
Ich hab noch eine Rechnung offen. Mit den Investoren. Den Sanierern. Den Zerstörern. Denn sie haben einen Teil meiner Jugend planiert.Sic transit gloria mundi. Heute ist er auf den Tag genau zwei Jahre tot, der Knaack-Club, in dem viele von uns ihre Jugend verbracht haben. Zeit für einen unfreundlichen Gruß an die, die das zu verantworten haben.
Fast 60 Jahre gab es ihn in Prenzlauer Berg, jeder wusste das, jeder kannte ihn, auch wenn ihn nicht jeder mochte – zu dubios manchmal die Türsteher, zu gymnasiasten- und waldorfschülermäßig das Publikum. Nur die Musik und die Bierpreise waren immer korrekt, drei Floors, drei Stilrichtungen, jeder wie er es mag. Eine Runde Sache – konnte man machen wenn man zwischen 16 und 30 ist und haben deswegen auch viele gemacht.
Im Dezember 2010 war dann Schluss, der Knaack-Club musste schließen. Die DDR hatte er überlebt, gegen den Frontalangriff gentrifizierender Spießgesellen im Verein mit einem schlafmützigen Bezirksamt und sekundiert von einer ignoranten Justiz war er machtlos.
Die Vorgehensweise zur gezielten Abtötung solch eines Traditionshauses unter gleichzeitiger Vermögensmehrung einzelner ist ganz einfach: Kaufen Sie die billigen Filetgrundstücke in einem angesagten Bezirk neben einem bekanntermaßen lärmintensiven Club, bauen Sie dort direkt daneben nagelneue Eigentumswohnungen ohne Schallschutz und verklagen den angrenzenden Club unmittelbar nach Fertigstellung der Baumaßnahmen wegen Lärmbelästigung, weil jetzt natürlich völlig überraschend weder Kind noch Kegel nachts schlafen können, wenn nebenan ein Bass dröhnt, mit dem absolut niemand rechnen konnte.
Behaupten Sie in der Verhandlung, dass sie vorher von überhaupt nichts gewusst haben, ja diese gesundheitsschädliche Nachbarschaft noch nicht einmal erahnen konnten und diese Emission somit völlig überraschend kam, aber nun ja wohl die Tatsachen einmal so sind und Sie ein Recht auf Nachtruhe nach Lärmverordnung haben.
Im Ergebnis werden Ihnen rechtsprechende Schlafmützen dahingehend Recht geben, dass der Club fortan ab 22 Uhr Zimmerlautstärke einzuhalten habe und zwei der drei Floors schließen muss. Freuen Sie sich unmittelbar nach Urteilsverkündung über die zu erwartende nicht unerhebliche Wertsteigerung Ihres Investitionsobjekts. Gratulation.
Das sind die Fakten. So haben sie es gemacht. Zimmerlautstärke. Ab 22 Uhr. Für einen Club, der ab Mitternacht erst so richtig abgeht. In Berlin.
Natürlich, so etwas wie eine fehlende Sperrstunde oder Clubkultur generell kennt man in diesen Provinnestern, aus denen diese Bausparer massenhaft in die Hauptstadt ziehen, gar nicht, sind da doch die Bürgersteige um 22 Uhr in vorauseilendem Gehorsam schon seit sechs Stunden hochgeklappt. Aber kein Kulturschock zugezogener Ignoranten rechtfertigt die zwangsweise flächendeckende Durchsetzung fragwürdig bauerndorfgleichen Flairs in einer Stadt, die sich immer noch gerne als die Kulturmetropole Europas feiern lässt. Es ist ein unfreundlicher Akt.
Und so wird ein Plan verfolgt: Kreuzbieder-provinzielle Friedhofsruhe soll sich wie Mehltau über den ehemaligen Party- und zunehmendem Zipfelmützenbezirk Prenzlauer Berg legen, in dem Herkömmliches und Liebgewonnenes nur noch geduldet wird, wenn es den Investitions- und Individualinteressen einzelner nicht entgegen steht.
