Ganesha

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Ganesha, nepalesisch, Prenzlauer Berg 

Ich laufe seit vielen Jahren an diesem seltsamen nepalesischen Restaurant in der Wichertstraße vorbei und sah stets nur selten jemanden da drin sitzen.

Die Wichertstraße ist sowieso ein Ort, an dem man so etwas besser nicht aufmacht und als Kunde besser auch keinen der vielen seltsamen Läden betritt.

Ein Kerzendreher residiert hier neben einem Rollenspielerladen (aus dem man öfter seltsame Dialoge hört wie „Ich hab Attacke 8 plus Bonus 2!“ „Haha! Pariert mit Verteidigungsbonus 7!“), einen Bastelladen gab es hier schon, jemand verkauft HipHop-Klamotten direkt neben dem Laden für Kifferbedarf und eine Sprachschule, ein Computerschrauber sowie ein Waschsalon geben sich hier ein Stelldichein.

Natürlich gibt es auch einen unvermeidlichen asiatischen Massagesalon, einen unvermeidlichen asiatischen Nagelladen für Plastikfingernägel, einen unvermeidlichen asiatischen Blumenladen und den unvermeidlichen Asia-Shop für Instant-Nudeln. Nur prekäres Sushi, das sich überall in Berlin explosionsartig verbreitet, gibt es hier noch nicht. Seltsam.

Es ist eine Straße für Glücksritter, Verwegene und auf jeden Fall für Pleitiers. Alle drei Monate geht jemand bankrott, macht über Nacht dicht und ein anderer versucht sein Glück mit einer anderen schrägen Idee. Nur der Bestatter, die russische Kneipe, der Wohnungspuff mit dem „diskreten“ roten Lämpchen am Fenster und die Billigpizza-Freßbude waren schon immer da, womit immerhin Fressen, Saufen, Ficken und Sterben als elementare menschliche Grundbedürfnisse in der Wichertstraße abgedeckt wären.

Ein Glücksfall, dass mir justamente nichts anderes einfiel als in einem Anfall von heraufziehendem Wahnsinn nebst offenbar stark voranschreitender Altersdemenz einmal nepalesisch essen zu gehen. Hier. In der Wichertstraße. Ich. Wo ich sonst schnell schaue, dass ich weiterkomme.

Seltsame Anwandlungen brechen Bahn, wahrscheinlich komme ich irgendwann im fortgeschrittenen Wahn auch noch auf die Idee, mir eine Kerze drehen oder mir dicke grün-blaue Plastikfingernnägel mit Glitzersternchen verpassen zu lassen oder gar meine Wochenenden damit zu verbringen, zusammen mit irgendwelchen Nerds auf Rollenspiel-Datenblättern mit Hilfe von 20-Augen-Würfeln Mathematikübungen zu machen.

Wie schmeckt also nepalesisch? Ganz klar: Sehr gut, zumindest hier, wenn nicht gar herausragend, fein, gerne fruchtig-pikant, definitiv nicht fade eingedeutscht und frisch allemal. Und scharf heisst hier scharf. Alter.

Geheimtipp ist das richtige Wort für diesen Ort. Wer hätte sowas erwartet? Hier. In der Wichertstraße. Wo man immer lieber weg will als hin.

Nepalesisch kann man sich in etwa vorstellen wie pakistanisch bzw. indisch, nur nicht ganz so schwer, sondern mit der Leichtigkeit der chinesischen Küche kombiniert, Ente kreuzt hier Tandoori, Nudeln treffen Feuertopf. Sehr angenehm, eine neue Erfahrung und definitiv wiederholungswürdig.

Es stimmt mich manchmal traurig, wenn sich ein Spitzenlokal wie dieses hier einfach den falschen Platz ausgesucht hat und dadurch vielleicht eingeht. Hier. In der Wicherstraße. Wo einfach nicht der Platz für so etwas ist.

Aber ich versuche ab sofort dazu beizutragen, dass es nicht so weit kommt und erzähle jedem, der das nicht wissen will, davon wie gut es hier schmeckt. Denn selten war ich so überzeugt wie hier.