Together we stand – divided we fall

Greifenhagener Straße Berlin

Wieder einer weniger, wieder eine weg.

Eine Eckkneipe.

Das Greifenhagener Eck war die Eckkneipe für aussterbende Arten mehrerer Couleur in Prenzlauer Berg:

1. Hertha-Fans
2. Prolls
3. echte Arbeiter

Die Hertha-Fans besaßen im Hinterzimmer ein eigenes Terrarium mit einschlägigen Wimpeln, Fahnen und anderen Winkelementen. Wie dieses Stück klassisches West-Berlin es hierher geschafft hat, konnte ich mir nie erklären, jedenfalls wurde klassische Folklore gegeben: Hertha live. Der dort ansässige Hertha-Fan begrüßte gerne neue Gäste, hatte es aber nicht so gern, wenn diese genau den Platz belegten, auf dem er üblicherweise saß. Hier im Hinterzimmer wurde gemeinsam gelitten, gemeinsam gegröhlt, wurden Siege gefeiert und Niederlagen beweint. Die volle Tragik eines Fußballspiels – alle Höhen, alle Tiefen – ließ sich im Schweiße des Hertha-Schals miterleben.

Der Proll, der für gewöhnlich um die Ecke vor dem Spätkauf mit einer Molle in der Hand rumlungert, verirrte sich nur ab und zu hierher, wobei er das Hertha-Terrarium mied und sich ausschließlich an der Bar aufhielt, von wo aus er lautstark die westdeutsche Totalübernahme von Prenzlauer Berg beklagte. Ganz Prenzlauer Berg? Nein, denn seine kleine Gruppe vor dem Späti um die Ecke leistet auch heute, zumindest im Sommer, immer noch Widerstand und bildet eine der letzten Inseln, auf denen in Prenzlauer Berg noch öffentlich Alkohol getrunken und geraucht wird.

Der echte Arbeiter (also der, der im Blaumann mit der Faust auf dem Gerüst und nicht im ironischen Flanellhemd im Cafe vor dem Macbook arbeitet) war ein Kuriosum in dieser Gegend. Er durfte eigentlich im gentrifizierten Prenzlauer Berg gar nicht hier sein. Meine Theorie war stets, dass er hier gar nicht wohnt, sondern im Zuge der Sanierung irgendeines weiteren Dachgeschosses nicht auch noch seine Mittagspause mit den schnöseligen Bewohnern dieser Gegend verbringen wollte. Wo sollte er auch sonst hin? Im Latte-Cafe gegenüber gibt es keine Molle und ich konnte ihn mir nur schwer dabei vorstellen, wie er sich in der Gemüseecke von Lidl mit dem Papa des kleinen Amadou-Hosea über die ungespritzten Kohlrabiknollen vom brandenburger Biobauernhof unterhält.

Zu.

Aus.

Vorbei.

Hertha abgestiegen.

Greifenhagener Eck zu.

Demnächst hier an dieser Ecke: Ihr neuer Bioladen! Hurra!