sind nur fünfzig Meter, scheiß auf die Handschuhe, da sind wir in zwei Minuten im Warmen, das lohnt nicht, denke ich.

Scheiße gedacht, hohoho, denn da kommt schon die Oma als wandelndes Klischee mit Rollator aus dem verfluchten Medical Park gerollt. Und sie grinst mir schon in freudiger Erwartung feist ins Gesicht, man glaubt es nicht.

Ich weiß schon, was kommt. Es muss kommen. Es kommt immer.

Sie rollt vorbei und gerade als ich denke, ich bin heute tatsächlich einmal davongekommen, krakeelt sie über die Schulter „DIE HÄNDCHEN WERDEN GANZ KALT!“

Plock. Argh. Lanze im Rücken. Wieder einen Vater abgeschossen. Der kann ja nix. Sieht man ja. Die können ja alle nix. Weiß man ja. Der lässt sein Kind stundenlang ohne Handschuhe bei Minusgraden rumlaufen. Und danach kommt es zuhause an die Kette im ungeheizten Kohlenkeller in ein Bett aus Dachpappe und Rattenkot. Kennt man ja.

Jedem Kerl, der das machen würde, würde ich innerhalb der Sekunde, in der er seinen Giftpfeil auf mich abschiesst, in den Rücken springen und sein Gesicht in den nächsten Hundehaufen drücken, von denen es in dieser Stadt zum Glück alle zwei Meter einen gibt. Aber Kerle machen das ja nicht. Mutterfrauen auch nicht. Mutterfrauen kucken immer nur aufmunternd als würden sie sagen wollen „Sie machen das ganz gut, nicht so gut wie eine Mutter natürlich, aber immerhin lobenswert, dass Sie es wenigstens versuchen. Nur Mut.“

Nein. Giftpfeile abschießen machen nur Omas. Denen man nichts tun darf. Weil die Narrenfreiheit haben. Weil die wissen, dass man ihr Gesicht nicht in Hundescheiße drücken darf. Und weil sie nicht mehr so viel Zeit haben, rocken sie nochmal das Haus und kacken mit einer diebischen Freude wildfremde Väter an, die sich aus moralischen Gründen nicht wehren dürfen. Väter, die sowieso nix können. Väter, die ihr Kind fünfzig Meter ohne Handschuhe laufen lassen.

Rabenväter. Wie alle eben. Kennt man ja.