Und so klagen sie wie die Weltmeister gegen alles, was diesen Bezirk einmal ausgemacht hat, all diese schönwettertoleranten Biohansel, die sich für Gottes Geschenk an eine gerechtere Welt halten, aber sich mit Händen, Füßen und Privatschulen dagegen wehren, dass ihre Biokinder mit dem prekären Nachwuchs der Weddinger Muselmanen ein paar Straßen weiter eingeschult werden.
Prost! Lasst uns mit Karottensaft anstoßen. Auf dass Klein Thorben-Hosea aus der Greifswalder Straße in seiner vollgekackten Biowindel künftig den Schlaf der Seligen schlafen kann und nie mit den kleinen Kopftuchmädchen aus der Unterschicht in die Schule gehen muss.
Man soll aber nicht der Versuchung erliegen, es handele sich ausschließlich um diejenige nach Prenzlauer Berg eingewanderte Sorte von Spießgesellen, die im Mauerpark die Einhaltung der Grillzone vom Balkon aus überwacht und bei jeder Überschreitung im Zentimeterbereich beim Kontaktbereichsbeamten petzt, gezielt mit Kindern Raucherlokale aufsucht, um sich beim Bezirksamt über das Rauchen in eben diesen Raucherlokalen zu beschweren oder Spätis beim Ordnungsamt anzählt, wenn die nach 22 Uhr noch Toilettenpapier verkaufen.Nein, um die Auswüchse der hierher eingeschleppten und perfekt mit übriggebliebenen Relikten aus Ostzeiten harmonierenden Block- und Volkswart-Mentalität geht es eigentlich nur am Rande. Es geht nur ganz profan um Immobilien und deren Wertsteigerung. Immer schon. Und wenn dies nur durch Verdrängung erreicht werden kann, so wird eben verdrängt – Traditionen und gewachsene Strukturen stören da nur. Mag man gut finden oder auch nicht, legal ist es offenbar.
Sei es drum, sie haben gewonnen, die Verdränger, Bausparer und Kehrwochen-Freaks, im Namen des Volkes sogar und deshalb konnte der Knaack die 60 nicht mehr vollmachen. Es verschwand eine Institution, in der fast jeder (Ost-)Berliner Jugendliche einen Großteil seines Wochenendes bestritten und seines Taschengeldes hingetragen hat, ein lebendiger Ort, an dem auf allen drei Ebenen stets bis zum Morgengrauen getanzt, gesoffen und gesungen wurde.
Viel ist ja ohnehin nicht mehr übrig hier in dieser bleiernen Biowüste. Der Magnet Club verschwand, der Klub der Republik wurde planiert, das Icon plattgemacht und der Duncker-Club, dieses allerletzte blöde Ostrelikt, ist auch schon angezählt, seit man daneben ein steriles bürogebäudeartiges Investitionsobjekt in Arztweiß aus der Architekturhölle hingekackt hat.
Vorläufiges amtliches Endergebnis im Match um die Lufthoheit im Bezirk: Bionade-Biedermeier 3 – Lebensfreude 0.
Keine Überraschung.
Und der Schiri ist blind.
Und der Fanblock tobt.
Mal sehen wie lange der Duncker-Club noch durchhält. Der hat hier schon lange nichts mehr verloren. Passt mit seiner komischen Hottentotten-Musik und den viel zu günstigen Preisen auch gar nicht mehr hierher in diese ganze weichgezeichnete und pastellfarbene Vorstadthölle – es wird Zeit, dass auch hier endlich mal jemand den Sack zumacht, noch ein paar potthässliche umzäunte Townhouses daneben erbricht und diese Lärmbelästiger dort rausklagt, die hier nur noch die Vorgartenidylle stören.Und überhaupt: Macht die Kulturbrauerei mit ihrer Alten Kantine, dem Kesselhaus und dem frannz club endlich dicht, wandelt sie in Eigenheim-Lofts um und planiert die Pflastersteine im Innenhof, auf denen die Kinderwagen so schlecht rollen können – auf dass sich endlich Friede und Ruhe in Prenzlauer Berg niederlasse und dieser Bezirk als der erste Friedhof weltweit mit integrierten Spielplätzen in die Geschichte eingeht.
